Grosszügige Bank? - Vorsicht!
Schätzt die Bank den Wert eines Hauses sehr hoch ein, ist Vorsicht geboten. Rudolf Heinzelmann hat der Bank vertraut. Heute ist er ruiniert.
Inhalt
K-Tipp 17/2006
18.10.2006
Bennie Koprio, Pasquale Ferrara
Vor zwölf Jahren übernahm Rudolf Heinzelmann den traditionsreichen Gasthof «Schäfli» mit Metzgerei mitten im Zentrum von Degersheim SG. Die Raiffeisenbank hatte es möglich gemacht: Gestützt auf ihre Liegenschaftsschätzung von 1,9 Millionen Franken offerierte sie ihm 1,3 Millionen Franken für Kauf und Umbau. «Ich war mir sicher, gut beraten zu sein», erinnert sich Heinzelmann.
Heinzelmann kaufte und investierte viel Geld. 1999 kam die Hiobsbotschaft von der Bank: Das Hau...
Vor zwölf Jahren übernahm Rudolf Heinzelmann den traditionsreichen Gasthof «Schäfli» mit Metzgerei mitten im Zentrum von Degersheim SG. Die Raiffeisenbank hatte es möglich gemacht: Gestützt auf ihre Liegenschaftsschätzung von 1,9 Millionen Franken offerierte sie ihm 1,3 Millionen Franken für Kauf und Umbau. «Ich war mir sicher, gut beraten zu sein», erinnert sich Heinzelmann.
Heinzelmann kaufte und investierte viel Geld. 1999 kam die Hiobsbotschaft von der Bank: Das Haus sei laut neuer Schätzung nur noch 1,3 Millionen wert. Das hatte Folgen: Die Bank verlangte auf einen Schlag die Rückzahlung von 230 000 Franken. Denn gemäss neuen Berechnungen der Bank war das Haus überbelehnt.
Überbelehnung - der Albtraum für jeden Hausbesitzer. Je höher der Wert der Liegenschaft, umso höhere Hypotheken gewährt die Bank. «Wenn aber die Preise sinken oder die Bank die Immobilie neu einschätzt, wird es unangenehm», weiss Lorenz Heim vom Vermögenszentrum. Denn dann will die Bank einen Teil der Hypothek zurück.
Der Wert der Liegenschaft von Heinzelmann sei aufgrund mehrerer Faktoren gesunken, rechtfertigt sich die Raiffeisenbank. Ausschlagebend seien das veränderte Marktumfeld, der Zustand des Gebäudes und bei Gewerbebetrieben auch die Ertragslage.
Das Geschäft von Heinzelmann lief zu jener Zeit wie bei vielen anderen nicht wie gewünscht. Um wenigstens einen Teil der Summe zurückzahlen zu können, verkaufte Heinzelmann ein Stück des Bodens, auf dem das «Schäfli» stand. Daraufhin wollte die Bank weitere 150 000 Franken.
Von 1,9 Millionen auf 775 000 Franken
Der «Schäfli»-Besitzer sah keinen Ausweg: Er gab das Geschäft auf, die Liegenschaft verkaufte er. Neuer Besitzer des Hauses: die Raiffeisenbank. Sie hat die Immobilie, die sie einst mit Land auf 1,9 Millionen Franken geschätzt hatte, für 775 000 Franken gekauft und darin gleich noch ihre Filiale eingerichtet. Und sie beharrt bis heute darauf, dass Heinzelmann ihr noch 150 000 Franken schulde. «Wir sind Herrn Heinzelmann mehrmals entgegengekommen. Unser Kaufpreis war ein faires Angebot und höher als der damalige Marktwert», sagt Franz Würth von der Raiffeisenbank.
Hypothekarvertrag: Risiken und Tipps
Wer eine Hypothek aufnimmt, muss verschiedene Risikofaktoren berücksichtigen. Sonst kann das Traumhaus zum Albtraum werden.
Risiko Liegenschaftswert: Sind Banken - wie zurzeit - sehr daran interessiert, Hypothekarverträge abzuschliessen, können Berater dazu neigen, ein Haus zu hoch einzuschätzen und entsprechend hohe Hypotheken zu gewähren. Wird der Wert nach unten korrigiert, muss der Kunde viel Geld zurückzahlen, das er in der Regel nicht hat.
Tipp: Kritische Zweitmeinung einholen.
Risiko Zinsen: In den letzten Jahren waren die Hypothekarzinsen mit 2 bis 3 Prozent relativ tief. Das kann sich aber jederzeit ändern.
Tipp: Von 5 Prozent ausgehen.
Risiko vorzeitiger Ausstieg: Scheidung, Arbeitslosigkeit, Invalidität oder der Tod des Partners können die finanzielle Situation schlagartig ändern und den Verkauf des Eigenheims und die vorzeitige Kündigung der Hypothek erzwingen. Das ist speziell bei Festhypotheken mit langer Laufzeit ein Risikofaktor, denn die Banken verlangen dann eine sogenannte Vorfälligkeitsprämie, die mehrere zehntausend Franken betragen kann.
Tipp: Ausstiegsrisiko von Anfang an mit einberechnen oder auf kurze Laufzeiten setzen.
Risiko Kleingedrucktes: Hypothekarnehmer kümmern sich in der Regel zu wenig um wichtige Punkte im Vertrag, wie Spesen und Zahlungstermine. Halbjährliche oder gar vierteljährliche Zahlungen sind beispielsweise teurer als jährliche. Auch bei den Bedingungen, unter denen eine Bank die Hypothek vorzeitig kündigen kann, gibt es Unterschiede. Während bei den einen eine «wesentliche Verschlechterung» der Kreditwürdigkeit ein solcher Grund ist, darf zum Beispiel die UBS den Vertrag schon kündigen, wenn eine solche absehbar ist.
Tipp: Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) und speziell die AGB für Hypotheken sorgfältig lesen. Bei Unklarheiten: Lassen Sie sich von einer unabhängigen Stelle beraten!
(ko)