Vor einem halben Jahr machte die Zeitschrift «Beobachter» publik, dass Transportunternehmen und -verbände das Generalabonnement (GA) im Dezember 2021 um zehn Prozent verteuern wollen. Ueli Stückelberger, Direktor des Verbands Öffentlicher Verkehr (VÖV), bestritt das umgehend in einem Interview im «Blick»:
«Niemand will den Preis des GA einfach um zehn Prozent erhöhen. Der Vorschlag wurde im Sinne eines Brainstormings eingebracht.»
«Es gibt ja nicht nur Vorschläge für Erhöhungen, sondern auch für günstigere Tickets.»
«Wenn der Preis an einem Ort steigt, soll er am anderen sinken – nämlich bei den Einzelfahrten.»
«Eine mögliche Massnahme ist, die Einzelfahrten zu vergünstigen.»
Was stimmt nun? Der K-Tipp wollte das wissen. Und vor allem den Lesern die frohe Kunde von sinkenden Billettpreisen überbringen. Deshalb bat er bei CH-Direct, der nationalen Tariforganisation, um den Bericht «Preis- und Sortimentsstrategie Direkter Verkehr».
Doch der Verband verweigerte die Herausgabe, wie auch das Bundesamt für Verkehr. Der K-Tipp musste die Herausgabe mit einem Schlichtungsverfahren beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten durchsetzen.
Und siehe da: Die GA-Preiserhöhung ist keineswegs nur «ein Vorschlag im Sinne eines Brainstormings». Zuerst fand eine Internetbefragung bei 13 Transportunternehmen, bei CH-Direct, Verbünden des öffentlichen Verkehrs und dem Bundesamt für Verkehr statt. Anschliessend gab es Diskussionen «im Rahmen von Fokusgruppen». Dann «Projektgruppen-Workshops». Es folgten «quantitative sowie qualitative Analysen». Später «vertiefende Auseinandersetzungen». Und ein 30-seitiger Bericht.
GA-Preiserhöhung «per Dezember 2021»
Der Bericht ist ausgesprochen konkret. Da steht unter dem Titel «GA-Preiserhöhung von ca. zehn Prozent»: «Diese Preisanpassung soll in einem Schritt vollzogen werden. Damit können einerseits negative Kunden- und Pressereaktionen ‹gebündelt› werden. Andererseits bestünde bei einer schrittweisen Erhöhung das Risiko, zum Beispiel aus politischen Gründen, auf halber Strecke stehenzubleiben.» Die Erhöhung sei «per Dezember 2021 zu planen».
Das heisst: Der Strategierat der Transportunternehmen und Verbünde, dem unter anderem Vertreter von SBB, BLS und Postauto angehören, wird die Preiserhöhung beantragen. Im Frühling 2021 gibt es dann eine Abstimmung bei den 250 Transportunternehmen und 17 Verbünden. Gleichzeitig wird der Preisüberwacher informiert: Er prüft, ob die ÖV-Betriebe ihr Monopol missbrauchen.
Und was ist mit den Preisabschlägen auf Einzelfahrten, die VÖV-Direktor Ueli Stückelberger im «Blick» drei Mal erwähnte? Im Kapitel «Massnahmen» steht davon kein Wort. Nur vage heisst es anderswo: «In Konkurrenz mit dem Individualverkehr sind gerade in der 1. Klasse situative Preissenkungen prüfenswert.»