Dem Feldhasen in der Schweiz geht es an den Kragen. Laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) befindet sich der Bestand auf «kritisch tiefem Niveau». Trotzdem wird der auf der Roten Liste der bedrohten Wildtiere stehende Feldhase weiter geschossen.
Letztes Jahr 2154 Mal, wie der Eidgenössischen Jagdstatistik zu entnehmen ist. Auf der Roten Liste sind alle Tier- und Pflanzenarten nach ihrem Gefährdungsgrad aufgeführt.
Der Bund will nichts unternehmen
Die Jagd ist zwar nicht der Hauptgrund für den dramatischen Rückgang des Feldhasen: Die Zerstörung seines Lebensraums setzt dem Hasen noch stärker zu. Umso unverständlicher sei es, dass der Feldhase in 13 Kantonen noch immer im Visier der Jäger sei, beklagt sich Mirjam Ballmer von Pro Natura.
Die Naturschutzorganisation fordert deshalb ein nationales Jagdverbot für alle gefährdeten Tierarten. Das Bundesamt «erwartet von den Kantonen, dass sie örtlich bedrohte Arten schützen», sagt Sprecherin Nicole Imesch. Ein genereller Schutz auf nationalem Niveau sei aber «kein Thema».
Von einer Gefährdung des Feldhasenbestandes wollen die Jäger nichts wissen: «Durch die zunehmende naturnahe Landwirtschaft haben sich die Feldhasenbestände in vielen Gebieten wieder sehr gut erholt, und eine zurückhaltende Entnahme durch die Jagd ist möglich und vertretbar», schreibt Hanspeter Egli, Präsident des Dachverbandes Jagd Schweiz, dem K-Tipp.
Doch die Realität sieht anders aus: Der Kanton Aargau weist mit zwei Tieren pro Quadratkilometer Feldfläche den tiefsten Hasenbestand im Mittelland auf (Landesschnitt: 2,7 Tiere). Dennoch wird auch im Aargau Jagd auf den Feldhasen gemacht.
Da das Jagdgesetz nur unverbindliche Rahmenbedingungen vorgibt und die Details den Kantonen überlässt, darf der Feldhase in diesen Kantonen gejagt werden: AG, GL, GR, JU, LU, NE, OW, SG, SH, TI, VD, VS und ZH. In den anderen Kantonen ist die Jagd verboten, oder die Jäger verzichten freiwillig darauf.
Auch gefährdete Vögel im Visier
Noch seltener als der Feldhase ist das Birkhuhn: In der Schweiz brüten weniger als 10 000 Paare. Vom auf der Roten Liste als «potenziell gefährdet» eingestuften Birkhuhn dürfen die Männchen geschossen werden. Letztes Jahr waren das 488 Tiere.
Es werde nur dort geschossen, wo es grössere Bestände gibt, betont Hanspeter Egli. Bei der Vogelwarte Sempach beobachtet man den Abschuss aber mit Sorge, wie Biologin Verena Keller erklärt: «Die Jagd von Hähnen kann negative Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis haben.»
Im Visier der Jäger sind auch die seltene Waldschnepfe sowie die fast ausgestorbenen Schnatter- und Knäkenten. Geschossen würde nur auf durchziehende Enten, behauptet Jagd Schweiz. Die Jäger erlegten letztes Jahr 1948 Waldschnepfen und 26 Schnatterenten.
Nur: Woher wissen die Jäger, welches durchziehende und welches einheimische Tiere sind? Mirjam Ballmer von Pro Natura: «Eine klare Unterscheidung ist vor der Schussabgabe kaum möglich.»