Hausieren mit der Kasse
Nun kommt wieder die Zeit der Krankenkassen-Vermittler. Sie bezeichnen sich als neutral und wollen helfen. Skepsis ist aber angebracht.
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K-Tipp 14/2003
03.09.2003
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Grundsätzlich wimmle ich Telefonverkäufer immer ab», sagt Kerstin Müller aus Basadingen TG (Name geändert). Doch der Anruf, den sie im Juni bekam, liess sie hellhörig werden.
Der Mann am Draht bot ihr eine neutrale Beratung in Krankenkassenfragen an. Die Prämien würden wieder steigen, sagte er, insbesondere wegen der neuen Regioneneinteilung; diese habe für ländliche Gebiete erhebliche Prämienerhöhungen zur Folge.
Pech nur: Die Sache mit den neuen Prämi...
Grundsätzlich wimmle ich Telefonverkäufer immer ab», sagt Kerstin Müller aus Basadingen TG (Name geändert). Doch der Anruf, den sie im Juni bekam, liess sie hellhörig werden.
Der Mann am Draht bot ihr eine neutrale Beratung in Krankenkassenfragen an. Die Prämien würden wieder steigen, sagte er, insbesondere wegen der neuen Regioneneinteilung; diese habe für ländliche Gebiete erhebliche Prämienerhöhungen zur Folge.
Pech nur: Die Sache mit den neuen Prämienregionen der Krankenkassen stimmt zwar im Prinzip (siehe Kasten) - aber ausgerechnet für den Kanton Thurgau trifft sie nicht zu. Von den dort tätigen rund 50 Krankenkassen haben nur gerade zwei - Helsana und ÖKK - verschiedene Prämienregionen. Alle anderen hatten schon bis anhin (und das gilt auch in Zukunft) nur eine einzige Prämienregion, und für all diese Versicherten hat die Neuregelung keine ausserordentlichen Folgen.
Mit anderen Worten: Es wurde mit einem unzutreffenden Argument operiert.
Aufgedrängte, nicht nötige Versicherungen
Hinter dem Anruf steckt die Firma Finanz Netz Consulting aus Wollerau SZ. Die Firma bestreitet, mit falschen Aufhängern zu arbeiten, und lässt durch ihre Anwältin ausrichten, die Frau aus Basadingen sei «nicht in der Lage» gewesen, das Telefongespräch richtig zu verstehen - was die Angerufene wiederum vehement bestreitet.
Da steht Aussage gegen Aussage. Tatsache aber ist: Wie jedes Jahr kommt nun wieder die Hoch-Zeit der Makler, Beraterinnen, Agentinnen und Vermittler. Sie nehmen die drohenden Prämiensteigerungen der Krankenkassen zum Anlass, um an neue Kunden heranzukommen.
Da ist Vorsicht am Platz:
- Vermittler nennen sich gerne neutral, unabhängig oder führen den nicht geschützten Begriff «Treuhand» im Namen. Über die Qualität der Beratung sagt dies nichts aus. Der Winterthurer Jacky Meletta plusterte sich gar als «Konsumenten-Test- und -Schlichtungszentrum» auf - ohne dafür befähigt zu sein.
- Trotz angeblicher Neutralität vermitteln die meisten Verkäufer in erster Linie diejenigen Kassen, die ihnen für Neukunden am meisten Verkaufsprovision zahlen. Meist raten sie zu hohen Franchisen in der Grundversicherung und drängen zum Abschluss von unnötigen Zusatzversicherungen - weil beides mehr Geld in ihre Kasse spült. Das heisst umgekehrt, dass viele kleine, aber günstige Kassen nicht empfohlen werden, weil diese oft keine oder nur eine geringe Provision zahlen.
- Der Ombudsman der sozialen Krankenversicherung schreibt, es gebe immer wieder Versicherungsagenten mit «fragwürdigen Anwerbemethoden». Sie lassen die Kunden beispielsweise Blanko-Formulare unterzeichnen, was unliebsame Folgen haben kann. Medienberichte zeigen, dass die Groupe Mutuel am meisten schwarze Schafe unter ihren zahlreichen Vermittlern hat.
- Viele Verkäufer nutzen die Krankenkasse als Türöffner, um den Opfern anschliessend eine unnötige Lebensversicherung zu verkaufen; hier winken ungleich höhere Provisionen als bei den Krankenkassen. Wer dann leichtgläubig unterschreibt, macht unter Umständen einen teuren Fehler. Das kann auch beim Verkauf von Fonds-Sparplänen der Fall sein (siehe K-Tipp 8/03).
- Seriöse Vermittler machen keine marktschreierische Werbung und legen den Interessenten mindestens drei Offerten von verschiedenen Kassen vor.
Keine Panik wegen der neuen Einteilung!
Bisher durfte jede Kasse jeden Kanton beliebig in ein, zwei oder drei Prämienregionen einteilen. Folge: Es gab bei vielen Kassen in vielen Kantonen eine günstigere Prämie für ländliche Regionen, eine höhere Prämie für städtische Regionen und einen mittleren Tarif für Agglomerationen.
Ab 2004 müssen diese Prämienregionen einheitlich sein; für jede Ortschaft in der Schweiz ist die Einteilung nun verbindlich festgelegt. Drei Prämienregionen haben nur noch die Kantone BE, GR, LU, SG, VD und ZH. Zwei Prämienregionen gibts in BL, FR, SH, TI und VS. Für die restlichen Kantone muss jede Kasse eine Einheitsprämie festlegen. Details finden Sie unter www.bsv-vollzug.ch.
Das kann dazu führen, dass Versicherte, die bisher in einer günstigen Region eingeteilt waren, in eine teurere umgeteilt werden. Das hat einen einmaligen ausserordentlichen Prämienschub zur Folge - zusätzlich zum Prämienanstieg wegen der gestiegenen Gesundheitskosten. Für die Mehrheit spielt diese Veränderung keine Rolle.
Tipp: Warten Sie die Prämie ab, die Ihnen die Kasse im Oktober bekannt gibt. Sie können dann immer noch wechseln. Der K-Tipp wird darauf zurückkommen.