Noch im Frühling dieses Jahres bat das Schweizerische Rote Kreuz, das bekannteste Hilfswerk des Landes, um Spenden für Leute, die durch die Coronapandemie in Not geraten sind. «Nur das Rote Kreuz als weltweite Bewegung kann diese Herkulesaufgabe stemmen», hiess es im Bettelbrief. Die Spendenaufrufe hatten Erfolg: Im Jahr 2020 nahm das SRK damit mehr als 30 Millionen Franken ein. Auch andere spendenfinanzierte Hilfswerke, die der K-Tipp anfragte, berichten von ausserordentlich hohen Einnahmen.
Eher eine Bank als ein Hilfswerk
Was Spender an das Rote Kreuz kaum wissen: Der Verein SRK wies Ende vergangenen Jahres ein Vermögen von 1027 Millionen Franken aus (Tabelle im PDF). 885 Millionen davon sind in einer Stiftung parkiert, die zwar rechtlich unabhängig, aber dem SRK zuzurechnen ist. Mit einem solchen Vermögen ist das Rote Kreuz eher eine Bank als ein Hilfswerk. 2020 erzielte die Organisation damit einen Börsengewinn von 45 Millionen Franken. 2019 waren es gar 113 Millionen. Das Grundkapital stammte ursprünglich aus dem Verkauf des Zentrallaboratoriums Blutspendedienst im Jahre 2000 an einen australischen Konzern. Das Unternehmen verarbeitet Blutplasma zu Medikamenten.
«Gutschweizerische Tradition»
Das SRK schreibt dem K-Tipp, das Vermögen sei «gemäss Stiftungsurkunde und gutschweizerischer Tradition in seinem Wert zu erhalten, aus den Erträgen werden Projekte und Programme der Organisationen des SRK finanziert». Antragsberechtigt seien auch das internationale rote Kreuz (IKRK) sowie die internationale Föderation und die internationalen Rotkreuzgesellschaften.
Laut dem Spendenreport 2020, einem Bericht des Berufsverbandes der Spendensammler und der Stiftung Zewo, überwies ein Schweizer Haushalt im vergangenen Jahr durchschnittlich 300 Franken an Hilfswerke. Spender dürfen erwarten, dass ihr Geld innert nützlicher Frist für den angegebenen Zweck eingesetzt wird. Doch das ist bei einem Teil der Gelder nicht immer der Fall. Das zeigt ein Blick in die Finanzberichte des SRK und zwölf weiterer grosser Hilfswerke. Bei einigen Institutionen fliessen grosse Summen in die Reserven.
Heilsarmee: Reserve von 274 Millionen
Die Krebsliga etwa sitzt auf einem Polster von 64 Millionen Franken. Damit könnte das Hilfswerk alle seine Ausgaben wie Löhne, Mieten und Beratungstätigkeit volle drei Jahre lang weiterfinanzieren, ohne auch nur einen weiteren Franken einzunehmen. Das Geld ist in Wertschriften und Anlagefonds angelegt. Die Krebsliga verweist wie das Rote Kreuz auf ein gesondertes Stiftungsvermögen.
In ähnlich komfortabler Lage befindet sich die Schweizer Berghilfe: Ihre Reserve beträgt 129 Millionen Franken. Auch das reicht für drei Jahre Vollbetrieb. Die Berghilfe legte das meiste davon an der Börse an und verdiente 2020 damit 6 Millionen Franken. Die Berghilfe sagt gegenüber dem K-Tipp, ein Grossteil der Gelder sei in Fonds zweckgebunden.
Auch die Glückskette und die Heilsarmee schreiben, ein Grossteil ihrer Geldpolster sei zweckgebunden und einzelnen Projekten bereits zugeteilt. Das Polster der Heilsarmee beträgt 274 Millionen Franken. Allerdings hat das Hilfswerk einen hohen jährlichen Umsatz von 185 Millionen Franken.
«Mittel nicht schnell genug eingesetzt»
Reserven sind in der Regel für Krisenzeiten gedacht. Aber während der Coronapandemie stieg das Vermögen einiger Hilfswerke weiter. Zum Vergleich: Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen der Privatwirtschaft haben gerade mal Reserven für drei bis vier Monate. Daniel Zöbeli, Experte für gemeinnützige Organisationen und Professor an der Fernfachhochschule Schweiz, sagt zu den Zahlen der Hilfswerke: «Reichen die flüssigen Mittel für drei Jahre Vollbetrieb, liegt der Verdacht nahe, dass die Spendengelder nicht schnell genug eingesetzt werden.»
Reserven für ein Jahr hingegen hält der Experte für akzeptabel. Denn Hilfswerke finanzieren oft mehrjährige Projekte. Und sie sind von Spenden abhängig, die von Jahr zu Jahr stark schwanken können. So legt etwa das Sozialwerk Pfarrer Sieber Reserven an, um in den nächsten Jahren mehrere grössere Investitionsvorhaben zu realisieren.
Es gibt weitere positive Beispiele, wie die Stichprobe des-K-Tipp zeigt: Amnesty International, Caritas und Helvetas etwa bunkern ihre Spendengelder nicht auf der Bank, sondern setzen sie möglichst bald für den vorgesehenen Zweck ein.