Die Billette für den öffentlichen Verkehr sollen teurer werden. Das plant Alliance Swisspass, der Branchenverband der Schweizer Transportunternehmen (K-Tipp 8/2023). Das Zweitklass-GA wird ab dem 10. Dezember erstmals über 4000 Franken kosten, wenn die Branche ihre Preisvorstellungen durchsetzt. Und auch das Halbtax und viele Einzelbillette werden aufschlagen.
Auch einige regionale Verkehrsverbünde wollen ihre Preise für Busse, Trams und S-Bahnen ab dem kommenden Dezember erhöhen. Der Tarifverbund ZVV zum Beispiel will das Zweitklass-Jahresabo für die Städte Zürich und Winterthur von 782 auf 809 Franken erhöhen. Beim Tarifverbund Libero (Bern/Solothurn) sollen die Kurzstrecken-Billette neu 3 Franken statt Fr. 2.60 kosten. Und in der Tarifregion Nordwestschweiz soll das persönliche Jahresabo zweiter Klasse von 800 auf 824 Franken aufschlagen.
Die Begründung der Verkehrsbetriebe von Kantonen und Städten: Die Betriebskosten seien markant gestiegen. Gleichzeitig streiche der Bund Mittel für den Regionalverkehr.
Nur: Bei den Verkehrsbetrieben klingeln die Kassen – zum Beispiel im Ostschweizer Tarifverbund Ostwind. Statt 34,6 Millionen Franken wie budgetiert nahmen die regionalen Betriebe von Januar bis März dieses Jahres 39,1 Millionen Franken ein. Das sind 4,5 Millionen Franken mehr als erwartet.
Einnahmen gleich hoch wie vor Corona
Auch in anderen Regionen heisst es auf Nachfrage des K-Tipp: Umsatzziel im ersten Quartal erreicht oder übertroffen. Der Tarifverbund Passepartout (LU/OW/NW) machte von Januar bis März 28,4 Millionen Franken Umsatz – 1,2 Millionen Franken mehr als budgetiert. Passepartout schreibt, man habe die Umsatzziele für 2023 reduziert, verdiene aber immer noch weniger als einst geplant.
Dabei zeigen die Quartalszahlen: Die Pandemie-Delle ist überwunden. Laut dem grössten Schweizer Tarifverbund, dem Zürcher ZVV, sind die Billetteinnahmen wieder «praktisch gleich hoch» wie 2019. Und die Rhätische Bahn verzeichnet im ersten Quartal ein Plus: Sie nahm 27,8 Millionen Franken ein – das sind rund 4 Millionen mehr als 2019.
«Allzeithoch» bei Bahn- und Busreisenden
Auf nationaler Ebene gibt es gar neue Rekorde: Nie reisten Bahn- und Buspassagiere in den ersten drei Monaten eines Jahres mehr als 2023: Sie legten zusammen 5,22 Milliarden Kilometer zurück. Der Verband Öffentlicher Verkehr konnte damit ein «Allzeithoch» vermelden. Die SBB allein hatten im April 2023 praktisch die gleiche Auslastung wie im April 2019.
Doch trotz mehr Passagieren, mehr Einnahmen und höheren Billettpreisen verschlechtern die SBB das Angebot. So verlieren die Bahnreisenden auf der Strecke Zürich–Genf ab 2025 eine Direktverbindung pro Stunde: Nur noch in Stosszeiten fahren stündlich zwei Züge direkt nach Genf. Die Jurasüdfusslinie via Olten, Solothurn, Biel und Neuenburg nach Genf endet neu in Lausanne. Wer nach Genf will, muss im Lausanner Vorort Renens umsteigen. Erst ab 2035 sollen die Züge wieder direkt nach Genf fahren.
Die SBB schreiben, von den Massnahmen seien so wenige Kunden wie möglich betroffen. Zu einer anderen Einschätzung kommt der Flughafen Genf. Pro Jahr würden zwischen 365'000 und 500'000 Reisende auf der Jurasüdfusslinie zwischen Solothurn und Yverdon mit dem Zug zum Flughafen reisen. Es sei zu erwarten, dass künftig viele Passagiere aus der Deutschschweiz im Auto statt im Zug anreisen werden.
«SBB-Preiserhöhung kann zu mehr Autoverkehr führen»
Vincent Kaufmann, Professor für Mobi-litätsstudien an der ETH Lausanne, zur Preispolitik der SBB.
Welche Folgen haben die geplanten Preiserhöhungen?
Der Zug ist für Bahnreisende ohne Halbtax ohnehin schon sehr teuer. Wir befinden uns in einer Phase steigender Preise: Eine Preiserhöhung kann zu einer Verlagerung auf das Auto führen.
Was bedeutet das für die Klimaziele der Schweiz?
Die Bahnpreise steigen in der Schweiz deutlich schneller als die Autopreise – obwohl der Autoverkehr Umweltkosten verursacht, die wir alle mittragen müssen. Die Schweiz hat das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Aber es fehlt an einer koordinierten, ehrgeizigen und kohärenten Verkehrspolitik, um diese Ziele umzusetzen.
Und nun verschlechtern die SBB das Angebot in der Westschweiz. Welche Folgen hat dieser Entscheid?
Damit entfernen die SBB die zweitgrösste Agglomeration des Landes vom Rest der Schweiz. Mit der Folge, dass Geschäftsreisen von Genf nach Zürich auf das Flugzeug und Anreisen zum Flughafen Genf auf das Auto verlagert werden.