Cédric Gut (Name geändert) ist Hotelier in den Schweizer Alpen. Ende Januar erhielt er per E-Mail ein interessantes Angebot: Ein Steven Lieb, Account Manager einer Firma Phoenix-Power Ltd. in Hongkong, schlug ihm vor, für sein Hotel «künstliche positive Einträge» auf Internet-Bewertungsportalen wie Tripadvisor, Booking.com, HRS und Holidaycheck zu platzieren.
Hoteliers können Portale auswählen
In einem weiteren E-Mail präzisierte Lieb das Angebot: Cédric Gut dürfe aussuchen, auf welchen Portalen die positiven Bewertungen veröffentlicht werden sollen. «Zudem können Sie uns vorgeben, was Sie gern als besonders herausgestellt bewertet haben möchten.» Ferner empfahl Lieb, Fotos der Zimmer, der Lobby, von Menüs, Speisenbuffets usw. zur Verfügung zu stellen – «am besten mit einer Handykamera amateurhaft fotografiert». Man werde diese dann in die gefälschten Bewertungen «einarbeiten».
Der Phoenix-Power-Manager hat seine Offerte nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich und in Deutschland gestreut.
Markus Luthe vom Hotelverband Deutschland geht davon aus, dass in Deutschland «einige Hundert, wenn nicht Tausend Hotels dieses ebenso unmoralische wie widersinnige Angebot erhalten haben». Absender Steven Lieb wollte keine Fragen des K-Tipp beantworten.
Seine «Dienstleistung» verkauft Lieb in Paketform: 50 Bewertungen für 800 Euro, 100 Bewertungen für 1400 Euro oder 250 Bewertungen für 3000 Euro. Und er brüstet sich gegenüber den Hoteliers: «Wir kennen sämtliche Sicherheitsmassnahmen der Bewertungsportale.» Deswegen – und weil sein Team «so gut geschult» sei – könne er «garantieren, dass keine unserer künstlichen Bewertungen als solche erkannt wird».
Die Bewertungsportale sehen das natürlich anders. Tripadvisor und Holidaycheck geben an, Manipulationen und Fälschungen erfolgreich aufspüren zu können. Dies dank technisch ausgeklügelter Prüfsysteme, vieler Spezialisten mit grosser Erfahrung sowie Hinweisen von Hoteliers und Portalbesuchern. Allerdings nicht lückenlos, wie sie selber einräumen. Und wie K-Tipp, «Saldo», «Kassensturz» und weitere Medien, aber auch Konsumentenschutz-Organisationen wie die deutsche Stiftung Warentest in den letzten Jahren einige Male nachgewiesen haben.
Bewertungen: «Rund ein Drittel gefälscht»
Andere Portale wie Booking.com und HRS versuchen sicherzustellen, dass nur bewerten kann, wer über das Portal gebucht und das Hotel tatsächlich besucht und auch bezahlt hat. Sie senden Kunden einige Zeit nach Ende des gebuchten Aufenthalts per E-Mail einen Link zu, über den die Hotelbeurteilung abgegeben werden kann.
Lassen sich gefälschte Einträge dadurch effektiv verhindern? Cédric Gut bezweifelt das – bei Booking.com und HRS muss das Hotel jedoch mitmachen: «Macht ein Hotel mit einem Fälscher wie Steven Lieb gemeinsame Sache, merkt das Portal nichts.» Denn sobald das Hotel die Kommission für den vermittelten Aufenthalt bezahlt habe, sei die Sache für das Portal normalerweise in Ordnung und erledigt. Und selbst wenn ein Buchungsportal einen Aufenthaltsbeleg, zum Beispiel eine Rechnungskopie, verlangen sollte, hätte ein tricksender Hotelier wohl kaum Skrupel, diesen «Beleg» auszustellen.
Auch HRS-Sprecher Björn Zimmer gibt zu: «Geht ein Hotelier mit solch betrügerischen Methoden vor, wird es für uns schwer, die Korrektheit der Bewertung nachzuvollziehen.» Booking.com hingegen verweist darauf, die Hotelpartner müssten sich vertraglich verpflichten, «dass weder sie selber noch ihre Angestellten Bewertungen auf Booking.com abgeben». Gefälschte Bewertungen seien «extrem selten».
Für Booking.com mag das zutreffen. Allerdings meldete der Österreichische Rundfunk (ORF) schon im Mai 2014: «Rund ein Drittel der Hotelbewertungen in Internetportalen ist laut Experten gefälscht.»