«Ich fühle mich als Opfer»
Sieben Jahre lang zahlte die Rentenanstalt einem Toten eine Rente aus - ein grober Fehler. Die Tochter des Verstorbenen muss das Geld zurückzahlen.
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K-Tipp 1/2003
15.01.2003
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Es war schweres Geschütz, was die Rentenanstalt im April 2002 auffuhr: «Wir werden uns überlegen, ob wir auch eine Strafanzeige wegen unrechtmässiger Verwendung von Vermögenswerten einreichen sollen.»
Die schriftliche Drohung war an Hanny Eckert (Name geändert) gerichtet. Die Rentenanstalt fordert von ihr 23 253 Franken.
Der Grund: Eckerts Vater hatte zu Lebzeiten eine Altersrente von der Pensionskassen-Sammelstiftung der Rentenanstalt bezogen. Als der Vater ...
Es war schweres Geschütz, was die Rentenanstalt im April 2002 auffuhr: «Wir werden uns überlegen, ob wir auch eine Strafanzeige wegen unrechtmässiger Verwendung von Vermögenswerten einreichen sollen.»
Die schriftliche Drohung war an Hanny Eckert (Name geändert) gerichtet. Die Rentenanstalt fordert von ihr 23 253 Franken.
Der Grund: Eckerts Vater hatte zu Lebzeiten eine Altersrente von der Pensionskassen-Sammelstiftung der Rentenanstalt bezogen. Als der Vater im Dezember 1994 starb, flossen die Gelder jedoch weiterhin auf das gleiche Konto. Die Tochter bezog das Geld und gab es aus.
Die Rentenanstalt stellte die Zahlungen erst ein, als im Juli 2001 ihre Gratulationskarte zum 100. Geburtstag des Rentners von der Post mit dem Vermerk «gestorben» zurückkam.
Nun will die Rentenanstalt das Geld zurück. «Ich fühle mich als Opfer», klagt Eckert. Sie habe sich sowohl bei der Bank als auch direkt bei der Rentenanstalt erkundigt und jeweils die Antwort erhalten, die Auszahlungen seien in Ordnung. Die Rentenanstalt bestreitet jedoch, eine solche Auskunft gegeben zu haben.
«Das spricht nicht für Kompetenz»
Die Forderung der Rentenanstalt ist berechtigt: Hanny Eckert hat das Geld zu Unrecht bezogen, ist also in der Juristensprache «ungerechtfertigt bereichert». Ob sie sich auf Gutgläubigkeit berufen kann, ist strittig (siehe Kasten).
Klar ist aber, dass sich die Rentenanstalt mit der jahrelangen irrtümlichen Auszahlung einen unverzeihlichen Schnitzer leistete. «Das spricht nicht für eine kompetente Pensionskassenführung», kritisiert Hansueli Stauffer, Autor des K-Tipp-Ratgebers zu Pensionskassenfragen.
Denn die Pensionskassen sind gehalten, die Empfänger von Altersrenten regelmässig zu überprüfen. Die Möglichkeiten:
- Etliche Pensionskassen verlangen regelmässig - teilweise sogar jährlich - von den Rentnern einen Lebensnachweis. Meist ist es ein kasseneigenes Formular, das die Bezüger unterschreiben müssen. Denkbar ist aber auch, dass eine amtliche Bestätigung der Einwohnerkontrolle nötig ist, wobei kundenfreundliche Kassen die Kosten für diese Bestätigung übernehmen. Die Rentenanstalt findet das Einholen von solchen Bescheinigungen zu aufwändig.
- In der Regel werden Altersrenten auf ein Konto überwiesen, das auf den Namen des Rentners lautet. Stirbt er, so wird das Konto aufgelöst oder umbenannt, was auch die Pensionskasse erfährt. Warum im vorliegenden Fall das Geld weiterhin auf ein Konto ging, das auf «Erben XY» umgetauft wurde, ist im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbar.
Ein kleiner Trost bleibt der Tochter
- Wie jede andere Pensionskasse schickt auch die Rentenanstalt jährlich einen Steuerausweis per Post. Im Normalfall sendet die Post Unzustellbares zurück. Was im Fall Eckert mit den Ausweisen passierte - daran kann sich Hanny Eckert nicht erinnern. Andere Pensionskassen schicken zudem Jahresberichte, Weihnachtsbriefe oder Geburtstagsgratulationen. Auch so erfahren sie von der Post, wenn Empfänger sterben.
Kleiner Trost für Hanny Eckert: Die Rentenanstalt beharrt zwar grundsätzlich auf der Rückzahlung des gesamten Betrages. Sie kann sich aber auch vorstellen, zu einem Kompromiss Hand zu bieten.
Wer fälschlicherweise eine Gutschrift erhält, muss das Geld zurückzahlen
Es kommt immer wieder vor: Eine Bank schreibt einen Betrag doppelt gut, ei-ne Versicherung überweist eine Vergütung zweimal, oder ein Arbeitgeber zahlt irrtümlich zu viel Lohn aus.
«Begünstigte» von solchen Versehen müssen den zu Unrecht erhaltenen Betrag grundsätzlich in vollem Umfang zurückerstatten.
Anders sieht es nur aus, wenn sie nicht bemerken konnten oder mussten, dass ihnen das Geld nicht zusteht. In diesem Fall wären sie gutgläubig.
Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn jemand sehr oft kleine Beträge gutgeschrieben erhält und ausnahmsweise einer mal doppelt kommt.
Wer solches Geld gutgläubig verbraucht hat (in der Meinung, es gehöre ihm), muss es nicht zurückerstatten.
Bei irrtümlich ausbezahlten Pensionskassenrenten ist die Frage nach der Gutgläubigkeit schwer zu beantworten. Laien ist nicht unbedingt bewusst, dass eine gewöhnliche Altersrente beim Tod des Verstorbenen erlischt, weil sie sie vielleicht mit einer Waisen- oder Hinterlassenenrente verwechseln.
Zudem erwarten die Pensionskassen von den Angehörigen, dass sie Todesfälle von Rentnern melden.