Wer über das Auktionsportal Ricardo im Internet Ware anbietet, muss je nach Artikel 12 Prozent des Verkaufserlöses an die Plattform zahlen. Ricardo-Chef Christoph Tonini begründete die Gebühr vor kurzem gegenüber der NZZ so: Man investiere viel Geld, um das Portal «für unsere Kunden sicherer zu machen» – also für Käufer und Verkäufer.
Kunden mit Standardbrief abgespiesen
Von dieser Sicherheit spürte Michael Aebischer aus Burgdorf BE wenig. Er kaufte im Dezember über Ricardo Apple-Kopfhörer mit der Angabe «2. Generation, neu, ungeöffnet» zum Preis von 160 Franken. Doch anstelle des Original-Kopfhörers erhielt er ein Nachahmerprodukt. Das bemerkte er schon an der Verpackung, die nicht wie bei Apple üblich aus Karton, sondern aus Plastik war. Auf Aebischers Beanstandung reagierte der Verkäufer nicht.
Der Berner wandte sich an den Kundendienst von Ricardo. Dieser reagierte mit einem Standardbrief. Darin verwies das Portal darauf, Aebischer könne gegen den Verkäufer gerichtlich vorgehen oder ihn auf dem Portal im Bewertungssystem «entsprechend bewerten».
Aebischer bekam bis heute von Ricardo keine Antwort auf seine Fragen. Auch sein Geld erhielt er nicht zurück. Erst zweieinhalb Monate nach seiner Beanstandung sperrte Ricardo das Konto des Verkäufers – nachdem sich weitere Kunden über falsche Lieferungen beklagt hatten.
Kundendienst nicht erreichbar
Auch Erich Portmann aus Zug ist vom Kundenservice bei Ricardo enttäuscht. Er verkaufte im Februar über das Portal einen Wohnwagen für 28'500 Franken. Der Käufer bezahlte das Geld nicht. Darauf rief Portmann beim Kundendienst von Ricardo an. Doch niemand nahm das Telefon ab: «Da wir sehr viele Anfragen erhalten, sind wir aktuell telefonisch nicht erreichbar», hiess es ab Band.
Danach erhielt Portmann von Ricardo nur Standardantworten, worin auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen wurde. Auch über den Ricardo-Chat konnte Portmann sein Problem nicht besprechen. Sein Fazit: «Als Kunde fühle ich mich mit meinem Problem im Stich gelassen.»
Ähnliches erlebte Rita Schwarzer aus Luzern. Sie kaufte Anfang Jahr über Ricardo eine weisse Tasche für 300 Franken. Sie erhielt aber ein beigefarbenes Modell. Die Verkäuferin wollte die Tasche nicht zurücknehmen. Ricardo schrieb Schwarzer, sie solle prüfen, ob sie «die Forderung gerichtlich geltend machen» möchte. Erst als Schwarzer den K-Tipp einschaltete, nahm die Verkäuferin die Tasche zurück und erstattete den vollen Betrag.
Ricardo gehört seit dem Jahr 2021 zur Swiss Marketplace Group. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss des «Tages-Anzeiger»-Konzerns TX mit dem Ringier-Konzern, der Versicherung Mobiliar und dem Finanzinvestor General Atlantic.
Gegenüber dem K-Tipp bestätigt Ricardo, dass der Kundendienst Anfragen von Kunden vorwiegend mit automatisierten Antworten erledigt. Das sei sinnvoll, «da ein erheblicher Teil der Anfragen leicht durch Eigeninitiative gelöst werden können». Das bedeutet im Klartext: Bei Problemen sollen sich die Kunden selbst helfen.