«Ich wurde nie gewarnt»
Immer wieder stehlen Gauner Zahlungsaufträge aus Postbriefkästen und leiten Geld auf ihre eigenen Konten um. Post und Banken warnen ihre Kunden nicht.
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K-Tipp 5/2005
09.03.2005
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Das nennt man doppeltes Pech: Am 19. Juni des letzten Jahres warf Uwe Meise zwei verschiedene Couverts mit Zahlungsaufträgen in den Postbriefkasten an der Alten Landstrasse in Küsnacht ZH. Beide wurden geklaut und manipuliert.
- Ein Couvert ging an die Sparkasse Küsnacht; es enthielt nach der «Bearbeitung» durch die Täter einen zusätzlichen Zahlungsauftrag über 30000 Franken an die Migrosbank, bestimmt für einen «Gomes Munda Joao». Aus dem ursprünglichen Auftragstotal von 3470...
Das nennt man doppeltes Pech: Am 19. Juni des letzten Jahres warf Uwe Meise zwei verschiedene Couverts mit Zahlungsaufträgen in den Postbriefkasten an der Alten Landstrasse in Küsnacht ZH. Beide wurden geklaut und manipuliert.
- Ein Couvert ging an die Sparkasse Küsnacht; es enthielt nach der «Bearbeitung» durch die Täter einen zusätzlichen Zahlungsauftrag über 30000 Franken an die Migrosbank, bestimmt für einen «Gomes Munda Joao». Aus dem ursprünglichen Auftragstotal von 3470 Franken machten die Diebe durch Hinzufügen einer 3 das neue Total von 33470 Franken, und die Anzahl Einzahlungsscheine änderten sie von Hand von 2 auf 3 ab. Die Sparkasse hat den Auftrag trotzdem ausgeführt.
- Das zweite Couvert ging an die UBS - mit einem ausgetauschten Einzahlungsschein über rund 22700 Franken. Diese Summe hat die Bank an eine «Motino Susana» überwiesen.
So wurde Uwe Meise um 52700 Franken erleichtert.
Wie die meisten Schweizerinnen und Schweizer wusste auch er nicht, dass viele der 21000 gelben Briefkästen Selbstbedienungsläden für Kriminelle sind. Sie haben keinen Schutz gegen das Herausfischen von Sendungen, und die meisten haben ein simples Bartschloss, für das es einen Einheitsschlüssel gibt, der sich längst im Besitz der Täter befindet.
Das Vorgehen der Ganoven ist seit über zehn Jahren bekannt und meist gleich: Sie stehlen Zahlungsaufträge, legen Einzahlungsscheine mit der eigenen Kontonummer dazu und werfen das Couvert wieder in den Briefkasten (siehe K-Tipp 2/03).
Die so manipulierten Zahlungsaufträge gehen an die jeweilige Bank des Kunden oder an die Postbank (Postfinance). Dort merken die Angestellten oft nichts. Das Geld geht dann auf das Zielkonto (meistens bei einer anderen Bank), das oft mit gefälschten Papieren eröffnet wurde. Wenn der betrogene Kunde den Diebstahl bemerkt, haben die Kriminellen das Geld meist schon vom Zielkonto abgezügelt.
Hauptverantwortlich ist die «Zaire-Connection», wie die Täterschaft bei den Ermittlungsbehörden heisst. Es handelt sich um ein perfekt organisiertes Netz von meist französischsprachigen Schwarzafrikanern, die sich geschickt im Hintergrund halten.
Für die Eröffnung des Zielkontos heuern sie Helfer an (vorzugsweise Asylbewerber), die sich am Schalter auch mal mit gefälschten Papieren präsentieren, später das ertrogene Geld am Bancomaten oder am Schalter abheben und es gegen eine Provision umgehend an die Hintermänner übergeben.
2004: 100 Fälle - allein im Kanton Zürich
Solche Handlanger werden immer wieder gefasst - doch das nützt den Opfern nichts, denn bei ihnen ist kein Geld zu holen.
Allein im Kanton Zürich gab es letztes Jahr rund 100 Fälle. Unter dem Strich blieb an den Opfern ein Schaden von insgesamt einer halben Million Franken hängen, schätzt Staatsanwalt Christophe Bodmer, der die Zürcher Ermittlungen in all diesen Fällen koordiniert. Die Post sagt, die Fälle hätten in den letzten Monaten «leicht zugenommen».
Dass der Verlust nicht höher ist, liegt am Entgegenkommen der Banken: In vielen Fällen ersetzen sie den Opfern freiwillig die Hälfte des Schadens - falls die betrogenen Kunden genügend Druck machen. Auch Uwe Meise kam so zu einem Teilerfolg: Die Sparkasse Küsnacht hat ihm 15 000 Franken ersetzt, die UBS 10 000 Franken.
Dass sich die Banken kulant zeigen, hat einen guten Grund: Sie müssen sich in vielen Fällen eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vorwerfen lassen.
Bei der Post hingegen blitzen die Opfer ab. In ihren Geschäftsbedingungen steht, die Haftung für uneingeschriebene Sendungen sei ausgeschlossen. Diesen Ausschluss habe der Gesetzgeber bewusst so gewollt.
Allerdings ist die Post inkonsequent: Wenn ihre eigene Bank, die Abteilung Postfinance, die ausführende Bank ist (also Geld für manipulierte Einzahlungsscheine weiterschickt), ersetzt die Post den ganzen Schaden, wie der K-Tipp in zwei Fällen konkret belegen kann. In einem Brief vom 4. Februar 2005 schreibt der Rechtsdienst des Generalsekretariats: «Die Post hat bisher lediglich in Fällen, in denen Postkontoinhaber geschädigt wurden, eine sehr kulante Entschädigungspraxis verfolgt.»
Das ist eine stossende Ungleichbehandlung: Wer Zahlungsaufträge via Briefkästen an die Postbank schickt und Opfer von Gaunern wird, erhält vollen Schadenersatz. Wer hingegen den Briefkasten nur als Transportweg zu einer anderen Bank wählt, erhält von der Post nichts.
Das ganze Problem wäre wohl zu vermeiden, wenn die Kundinnen und Kunden gewarnt wären. Die Post müsste an allen Briefkästen einen Kleber anbringen, der unmissverständlich auf das Diebstahlrisiko aufmerksam macht. «Eine solche Warnung hätte mich bestimmt vor dem ganzen Schlamassel bewahrt», sagt Opfer Uwe Meise.
Auch den Banken ist ein Versäumnis vorzuwerfen. Sie müssten ihre Kunden, die Einzahlungsscheine per Post schicken, in klaren Worten auffordern, die Couverts nicht in Briefkästen zu werfen, sondern am Postschalter abzugeben oder direkt bei der Bank einzuwerfen. «Einen solchen Hinweis habe ich von meiner Bank nie erhalten», sagen viele Opfer übereinstimmend.
Warnen - die beste aller Massnahmen
Für Staatsanwalt Christophe Bodmer wären solche Hinweise von Banken und Post sogar die beste aller möglichen Massnahmen. Er ist überzeugt: «Wenn Banken und Post konsequent warnen, ist das Problem bald vom Tisch.»
Bei den Banken heisst es dazu, sie würden ihre Kunden immer wieder auffordern, Zahlungsaufträge am Schalter abzugeben. Das ist aber keine deutliche Warnung.
Die Post will von Warnklebern an den Briefkästen derzeit nichts wissen: «Wir prüfen gegenwärtig geeignete Kommunikationsmittel - ob dazu auch Kleber gehören, ist noch offen.» Im Internet finden sich unter www.post. ch zwar brauchbare Sicherheitstipps für den Zahlungsverkehr - aber eine klare Warnung fehlt auch dort.
Banken schlampen bei Überweisungen, Kontoeröffnungen und Auszahlungen
Mehr Sorgfalt auf Seiten der Banken könnte viele Schäden verhindern.
Es kommt immer wieder vor, dass Briefkasten-Räuber Zahlungsaufträge manipulieren, indem sie das Auftragstotal ändern bzw. erkennbar überschreiben und - wie im Fall Uwe Meise (siehe Haupttext) - die Angabe zu der Zahl der Belege manuell korrigieren. Würden die Banken bei solchen manuellen Korrekturen besser aufpassen, wäre die Zahl der Betrugsfälle geringer. Meist gehen die Angestellten aber davon aus, dass die Korrekturen vom Kunden so gewollt waren.
Nachlässigkeiten passieren regelmässig auch dort, wo die Betrüger bzw. ihre Helfer Konten eröffnen und dazu persönliche Angaben machen müssen. Schon ein Blick ins elektronische Telefonbuch oder ein Anruf bei der angeblichen Wohngemeinde hätte in manch einem Fall an den Tag gebracht, dass diese Angaben falsch waren.
Stutzig werden könnten viele Banken auch, wenn ein mittelloser Asylbewerber ein Konto eröffnet, dann auf diesem Konto nichts passiert - und plötzlich auffallend hohe Summen eintrudeln.
Allerdings musste - soweit bekannt - noch kein Richter entscheiden, ob und inwieweit die Bank in einem solchen Fall ihre Sorgfalt verletzt hat und für den Schaden haftet.
Briefkästen sind zu unsicher!
Das sind die wichtigsten Tipps für einen sicheren Zahlungsverkehr.
- Füllen Sie den Zahlungsauftrag korrekt aus. Streichen Sie die für den Total-Frankenbetrag nicht benötigten Felder.
- Falls Sie Einzahlungsscheine an Bank oder Postfinance schicken: Werfen Sie die Couverts nach Möglichkeit nicht in einen Briefkasten.
- Auch bei vielen Briefkästen, die an der Aussenmauer des Postgebäudes angebracht sind, haben Diebe leichtes Spiel. Das beweist ein Fall aus Muttenz BL.
- Geben Sie solche Couverts nur direkt am Schalter ab oder werfen Sie sie in den Einwurfschlitz im Schalterraum.
- Bankeigene Briefkästen an der Aussenmauer des Bankgebäudes sind gut gesichert. Hier können Sie Couverts ohne grosse Bedenken einwerfen.
- Prüfen Sie Belastungsanzeigen der Bank oder von Postfinance gleich nach Erhalt gründlich und melden Sie Ungereimtheiten sofort.
- Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) bietet so genannte Sicherheitscouverts an, die schwieriger zu manipulieren sind. Das bringt aber keine absolute Sicherheit: Dem K-Tipp sind zwei Fälle bekannt, in denen Gauner auch solche Couverts bzw. Zahlungsaufträge manipulieren konnten. Die ZKB sagt, bei diesem Couvert seien «Schwachstellen» behoben worden. Die beiden betroffenen Kunden wurden von der ZKB voll entschädigt.
- Eine Möglichkeit ist das E-Banking; hier machen Sie Ihre Zahlungen via Internet. Hinweise dazu finden Sie im K-Tipp-Ratgeber «Das Internet sinnvoll nutzen» (Bestellmöglichkeit auf Seite 24).