Die kommende Debatte über die vom Bundesrat geplante Reform der Altersvorsorge wirft ihre Schatten voraus: Seit Wochen bombardieren Lebensversicherungen die Schweizer Bevölkerung mit der Botschaft: «Wir leben immer länger.»
So durfte etwa Martin Senn, Chef der Zurich-Gruppe, am 24. Januar im «Tages-Anzeiger» verbreiten, ein heute geborenes Baby habe eine Lebenserwartung von über 90 Jahren.
Tags darauf erschien in der «NZZ am Sonntag» die Beilage «Langes Leben». Sie war eingerahmt von ganzseitigen Inseraten der Lebensversicherung Swiss Life und enthielt unter anderem ein Interview mit Swiss-Life-Chef Ivo Furrer. Schon ihr erster Text referierte, was Swiss Life kurz zuvor in TV-Werbespots behauptet hatte: «Jedes zweite Neugeborene wird 100 Jahre alt.»
Fakt ist: Der Anstieg der Lebenserwartung Neugeborener – 2013 betrug sie 82,7 Jahre – hat sich in der Schweiz in jüngster Zeit abgeschwächt (K-Tipp 1/15).
Die durchschnittliche Lebenserwartung Neugeborener sagt allerdings nichts darüber aus, wie alt Rentner werden. Doch auch dazu gibt es konkrete Zahlen: Gemäss den jährlichen Sterbetafeln des Bundesamts für Statistik ist die durchschnittliche Lebenserwartung der 65-Jährigen von 2012 bis 2013 nicht mehr angestiegen. Und bei den Frauen seit dem Jahr 2011 sogar leicht gesunken.
Die Schweiz ist unter den westlichen Industriestaaten kein Einzelfall. In den USA stagnierte die Lebenserwartung der 65-Jährigen von 2012 bis 2013 ebenfalls; das zeigen Zahlen des «National Center for Health Statistics». Ähnlich die Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die allerdings erst bis 2012 verfügbar sind. Demnach ist zwischen 2011 und 2012
- die Lebenserwartung der 65-jährigen Frauen in 7 der 34 OECD-Mitgliedländer unverändert geblieben und in 17 Ländern gesunken,
- die Lebenserwartung der 65-jährigen Männer in 12 Ländern unverändert geblieben und in 7 Ländern gesunken.
Bei Männern wie auch bei Frauen zurückgegangen ist sie konkret in Belgien, Frankreich, Griechenland, Israel, den Niederlanden, Portugal und Spanien.
Tieferen Renten den Boden bereiten
Die Absicht hinter der Kampagne der Lebensversicherungen: Sie wollen glauben machen, dass das in der Pensionskasse angesparte Kapital zur Finanzierung der Altersrenten nicht mehr ausreiche.
Das soll den Boden bereiten für eine Senkung des Rentenumwandlungssatzes, also für tiefere Renten. Und die Leute ermuntern, neben den Zahlungen für die obligatorische Pensionskasse auch noch freiwillig Geld fürs Alter auf die Seite zu legen – am besten mit Lebensversicherungen.