Kleinanleger Jean-Pierre Charlet ist mit seiner Geduld am Ende: Seit Mai 2010 wartet er darauf, dass die Credit Suisse (CS) seine Anteile am Immobilienfonds CS Euroreal zurücknimmt. Doch vorläufig ist der Fonds geschlossen – das heisst: Für einen begrenzten Zeitraum ist es Anlegern nicht möglich, ihre Fondsanteile an die Fondsgesellschaft zurückzugeben.
Für Charlet und andere Anleger bedeutet das: Sie kommen nicht mehr an ihr investiertes Geld. In Charlets Fall sind das immerhin rund 10 000 Franken.
Lehmann-Pleite löste bei Anlegern Panik aus
Im August 2005 hatte Charlet beschlossen, in den Immobilienfonds Euroreal zu investieren. Charlet sagt dazu: «Die CS warb mit dem Argument, man könne der Bank Fonds-Anteilscheine jederzeit zum aktuellen Rücknahmepreis verkaufen. Dies hat meinen Kaufentscheid massgeblich beeinflusst. Jetzt fühle ich mich betrogen.»
Bereits im Oktober 2008 hatte die CS den Immobilienfonds Euroreal ein erstes Mal geschlossen. Der Grund: Zu viele Inhaber von Fondsanteilen gerieten wegen der Pleite von Lehman Brothers in Panik und wollten ihre Anteilscheine abstossen.
In einem solchen Fall übernimmt eine vorübergehende Schliessung eines Fonds eine gewisse Schutzfunktion. Andernfalls wäre ein Fonds unter Umständen gezwungen, Immobilien unter deren Wert zu verkaufen, um die Investoren auszuzahlen. Dies könnte erst recht zu Kursverlusten führen.
Dirk Meiwirth, verantwortlich für Immobilienprodukte bei der CS Asset Management Immobilien Kapitalanlagegesellschaft in Frankfurt (D), sagt dazu: «Die Rückgabeforderungen der Anteilsinhaber überstiegen die verfügbaren flüssigen Mittel des Fonds. Aus diesem Grund waren wir gezwungen, die Rücknahme von Anteilscheinen einzustellen.»
Ende Juni 2009 hob die CS die Schliessung auf – allerdings nur bis Mitte Mai 2010. Erneut erhielten die Anleger einen Brief, in welchem die Bank mitteilte: «Die Credit Suisse hat im Interesse der Anleger entschieden, die Anteilsrücknahme des Immobilienfonds CS Euroreal um weitere neun Monate auszusetzen (…) Diese Massnahme wurde einzig aus Liquiditätsgründen getroffen und hat zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Auswirkungen auf die Rendite des Fonds.»
Investoren müssen sich weiter gedulden
Im vergangenen Mai flatterte Charlet ein neuer Brief ins Haus. Darin wurde angekündigt, dass die Suspendierung um weitere zwölf Monate, bis zum 18. Mai 2012, aufrechterhalten würde. Wiederum wurde als Grund die ungenügende Liquidität des Fonds angegeben.
Jean-Pierre Charlet sagt, er sei während seiner 30-jährigen Erfahrung mit Finanzanlagen niemals mit einem vergleichbaren Fall konfrontiert gewesen. Seine Geduld ist am Ende. Er kann zwar nachvollziehen, dass die vorübergehende Schliessung des Euroreal-Fonds aufgrund der wirtschaftlichen Situation erfolgt ist. Aber Charlet stört sich an der Dauer: «Ich finde es gerade für kleine Investoren unhaltbar, dass die Anteilscheine so lange suspendiert werden. In jedem Brief vermittelte uns die CS das Gefühl, dass sich die Situation normalisieren würde. Gleichzeitig wird die Wiedereröffnung des Fonds immer wieder hinausgezögert.»
Wann Charlet seine Fondsanteile endlich verkaufen kann, ist ungewiss. Sicher ist, dass der Immobilienfonds spätestens am 18. Mai 2012 wieder geöffnet wird. Der Grund: Das deutsche Recht verbietet der Fondsleitung Schliessungen von mehr als 24 Monaten in Folge.
Dennoch bedauert Jean-Pierre Charlet, dass sich die CS gegenüber Kleininvestoren nicht grosszügiger zeigt und ihnen erlaubt, ihre Anteilscheine trotz Suspendierung zu verkaufen. «Dies ist unmöglich. Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, alle Investoren gleich zu behandeln», erklärt Dirk Meiwirth von der CS.
Der Ausweg: Charlet könnte seine Fondsanteile an der deutschen Börse Hamburg verkaufen. Das empfiehlt sich aber nicht: Er würde einen Verlust erleiden, da der Fondskurs an der Börse unter dem Rücknahmepreis liegt – dem sogenannten Netto-Inventarwert.
Fonds hat nur wenig an Wert eingebüsst
Verbergen sich hinter der verlängerten Aussetzung des Fonds möglicherweise tiefer greifende Probleme? Oder anders gesagt: Riskieren die Investoren hohe Verluste? Auf diese berechtigten Fragen von Charlet antwortet Meiwirth: «Seit Beginn der Finanzmarktkrise wurden die Verkehrswerte der Liegenschaften des CS Euroreal bereits dreimal von einem unabhängigen Expertenkomitee überprüft. Hierbei mussten die Werte insgesamt nur geringfügig angepasst werden: +0,3 Prozent für das Geschäftsjahr 2008/09, –0,4 Prozent (2009/10) und –0,4 Prozent (2010/11). Aus heutiger Sicht sind auch in den nächsten Monaten keine ausserordentlichen Wertberichtigungen zu erwarten.»
Die CS konnte mittlerweile einige Immobilien aus dem Fonds verkaufen und so die flüssigen Mittel für die Anteilscheinrückgabe erhöhen.
CS-Sprecherin Valeria Ancarani macht Anlegern wie Jean-Pierre Charlet etwas Hoffnung. Gegenüber K-Geld sagt sie, allerdings unverbindlich: «Wir streben an, den CS Euroreal noch in diesem Jahr öffnen zu können.» Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Immobilienfonds: Das müssen Fondskäufer wissen
- Immobilienfonds eignen sich nur für risikobereite Anleger mit einem Anlagehorizont von über fünf Jahren.
- Schweizer Immobilienfonds werden gleich wie Aktien an der Börse gehandelt. Neben dem Wert der gehaltenen Immobilien ist der Fondskurs durch Angebot und Nachfrage bestimmt.
- Schweizer Immobilienfonds sind eine attraktive Anlageklasse: Der SXI Real Estate Funds Index umfasst 22 an der Schweizer Börse gehandelte Immobilienfonds – er erzielte von Anfang Jahr bis am 5. Oktober eine Rendite von rund 6,6 Prozent. Die helvetischen Fonds haben vor allem seit der Finanzkrise stark an Wert zugelegt, das heisst: Die Gefahr eines Rückschlags ist gross. Investitionen in Immobilienfonds sollten man deshalb über mehrere Jahre verteilen.
- Die Total Expense Ratio (TER), mit welcher der Betriebsaufwand des Fonds im Verhältnis zum Gesamtfondsvermögen ausgewiesen wird, bewegt sich bei Schweizer Immobilienfonds zwischen 0,6 und 1 Prozent.
- Wer Fondsanteile mit einem hohen Aufpreis (Agio) kauft und die Anteile während schlechter Börsenzeiten verkaufen muss, riskiert einen Verlust.