Biogas entsteht, wenn Pflanzen und Gülle vergären. Die Gasversorger speisen es zusammen mit fossilem Erdgas ins Gasnetz ein. Dort vermischen sich die beiden Gase, sodass sie nicht mehr unterscheidbar sind.
Der Anteil von Biogas am Gasmix ist in der Schweiz mit rund drei Prozent verschwindend klein. Es hat gegenüber Erdgas den Vorteil, dass bei der Verbrennung nur halb so viele klimaschädliche Treibhausgase entstehen. Der Verband der Schweizerischen Gasindustrie bewirbt Biogas deshalb als «Schlüssel zur Energiezukunft». Regionale Versorger wie Localnet in Burgdorf BE zahlen ihren Kunden 500 Franken, wenn sie auf eine neue Gasheizung umsteigen – unabhängig vom Biogasanteil. Und der landesweit grösste Gasversorger, das Gaswerk der Stadt Zürich mit dem Namen Energie 360°, fordert seine Kunden auf, Gas mit möglichst hohem Biogasanteil zu kaufen.
Die Schweizer Biogasproduktion in 38 Gross- und über 100 Kleinanlagen reicht aber schon heute nicht, um die Nachfrage zu decken. «Das Potenzial in der Schweiz ist begrenzt», sagt Elmar Grosse Ruse, Klimaspezialist beim WWF Schweiz. Er schätzt, dass in der Schweiz höchstens zehn Prozent des aktuellen Gasverbrauchs mit heimischem Biogas produziert werden können. Denn die Schweizer Gasbranche hat sich verpflichtet, nur Biogas aus Bioabfällen zu verkaufen.
Zürich führt 84 Prozent seines Biogases ein
2019 verkaufte Energie 360° rund 520 Millionen Kilowattstunden (kWh) Biogas. Das reicht, um 26 000 Einfamilienhäuser ein Jahr lang zu beheizen. Im vergangenen Jahr waren es 852 Millionen kWh. Das ist ein Plus von 64 Prozent. Diese Steigerung war nur möglich, weil Energie 360° wie andere Gasversorger mehr Biogas importierte. Bei Energie 360° stieg der Anteil des Imports von Biogas in den letzten drei Jahren von 75 Prozent auf 84 Prozent.
Für die Schweizer Gasversorger ist das ein lohnendes Geschäft. Import-Biogas ist gemäss René Baggenstos von der Firma Enerprice Partners AG in Root LU je nach Herkunft vier bis achtmal günstiger als Biogas aus der Schweiz. Doch davon haben Schweizer Kunden kaum etwas. Sie zahlen deutlich mehr als Kunden im benachbarten Ausland.
Wenige Kilometer, enorme Unterschiede
Ein Einfamilienhausbesitzer in Pratteln BL zahlt bei einem Biogasanteil von fünf Prozent und einem Verbrauch von 20 000 kWh rund 1680 Franken pro Jahr. Lieferant ist das Basler Energieunternehmen IWB. Die IWB kauft mehr als 90 Prozent des Biogases in Deutschland ein. Im wenige Kilometer entfernten Lörrach (D) beträgt der günstigste Tarif mit einem doppelt so hohen Biogasanteil rund 1170 Franken – das sind über 500 Franken weniger. Zwischen Rorschach SG und der 25 Kilometer entfernten Vorarlberger Stadt Dornbirn (A) beträgt der Preisunterschied fast 400 Franken. Gasversorger in der Schweiz sind hier die St. Galler Stadtwerke. Auch sie kaufen über 90 Prozent des Biogases im Ausland ein.
In Deutschland und Österreich können Kunden zudem zwischen verschiedenen Gaslieferanten wählen. Das ist in der Schweiz nicht möglich. Laut dem Bundesamt für Energie fehlt «für einen funktionstüchtigen Wettbewerb» ein «einheitlicher, gesamtschweizerischer Rahmen». Das möchte der Bundesrat korrigieren. Das Parlament wird das neue Gasversorgungsgesetz im Herbst diskutieren.
Biogas-Import: Ein Handel mit Zertifikaten
Importiertes Biogas gelangt nicht physisch, sondern nur rechnerisch in die Schweiz. Der Schweizer Kunde erhält nicht Biogas, sondern Erdgas mit einem Zertifikat. Das heisst: Der Schweizer Gasversorger kauft bei einem ausländischen Produzenten ein Zertifikat über eine bestimmte Menge Biogas. Der Produzent verspricht, die im Zertifikat festgelegte Menge in sein Gasnetz einzuspeisen. Unabhängige Prüfstellen machen Stichproben, ob er das auch tut. Gleichzeitig registriert eine Kontrollstelle beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie alle Importe und bucht sie beim Verkauf aus.
Die Schweizer Gasbranche hat sich verpflichtet, nur Biogas aus Bioabfällen zu verkaufen. Das gilt auch für Importbiogas. Doch dass sich tatsächlich alle Gaswerke im Ausland an die Vorgabe halten, ist nicht sicher. Das Herkunftssystem sei beim Biogas «noch nicht so weit entwickelt» wie beim Strom, bemängelt Elmar Grosse Ruse vom WWF.
In Deutschland beispielsweise stammten «rund zwei Drittel des Biogases aus speziell für diesen Zweck angebautem Mais». Dieser fehlt dann als Nahrungs- und Futtermittel.