Acht Zahnärzte verzeichnet das Telefonbuch für das deutsche Dorf Jestetten. Dabei wohnen nur 5000 Einwohner in der Ortschaft an der Schweizer Grenze. Zum Vergleich: Im benachbarten Rafzer Feld im Kanton Zürich zählt man bei rund 10'000 Bewohnern nur zwei Praxen. Es ist offensichtlich: Die Jestetter Zahnärzte leben von Schweizer Patientinnen und Patienten.
«Grüezi»: Heimatlicher Empfang für Schweizer Kunden
Zahlreiche Zahnärzte entlang der Grenze von Lörrach bis Konstanz umwerben Schweizer. Auf der Website der Gemeinschaftspraxis Oektem und Partner in Konstanz etwa werden potenzielle Kunden aus dem Nachbarland mit «Grüezi» angesprochen.
Und es wird versichert, dass «Schwizerdütsch» verstanden werde. Auf rund 20 Prozent schätzt Zahnarzt Kant Oektem den Anteil von Schweizer Patienten – Tendenz steigend. Sogar bei 90 bis 95 Prozent liegt der Anteil der Dentaltouristen in der Praxis von Zahnarzt Michael Enke in Singen.
Verantwortlich dafür ist das Thurgauer Unternehmen Opti-Dent, das in der Schweiz gezielt für die Praxis in Singen und deren günstige Preise wirbt. saldo wollte wissen, wie viel man sparen kann, wenn man seine Zähne in Deutschland behandeln lässt.
Einen Anhaltspunkt gibt eine Studie aus dem Jahr 2000. Damals hat das Institut der deutschen Zahnärzte einen Länder-Preisvergleich für elf typische zahnärztliche Leistungen durchgeführt. Dabei zahlten Schweizer kaufkraftbereinigt weit mehr als das Doppelte.
Genauer gesagt: zwischen 2,21 bis 3,46 Mal mehr als Deutsche. Der deutsche Gesundheitsökonom David Klingenberger hält die Aussage der Studie weiterhin für aktuell. Grenznahe deutsche Zahnärzte, die von Patienten Offerten von Schweizer Zahnärzten zu sehen bekommen, bestätigen das Preisgefälle.
Er sei «mindestens ein gutes Drittel günstiger», behauptet der Waldshuter Zahnarzt Michael Boros. In der Praxis von Gerd Mill in Bad Säckingen heisst es, die Preisersparnis betrage rund 30 Prozent. Ebenfalls von 30 Prozent spricht der Konstanzer Zahnarzt Kant Oektem.
Er relativiert allerdings: Es gebe innerhalb der Schweiz sehr grosse Preisunterschiede. Vor allem in der Region Zürich seien die Preise zum Teil «horrend». «Ich habe aber Angebote von Schweizer Zahnärzten gesehen, die ähnlich wie unsere waren», sagt Oektem.
Zahntechnische Arbeiten in Deutschland meist im Preis enthalten
Die Tarifsysteme der beiden Länder sind recht unterschiedlich, und der Ermessensspielraum eines Zahnarztes bei der Rechnungsstellung ist gross. Deshalb ist ein allgemeiner Preisvergleich schwierig.
Hinzu kommt, dass im Tarif der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO Material, Medikamente sowie die Arbeit des zahntechnischen Labors nicht enthalten sind – im Gegensatz zu Deutschland, wo das meist inbegriffen ist. Während das Material bei Basisleistungen nur etwa mit 10 Prozent zu Buche schlägt, ist es bei Implantaten und Prothesen ein Vielfaches.
saldo hat trotzdem die Preise ausgewählter Leistungen verglichen (siehe Tabelle im pdf-Artikel). Dabei wurden ein durchschnittlicher Aufwand und ein mittlerer Taxpunktwert angenommen (siehe unten).
Das Ergebnis bestätigt, dass zahnärztliche Leistungen im Nachbarland viel günstiger sind als in der Schweiz. Die errechnete Preisersparnis beträgt zwischen 25,9 und 56,7 Prozent. Eine Befundaufnahme bei einem neuen Patienten zum Beispiel kostet in der Schweiz im Schnitt Fr. 73.50, in Deutschland umgerechnet Fr. 33.30.
Auch bei komplexeren Arbeiten wie der Reparatur eines Stockzahns sind die Deutschen billiger: Ennet der Grenze zahlt man dafür Fr. 151.45, in der Schweiz 287 Franken.
Geringere Kosten bei gleicher Behandlungsqualität
Felix Adank, Sprecher der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft, hält es für «plausibel», dass deutsche Zahnärzte rund 30 Prozent günstiger sind als Schweizer. Er erklärt das mit den Unterschieden der beiden Länder beim Einkommen, bei den Mieten, den Material- und Medikamentenpreisen. Die Behandlungsqualität in Deutschland hält Adank nicht zum Vornherein für schlechter.
Immer mehr deutsche Zahnärzte behandeln Patienten in der Schweiz. Über 1000 Deutsche haben in der Schweiz schon die Anerkennung ihres Diploms verlangt. 4600 Zahnärzte sind insgesamt in der Schweiz zugelassen. Das heisst: Über 20 Prozent könnten bereits aus Deutschland stammen. Kein Wunder: Höhere Preise steigern das Einkommen. Und höhere Einkommen haben eine anziehende Wirkung.
Preise: So wurde verglichen
Basis für den saldo-Preisvergleich einzelner Zahnarztleistungen in der Schweiz und in Deutschland ist der Zahnarzttarif der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO für Privatpatienten. Dieser Tarif gibt für eine Leistung eine fixe Taxpunktzahl oder eine vom Zeitaufwand abhängige Spanne von Taxpunkten vor.
Die Anzahl Taxpunkte multipliziert der Zahnarzt mit seinem Taxpunktwert. Je höher der Taxpunktwert, desto höher die Rechnung. Ein Übersichts-Röntgenbild etwa ist im Tarif mit 45 Taxpunkten angegeben. Verwendet der Zahnarzt einen Taxpunktwert von 4 Franken, kostet die Aufnahme 180 Franken.
Sofern der Schweizer Tarif für eine Leistung eine Spanne von Taxpunkten vorsieht, hat saldo in seinem Preisvergleich den Mittelwert verwendet, was einem mittleren Zeitaufwand entspricht. Die Taxpunktzahl wurde mit einem Taxpunktwert von Fr. 3.50 multipliziert, was gemäss SSO dem Schweizer Durchschnitt entspricht. Es gibt aber viele Zahnärzte, besonders in städtischen Gebieten, die wesentlich mehr verlangen. Das Maximum beträgt Fr. 5.80.
Die Preise für Deutschland sind berechnet nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg hat für saldo die dem Schweizer Tarif entsprechenden Positionen herausgesucht.
Gemäss GOZ kann der Zahnarzt je nach Aufwand und Schwierigkeitsgrad einen unterschiedlichen Faktor anwenden. Das Maximum liegt bei 3,5, darüber braucht es eine schriftliche Einwilligung des Patienten. Die Landeszahnärztekammer hat saldo die jeweils zur Verfügung stehende Faktorbreite angegeben, woraus der Mittelwert berechnet wurde. Als Wechselkurs für den Euro wurde Fr. 1.36 benutzt.