Hat man daheim keinen Strom, funktionieren weder die Heizung noch der Warmwarmwasserboiler. Auch die Waschmaschine, der Kühlschrank und das Telefon sind ausser Betrieb. Das hindert viele Elektrizitätswerke nicht daran, bei unbezahlten Rechnungen den Privathaushalten den Strom abzuschalten.
Nach eigenen Aussagen stellten allein die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich im Geschäftsjahr 2014/15 rund 2500 Kunden vorübergehend den Strom ab. In der Stadt Zürich kam es gemäss EWZ «nur» zu 119 Stromsperren.
Im Versorgungsgebiet der Centralschweizerischen Kraftwerke – der Grossteil des Kantons Luzern – wurde in rund 1000 Fällen der Strom abgestellt oder das Inkasso vor Ort durchgeführt. In der Stadt Luzern hat das EWL den Strom in 340 Haushalten unterbrochen.
Bei den Sankt Galler Stadtwerken passierte das 717-mal, und in den Kantonen St. Gallen sowie in den beiden Appenzell war das 460-mal der Fall.
Bei Energie Service Biel wurden in der Region Biel und Seeland rund 365 Abschaltungen registriert – und im Versorgungsgebiet der BKW – es umfasst Teile des Kantons Bern ohne die Stadt – waren gegen 200 Haushalte betroffen.
Strom gehört zum Existenzminimum
Insgesamt sind das allein bei den acht genannten Elektrizitätswerken mehr als 5000 Stromabschaltungen in einem einzigen Jahr. Die Zahl aller Betroffenen ist weit grösser, denn in der Schweiz gibt es gegen 1000 Stromversorger.
Diese Fakten geben Alexander Suter, Jurist bei der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) zu denken: «Die Stromversorgung gehört zum absoluten Existenzminimum. Darauf hat jedermann einen bedingungslosen Rechtsanspruch.» Laut Suter besteht sogar Anspruch auf Soforthilfe, damit niemand im Dunkeln sitzen oder frieren muss.
Wer für die Soforthilfe zuständig ist, regelt jeder Kanton selbst. Alexander Suter: «Bezieht jemand bereits Sozialhilfe, können die Sozialhilfebehörden die ausstehenden Kosten im Rahmen einer situationsbedingten Leistung übernehmen und eine Rückerstattung vereinbaren.» Wer keine Sozialhilfe bezieht, sollte sich beim Sozialamt der Gemeinde nach der Nothilfe erkundigen (siehe Unten).
Trotz Anspruch auf Soforthilfe sitzen jedes Jahr Tausende von Stromkunden im Dunkeln. Fast alle vom K-Tipp angefragten Elektrizitätswerke sagen, dass sie säumigen Kunden den Strom abstellen, ohne vorgängig die Sozialhilfebehörden zu informieren – und dies «aus Gründen des Datenschutzes».
Immerhin: Die Stadt Bern schaut vorbildlich für ihre Bewohner. Der Leiter des Berner Sozialamts, Felix Wolffers, sagt: «Es wird in jedem Fall verhindert, dass der Strom abgestellt wird.» Wenn der Sozialdienst die offenen Rechnungen übernimmt, muss die unterstützte Person das Geld in der Regel in angemessenen Raten zurückzahlen. Die drohende Abschaltung werde von den Betroffenen selbst oder vom Elektrizitätswerk mitgeteilt, so Wolffers.
Laut «Energie Wasser Bern» wird die Stromzufuhr in der Stadt grundsätzlich nie unterbrochen. Zuerst werde der säumige Zahler gemahnt und betrieben. Bleibe die Betreibung erfolglos, werde ein Prepaid-Automat installiert. Beatrice Walder
So vermeiden Sie eine Stromabschaltung
- Wer die Stromrechnung nicht zahlen kann, sollte mit dem Elektrizitätswerk Kontakt aufnehmen und versuchen, Ratenzahlungen zu vereinbaren.
- Wer seinen Lebensunterhalt nicht selber bestreiten kann, hat Anspruch auf Sozialhilfe. Sozialhilfebezüger können bei drohender Stromabschaltung beim Sozialamt Soforthilfe beantragen.
- Wer keine Sozialhilfe bezieht, sollte sich bei der Gemeinde bei der zuständigen Behörde für Nothilfe melden.