Inserate für fiktive Jobs
Frust für Arbeitslose: Inserate für Jobs, die gar nicht existieren, sind keine Seltenheit, wie Branchenkenner jetzt bestätigen.
Inhalt
K-Tipp 19/2003
12.11.2003
Georges Müller - gmueller@ktipp.ch
Der 56-jährige Zürcher Werbetexter Hans Meier (Name geändert) ist seit über einem Jahr arbeitslos. Trotz guter Ausbildung und vielseitigen Erfahrungen waren seine Bewerbungen bisher erfolglos. «Ich werde den Verdacht nicht los», sagt er, «dass ich mich immer wieder für Stellen bewerbe, die es gar nicht gibt.» Zudem vermutet er, dass er sich manchmal auf verschiedenen Wegen für ein und denselben Job bewirbt.
Leute werden auf Vorrat gesucht
Zwar stel...
Der 56-jährige Zürcher Werbetexter Hans Meier (Name geändert) ist seit über einem Jahr arbeitslos. Trotz guter Ausbildung und vielseitigen Erfahrungen waren seine Bewerbungen bisher erfolglos. «Ich werde den Verdacht nicht los», sagt er, «dass ich mich immer wieder für Stellen bewerbe, die es gar nicht gibt.» Zudem vermutet er, dass er sich manchmal auf verschiedenen Wegen für ein und denselben Job bewirbt.
Leute werden auf Vorrat gesucht
Zwar stellen alle vom K-Tipp angefragten Firmen und Personalvermittler derartige Praktiken empört in Abrede. Doch Ruedi Winkler, langjähriger Chef des Stadtzürcher Arbeitsamts und heute Leiter einer Personal- und Organisationsentwicklungsfirma, bestätigt: «Stellenausschreibungen ohne konkrete, unmittelbar zu besetzende Stelle sind traditionelle Praxis.»
Auf diese Weise würden sich Firmen möglichst viele Optionen offen lassen, indem sie quasi auf Vorrat Leute suchen, erklärt Winkler. Bei einer Vakanz können sie dann den Job sofort einem ausgewählten Kreis von Interessenten anbieten, statt sich durch unzählige Bewerbungsdossiers pflügen zu müssen. «Denn der Arbeitsmarkt ist extrem kurzfristig geworden», begründet dies Winkler.
Auch Personalvermittler sind daran interessiert, immer möglichst viele Leute in ihren Karteien zu haben, um sie einem Unternehmen bei Bedarf möglichst rasch anbieten zu können. Problematisch ist aber, wenn die Vermittler Bewerbungsunterlagen verschicken, ohne zu wissen, ob überhaupt die Möglichkeit besteht, die Leute innert nützlicher Frist zu vermitteln.
Auch Beraterin Verena Reusser von der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) Zürich geht davon aus, «dass es Vermittler gibt, die quasi als Versuchsballon eine attraktive Stelle inserieren, damit sie an vermittelbare Personen mit interessantem Hintergrund herankommen». Diese Machenschaften machen «vielen falsche Hoffnungen», kritisiert sie, was wiederum die Motivation der Stellensuchenden verringere, sich mit voller Energie um einen neuen Job zu bemühen.
Besonders heikel wirds, wenn eine Stelle gleichzeitig, aber unabhängig voneinander, von einer Firma und vom Personalvermittler ausgeschrieben wird. Das kann dazu führen, dass dieselben Bewerbungsunterlagen zweimal auf dem Pult des Firmen-Personalchefs landen. «Das ist für Bewerber und Vermittler absolut tödlich, weil Stellenbewerbungen eine höchst sensible Angelegenheit sind. So kann der kleinste Hinweis auf eine mögliche Unstimmigkeit dazu führen, dass der Bewerber sofort aus dem Rennen fliegt», betont der Personal- und Unternehmensberater Urs Ledermann.
Trotzdem kann sich für Stellensuchende der Gang zum Vermittler lohnen, weil dieser vielfach die Qualifikationen und Fähigkeiten des Bewerbers professioneller ins rechte Licht rücken kann und genauer weiss, wo sich Bewerbungen lohnen. Anderseits warnt Credit-Suisse-Sprecher Georg Söntgerath: «Ist die Qualität von zwei Kandidaten gleichwertig, ziehen wir die kostengünstigere Variante und somit den selbst rekrutierten Kandidaten vor.»
Vermittler kassieren nicht zu knapp
Diese Bemerkung macht klar, dass es hierbei unter Umständen um viel Geld geht: Für Jobs mit Monatslöhnen bis zu 10 000 Franken betragen die Vermittlungshonorare einen bis anderthalb Monatsbezüge. Für die erfolgreiche Vermittlung eines höheren Kadermitglieds bezahlen Firmen an Personalvermittler bis zu 35 Prozent eines Jahressalärs von mehreren hunderttausend Franken.
Trotz der Kosten und der überall angesagten rigorosen Sparmassnahmen arbeiten vor allem Grossbetriebe weiterhin mit Personalvermittlern zusammen, wenn auch weniger intensiv als in den Zeiten der Hochkonjunktur. «Wenn eine Bank Stellen abbaut, gleichzeitig aber für bestimmte Aufgaben Spezialisten sucht, kommt sie gerne zu uns, um nicht selbst in Erscheinung treten zu müssen», sagt Personalvermittler Ledermann.
So erkennen Sie fiktive Inserate
- Ein starkes Indiz für die Ausschreibung einer fiktiven Stelle sind aufgelistete Funktionen oder Berufsbezeichnungen ohne detaillierten Stellenbeschrieb.
- Gleicher Aufbau und gleiche oder ähnliche Formulierungen in verschiedenen Stellenausschreibungen von Firmen und von Vermittlern lassen vermuten, dass es sich um ein und dieselbe Stelle handelt. Die Direktbewerbung bei der Firma hat die bessere Chance.
- Holen Sie wenn nötig bei Fachleuten (z. B. RAV-Angestellte) Informationen über Personalvermittler ein, bevor Sie diesen Ihre Bewerbungsunterlagen geben.
- Überlassen Sie Ihr Dossier einem Personalvermittler nur unter der Auflage, jeweils informiert zu werden, wenn er es irgendwo einreichen will. Das verhindert Doppelbewerbungen.