Stärkerer Schutz vor Spielsucht, strengere Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäscherei, Bestimmungen gegen die versuchte Manipulation von Sportwettkämpfen: Diese Punkte im neuen Geldspielgesetz, über das am 10. Juni abgestimmt wird, sind nicht umstritten. Ein Kernpunkt allerdings schon: Das Gesetz sieht nämlich vor, künftig auch im Internet Geldspiele zuzulassen. Eine Konzession können aber nur Casinos mit Sitz in der Schweiz erhalten. Der Zugang zu Internet-Spielen ausländischer Unternehmen soll mit technischen Mitteln verhindert werden.
Der Bundesrat argumentiert in der Abstimmungsbroschüre, ausländische Firmen seien heute nicht an das Schweizer Recht gebunden und müssten keine Massnahmen zum Schutz vor Spielsucht treffen. Zudem würden sie keine Abgaben zugunsten der AHV/IV oder gemeinnütziger Zwecke entrichten. Heute müssen Schweizer Casinos einen Teil ihrer Erträge abliefern. Diese Spielbankenabgabe kommt der AHV und den Standortkantonen der Casinos zugute.
Jungparteien kämpfen gegen das Gesetz
Im Jahr 2016 erwirtschafteten die 21 Casinos in der Schweiz insgesamt einen Bruttoertrag von rund 690 Millionen Franken. Davon floss über die Spielbankenabgabe knapp die Hälfte ab: 276 Millionen an die AHV, 47 Millionen an die Standortkantone. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Casinos künftig dank den Erträgen aus Internetspielen weitere 40 bis 75 Millionen Franken pro Jahr abliefern werden.
Gegen mehr Geld für die Allgemeinheit haben auch die Gegner des Geldspielgesetzes nichts einzuwenden. Sie halten es aber für falsch, ausländische Internet-Casinos mit Netzsperren vom Schweizer Markt auszuschliessen. Pascal Vuichard, Vizepräsident der Grünliberalen Schweiz, kritisiert das neue Gesetz: «Wenn es wirklich um das Gemeinwohl ginge, müsste man auch ausländischen Internet-Casinos eine Konzession erteilen, und auch von ihnen Abgaben für die AHV kassieren sowie Massnahmen zum Schutz der Spieler vor Überschuldung verlangen.»
Auch Benjamin Fischer, Präsident der Jungen SVP Schweiz, fände es «viel sinnvoller, das bestehende internationale Angebot zu integrieren». So liesse sich nach den Gegnern des neuen Gesetzes nicht nur der Zuschuss an AHV und Kantone erhöhen, sondern auch der Schwarzmarkt effektiver bekämpfen. Sie verweisen unter anderem auf das Beispiel Dänemark (siehe Kasten rechts). Die Unterschriften für das Referendum sammelten die Jungparteien von links bis rechts.
Im Parlament war das Gesetz problemlos durchgekommen. Es gab aber auch kritische Töne. So sagte etwa der Ausserrhoder Freisinnige Andrea Caroni im Ständerat, er könne nicht verstehen, warum man Internetspiele «quasi als Privileg» nur Inhabern einer Casinokonzession erlaube. Ganz nach dem Motto: Wer hat, dem wird gegeben. «Hier schränken wir den Wettbewerb künstlich ein, um aktuellen Insidern Pfründe zu gewähren.»
«Die Casinos haben sich durchgesetzt»
Bundesrätin Simonetta Sommaruga antwortete Caroni: «Ich sage es ganz direkt: Die Casinos haben sich hier durchgesetzt.» Klar ist: Die Spielbanken haben gute Drähte nach Bern (siehe Kasten links). Und für sie steht viel auf dem Spiel. Zusammen erzielten die 21 Casinos 2016 einen Gewinn von gut 71 Millionen Franken. Das ist noch halb so viel wie im Spitzenjahr 2007. Die künftigen Erträge aus Internetspielen will man deshalb nicht mit ausländischen Internet-Casinos teilen.
Glücksspiel-Lobby im Bundeshaus
Pascal Vuichard, Vizepräsident der Grünliberalen Schweiz, bezeichnet das Geldspielgesetz als «ein Paradebeispiel für schädliches Lobbying im Bundeshaus». Tatsächlich verfügen die Schweizer Casinos über gute Drähte dorthin:
Ständerat Beat Vonlanthen (CVP/FR) ist seit Mai 2017 Präsident des Schweizer Casinoverbands. Sein Amtsvorgänger war der ehemalige CVP-Präsident und Walliser Nationalrat Christophe Darbellay.
Nationalrat Peter Schilliger (FDP/LU) ist Verwaltungsrat der Kursaal-Casino AG Luzern.
Nationalrat Laurent Wehrli (FDP/VD) ist Vizepräsident des Verwaltungsrats der Casino Barrière de Montreux SA.
Ständerat Raphaël Comte (FDP/NE) ist Präsident der Fondation Casino de Neuchâtel.
Philipp Gmür ist Vizepräsident des Verwaltungsrats der Kursaal-Casino AG Luzern sowie Verwaltungsrat der Grand Casino Luzern AG und der Casino Online AG. Er besitzt eine Zutrittskarte zum Bundeshaus dank seiner Ehefrau, Nationalrätin Andrea Gmür (CVP/LU).
Franz Egle und Bettina Mutter vertreten die PR-Agentur Dynamics Group AG, die unter anderem für den Schweizer Casinoverband tätig ist. Ihre Zutrittskarten zum Bundeshaus haben sie von Ständerat Josef Dittli (FDP/UR) bzw. CVP-Präsident und Nationalrat Gerhard Pfister (ZG).
Dänemark profitiert vom Ausland
Dänemark mit seinen 5,75 Millionen Einwohnern erlaubt Internet-Geldspiele seit 2012. Lizenziert werden auch ausländische Online-Casinos, sofern sie die dänischen Auflagen, etwa zum Schutz vor Geldwäscherei und zur Prävention von Spielsucht, erfüllen. Inzwischen verfügen rund 40 Internet-Casinos über eine Lizenz. Sie zahlen Lizenzgebühren und eine Abgabe von 20 Prozent auf den Bruttospielertrag. Illegale Spielveranstalter werden von der staatlichen Regulierungsbehörde blockiert.
In Dänemark wuchs der Bruttospielertrag der Glücksspielbranche seit 2012 um rund 40 Prozent.