Gisela Frech aus Wallbach AG kaufte in der Vergangenheit im Internetshop Parfumcity.ch dann und wann Toiletten- und Kosmetikartikel. Letzten Oktober bestellte sie dort Eau de Toilette und einen Body-Spray für total 102 Franken.
Wie immer kreuzte Frech beim Abschluss des Bestellvorgangs an: «Bestellung auf Rechnung.» Doch dieses Mal war das nicht möglich. Stattdessen musste sie den geschuldeten Betrag im Voraus zahlen, per Banküberweisung.
Gisela Frech fragte darauf bei Parfumcity.ch nach, warum ihr eine Zahlung auf Rechnung verwehrt wurde. Der Kundendienst teilte ihr mit, dies liege an einer negativen Bonitätsprüfung.
Das heisst: Frech wurde als nicht kreditwürdig eingestuft. Diese Auskunft habe Parfumcity.ch von der Firma Intrum erhalten. Intrum ist eine Wirtschaftsauskunftei, die Daten zur Kreditwürdigkeit möglicher Kunden sammelt und an Unternehmen verkauft.
Gisela Frech liess nicht locker und fragte bei Intrum nach, weshalb man ihr eine schlechte Bonität attestiere. Die Antwort: «Wir weisen Sie darauf hin, dass die Zahlungsoptionen aufgrund Ihres Alters eingeschränkt wurden.»
Diskriminierung hat System
Gisela Frech ist 86 Jahre alt. Ihre Rechnungen bezahlte sie stets, sie hatte keine Ausstände. Dass Intrum sie als nicht kreditwürdig einschätzt, «grenzt für mich an Rufmord», sagt sie zum K-Tipp. «Eine solche Diskriminierung alter Leute ist schlicht unwürdig.»
Eine Anfrage des K-Tipp bei Intrum ergibt: Die Diskriminierung hat System. Die Unternehmen, die von Intrum Daten kaufen, können die Altersgrenzen für das Bezahlen auf Rechnung selbst festlegen. «Standardmässig ist bei uns die Alterslimite 18 bis 80 Jahre eingestellt», schreibt Intrum.
Das bedeutet: Legt eine Firma für die Prüfung der Kreditwürdigkeit keine eigenen Vorschriften fest, schliesst Intrum die Zahlung per Rechnung für Käufer ab 80 Jahren aus. Laut Intrum wenden 20 Prozent ihrer Firmenkunden diesen «Standard» an.
Peter Burri Follath von Pro Senectute kritisiert diese Praxis: «Es ist stigmatisierend und skandalös, allein aufgrund des Alters auf die Solvenz eines Kunden zu schliessen.»
Die Zürcher Firma Crif AG ist eine Konkurrentin von Intrum. Crif sagt, man habe festgestellt, dass die Kreditwürdigkeit mit höherem Alter sogar zunimmt: «Ältere Leute verfügen im Durchschnitt über ein höheres Einkommen und haben oft auch ein grösseres Vermögen als Jüngere.» Die Zahlungsfähigkeit nehme deshalb mit der Pensionierung oft nicht ab. Von den vom K-Tipp angefragten Kreditauskunfteien sagt einzig die Creditreform Egeli St. Gallen AG, fürs Bezahlen auf Rechnung gebe es kein Maximalalter.
Parfumcity.ch schreibt, man habe von der Altersgrenze 80 Jahre vor der Anfrage des K-Tipp nichts gewusst. Mit Intrum habe man sich darauf geeinigt, diese Einschränkung zu entfernen.
Hier erhalten Betroffene Auskunft
Wirtschaftsauskunfteien sammeln Daten zur Kreditwürdigkeit von Personen. Dazu gehören neben Personendaten etwa Betreibungsauskünfte, Inkassomeldungen oder Informationen darüber, wie pünktlich jemand Rechnungen bezahlt. Häufig sind die gespeicherten Informationen fehlerhaft («K-Geld» 05/2019).
Auskunfteien sind verpflichtet, die gespeicherten Informationen gegenüber Betroffenen offenzulegen. Eine Anfrage kann man per Brief, E-Mail oder Internet machen. Dafür müssen Gesuchsteller ihre Adresse angeben und ein Foto der Identitätskarte oder eines anderen amtlichen Ausweises mitsenden.Adressen grosser Auskunfteien:
Creditreform
Teufener Strasse 36, 9001 St. Gallen.
Creditreform.ch
Crif AG
Selbstauskunft, Postfach, 8034 Zürich.
Crif.ch
Intrum AG
Eschenstrasse 12, 8603 Schwerzenbach ZH.
Intrum.ch