Die Organisation IP-Suisse steht laut eigenen Angaben für eine «umweltschonende» und «tiergerechte» Landwirtschaft. Bauern von IP-Suisse-Betrieben verzichten bei Kühen etwa auf Soja als Futtermittel und lassen die Tiere im Sommer an 26 Tagen pro Monat ins Freie. Im Getreideanbau setzen sie keine Chemie gegen Insekten- und Pilzbefall ein.
Die Grossverteiler verkaufen viele Produkte mit dem Marienkäferlogo von IP-Suisse. Die Konsumenten bezahlen dafür einen erheblichen Zuschlag. IP-Suisse-Halbrahm in der Halbliterflasche kostet bei Coop Fr. 4.25. Das sind Fr. 1.60 mehr als die gleiche Menge Prix-Garantie-Halbrahm. IP-Suisse-Zucker kostet in der Migros im Kilopack Fr. 1.80. Das sind 20 Rappen mehr als das M-Budget-Kilopack.
Käfer heisst nicht 100 Prozent IP-Suisse
Erstaunlich: Obwohl diese teureren Produkte den Marienkäfer auf der Verpackung haben, enthalten sie Milch oder Zucker, die nach weniger strengen ökologischen Standards hergestellt wurden. Das steht aber nicht konkret auf der Verpackung. Konsumenten können das nur am Hinweis «Mengenausgleich» im Marienkäferlogo erkennen.
Mit «Mengenausgleich» meint IP-Suisse: Für die Menge an Zucker, die die Migros unter dem Label IP-Suisse verkauft, wurde ebenso viel Zucker in IP-Suisse-Qualität geliefert. Im konkreten Migros-Produkt ist aber nicht unbedingt nur IP-Zucker enthalten – möglicherweise sogar gar keiner. So kann Zucker von Rüben stammen, die mit Insektengiften gespritzt und nicht, wie von IP-Suisse vorgeschrieben, ohne dieses Pestizid angebaut wurden. Produkte mit Mengenausgleich müssen keinen Mindestanteil an IP-Zutaten enthalten.
Der K-Tipp fand in einer Stichprobe bei Coop, Denner und in der Migros neben Zucker auch Milch, Rahm, Quark und Fruchtkonfitüre mit «Mengenausgleich».
IP-Suisse schreibt, der «Mengenausgleich» sei zulässig, wenn es unmöglich sei, die IP-Suisse-Waren getrennt von anderen Zutaten zu verarbeiten.
Zurzeit sind bei solchen Produkten zwei Labelversionen im Umlauf: ein Marienkäfer mit dem Zusatz «Mengenausgleich» und einer mit Sternchen. Auf der Rückseite des Produktes steht als Erläuterung zum Stern: «in IP-Suisse-Qualität mit Mengenausgleich». Das Logo mit dem Sternchen findet sich auf Migros-Produkten und ist seit Ende 2023 nicht mehr zugelassen. Bestehende Verpackungen dürfen aber gemäss IP-Suisse aufgebraucht werden.
Die Migros räumt auf Anfrage ein, eine «detaillierte Erklärung» des Wortes Mengenausgleich auf den Produkten sei «aus Platzgründen schwierig». Coop wollte keine Auskunft geben und bat, «sich an IP-Suisse zu wenden».
Bio klarer definiert als IP-Suisse
Auch IP-Suisse-Produkte ohne den Hinweis «Mengenausgleich» enthalten nicht nur IP-Suisse-Zutaten: Denn laut Reglement sind bei Produkten mit mehreren Zutaten 20 Prozent konventionelle Zutaten erlaubt. Der Käfer ist sogar erlaubt auf Produkten, die nur vereinzelte IP-Suisse-Zutaten enthalten. In diesem Fall müssen sie aber mit dem Logo genannt werden. Auf einem Hafer-Haselnuss-Drink von Emmi steht unter dem Käfer «Hafer». Hafer macht laut Zutatenliste nur 13 Prozent des Inhalts aus. Der Rest ist Wasser, normale Mandelpaste und Calciumcarbonat.
Bio-Produkte sind klarer definiert als IP-Ware. Denn bei Bio-Knospe-Produkten müssen laut Branchenorganisation Bio Suisse 100 Prozent der Zutaten aus Bio-Produktion stammen. Bauern, die auf Bio-Bewirtschaftung umstellen, müssen ihre Produkte während zweier Jahre mit dem Zusatz «Umstellung» im Knospenlogo verkaufen. Sie müssen aber bereits den ganzen Betrieb nach Bio-Richtlinien bewirtschaften.
Max Havelaar: Mengenausgleich auch bei Fairtrade
Den sogenannten Mengenausgleich gibt es auch bei Fairtrade-Produkten von Max Havelaar. Bei Schokolade, Zucker, Tee und Fruchtsäften werden oft «fair» gehandelte und andere Zutaten gemischt. So etwa bei Bio-Schwarztee von Coop oder bei der Crémant-Schokolade der Migros. Diese Produkte sind mit einem Pfeil neben dem Fairtrade-Logo gekennzeichnet. Auf der Rückseite des Produkts findet sich ein Internetlink, der zu weiteren Informationen führt.