Ist der Telefonkunde bald König?
Höchstpreise für 0900er-Nummern, Verbot unerwünschter Werbung, Schlichtungsstelle: Der Bund will Telefon- und Internet-Benützer besser schützen. Dagegen gibt es Widerstand - vor allem von Swisscom.
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K-Tipp 18/2002
30.10.2002
Thomas Müller und Gery Schwager redaktion@ktipp.ch
Eigentlich wollte Katrin Schoch aus Solothurn das Call-Center der Expo.02 anrufen. Sie erkundigte sich bei der Auskunft 111 nach der Nummer und wählte dann 0900 20 20 20.
Am anderen Ende der Telefonleitung blieb es ruhig. Zunächst glaubte Schoch, ihr Anruf befinde sich in der Warteschlange. Doch als sich nach einer halben Minute noch immer niemand gemeldet hatte, legte sie den Hörer auf.
Eine neue Anfrage beim «Hundertelfi» machte dann klar: Die richtige Nummer...
Eigentlich wollte Katrin Schoch aus Solothurn das Call-Center der Expo.02 anrufen. Sie erkundigte sich bei der Auskunft 111 nach der Nummer und wählte dann 0900 20 20 20.
Am anderen Ende der Telefonleitung blieb es ruhig. Zunächst glaubte Schoch, ihr Anruf befinde sich in der Warteschlange. Doch als sich nach einer halben Minute noch immer niemand gemeldet hatte, legte sie den Hörer auf.
Eine neue Anfrage beim «Hundertelfi» machte dann klar: Die richtige Nummer des Call-Centers der Expo.02 lautete 0900 02 02 02. Katrin Schoch hatte also falsch gewählt. Und das sollte sie ziemlich teuer zu stehen kommen.
Fr. 88.20 kostete die nur 26 Sekunden dauernde Verbindung auf die falsche Servicenummer. Registriert ist diese bei der Telefongesellschaft Yellow Access AG in Baar ZG.
Wer mit dieser Rufnummer Geschäfte macht, gibt die Firma nicht bekannt. Und auf die Beschwerde von Katrin Schoch antwortete Yellow Access mit der knappen Bemerkung: «Für uns ist unverständlich, dass Sie ganze 26 Sekunden benötigt haben, bis Sie bemerkten, dass Sie sich verwählt haben.»
Ebenfalls erfolglos reklamierte Christine Wirth aus St. Gallen bei Yellow Access. Auch sie wollte das Call-Center der Expo.02 anrufen. «Irrtümlich habe ich aber die Nummer 0900 08 08 08 eingestellt», erinnert sich Wirth.
Der Wählfehler führte sie zum Fax-Abruf einer Ernährungsberatung. Wirth realisierte das erst, nachdem ihr kombiniertes Telefon-Fax-Gerät die erste Seite empfangen hatte. Die Verbindung dauerte etwas länger als zwei Minuten - und kostete Fr. 47.65.
Setup-Gebühr als Kostenfalle
Das Geld erhielt Christine Wirth nicht zurück. Yellow Access beschied ihr kurz und bündig: «Wir müssen Ihnen mitteilen, dass wir diese Angelegenheit nicht als Falschwahl berücksichtigen können, weil Sie über zwei Minuten dranblieben.»
Sicher: Wer sich verwählt, kann nicht andere dafür verantwortlich machen. Stossend aber ist, dass ein an sich harmloser Wählfehler derart ins Geld gehen kann.
Möglich macht das die so genannte Setup-Gebühr, die immer mehr Betreiber von Servicenummern mit Vorwahl 0900, 0901 und 0906 einsetzen. Diese Gebühr schlägt schon wenige Sekunden, manchmal gar unmittelbar nach Zustandekommen der Verbindung zu Buche. Eine gesetzlich definierte Obergrenze gibts (noch) keine.
Der K-Tipp hat bereits Mitte Mai auf das Problem der teuren Wählfehler aufmerksam gemacht (Ausgabe 10/02). Betroffen waren damals «Frühaufsteher», die sich beim Programmieren des Telefon-Weckdienstes verwählt hatten und so versehentlich bei teuren 0900er-Nummern gelandet waren.
Solche Nummern sind bei diversen Telefonfirmen platziert. Doch in allen dem K-Tipp vorliegenden Fällen haben die Falschwahlen stets zu 0900er-Nummern geführt, die bei Yellow Access registriert sind. Und die Opfer haben nie erfahren, wer diese Nummern betreibt.
«Die Betreiber von Einzelrufnummern geben wir, in Anlehnung an die Praxis des Bundesamts für Kommunikation, nur dann bekannt, wenn berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird oder eine gesetzliche Grundlage besteht», hält Yellow-Access-Direktor Hans-Uwe Gebhardt gegenüber dem K-Tipp fest. Gleichzeitig unterstreicht er, seine Firma habe nicht nur teure, sondern auch günstige Servicenummern für Vertragspartner in Betrieb.
Gesetz will Anbietern Grenzen setzen
Doch wie stehts mit der Kontrolle? Überprüft Yellow Access, ob die Vertragspartner mit ihren 0900er-Nummern überhaupt Dienste anbieten? Die Antwort auf diese Frage bleibt Gebhardt in seinem Schreiben schuldig.
Auch zu den vom K-Tipp unterbreiteten konkreten Fällen gibts nur spärliche Auskünfte: Die geschilderten Sachverhalte seien kaum überall zutreffend, «weil es technisch nicht geht», so Gebhardt. Man könne aber erst später substanziell Stellung nehmen; der für Reklamationen zuständige Mitarbeiter weile gerade im Ausland.
Die Frage allerdings, ob die Yellow Access AG ihren Vertragspartnern punkto Gebührenhöhe denn keine Auflagen mache, beantwortet der Direktor schon heute relativ klar. «Wir fordern von unseren Kunden die strikte Einhaltung der Gesetze und Vorschriften», schreibt Gebhardt. «Darüber hinaus wollen wir den Wettbewerb nicht beschränken und Grenzen ziehen, die der Gesetzgeber nicht gewollt hat.»
Doch jetzt will der Gesetzgeber die Grenzen enger ziehen. Mit einer Revision des Fernmeldegesetzes soll nicht nur die «letzte Meile» entbündelt, sondern auch der Konsumentenschutz verbessert werden. Das sind die Vorschläge des Bundes - und die Einwände der Telefonfirmen:
- Höchstpreise für 0900er-Nummern
«Der Bundesrat kann zur Verhinderung von Missbräuchen Preisobergrenzen für Mehrwertdienste festlegen», heisst es im Gesetzesvorschlag des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Damit liessen sich auch Setup-Gebühren, wie sie Christine Wirth und Katrin Schoch bezahlen mussten, begrenzen.
Heute können Inhaber von Servicenummern mit der Vorwahl 0900, 0901 und 0906 kräftig abkassieren: Nach den Vorgaben des Branchenverbandes Telecom Data Services dürfen sie pro Minute bis zu 10 Franken verlangen - und zusätzlich noch eine Setup-Gebühr von maximal 20 Franken. Ein Anruf kostet somit bis zu 620 Franken pro Stunde (K-Tipp 20/01). Schwarze Schafe unter den Nummernbetreibern verlangen sogar noch mehr.
Hinzu kommt, dass Anrufer häufig nichts von den horrenden Preisen wissen: Eine Bandansage, die über den Tarif informiert, ist heute nur bei Erotiknummern mit der Vorwahl 0906 vorgeschrieben. Eine Revision der Preisbekanntgabe-Verordnung soll diese Pflicht nun auf andere Nummern ausdehnen.
Doch nicht nur Telefonierer tappen oft nichtsahnend in die Kostenfalle, sondern auch Internet-Surfer - vor allem dann, wenn sie ein Dialer-Programm auf ihren Computer herunterladen, um Zugang zu gebührenpflichtigen Inhalten zu erhalten. Solche Programme kappen die Internet-Verbindung und stellen sie über eine kostspielige Servicenummer wieder her. Manche installieren sich so im Computer, dass fortan sämtliche Internet-Ausflüge über die 0906er-Nummer laufen.
Kein Wunder also sind Telefonrechnungen mit unerklärlichen Verbindungen auf 0900er-Nummern momentan der Renner unter den Anfragen beim K-Tipp-Beratungsdienst. Auch beim Bakom spricht man von einem «grossen Problem».
Swisscom will keine Preislimite
Umso erstaunlicher ist, dass Swisscom Höchstpreise für 0900er-Nummern ablehnt. «Es besteht kein öffentliches Interesse an einer staatlichen Verbilligung von Erotik-Angeboten», schreibt Swisscom in ihrer Vernehmlassungsantwort.
Demgegenüber befürworten Sunrise und Orange die mögliche Einführung von Höchstpreisen. Sie schlagen zudem vor, den Telefongesellschaften das Recht einzuräumen, missbräuchlich verwendete Sex-Nummern zu sperren.
- Veröffentlichung von Namen und Adressen der Betreiber von 0900er-Nummern
Dieser Vorschlag ist in den offiziellen Vernehmlassungsunterlagen noch gar nicht enthalten. Peter Fischer, stellvertretender Direktor des Bakom, bestätigt aber: «Wir streben an, dass die Identität der Nummerninhaber veröffentlicht werden kann.» Fischer verspricht sich davon mehr Transparenz für Konsumenten und eine abschreckende Wirkung für Anbieter.
Heute kann das Bakom, das die Nummern vergibt, die Identität der Inhaber nur in Missbrauchsfällen auf Gesuch eines betroffenen Kunden lüften. Das Verfahren dauert mehrere Wochen.
Laut Fischer hat das Bakom bisher 69 Gesuche erhalten, die zum Teil noch pendent sind. In 10 Fällen sei die Identität bekannt gegeben worden. Auskünfte erteilen auch Swisscom (Gratisnummer 0800 848 900) und Sunrise (schriftlich), bei denen 95 Prozent der Businessnummern registriert sind.
Eine Veröffentlichung aller Namen und Adressen hätte für Konsumentinnen wie Katrin Schoch und Christine Wirth den Vorteil, dass sie sich ohne grosse Mühe direkt an die Nummernbetreiber wenden könnten. Auch eine allfällige Strafanzeige hätte bessere Erfolgschancen, weil die ohnehin überlasteten Strafverfolgungsbehörden nicht zuerst die Hintermänner ermitteln müssten.
Sunrise, Swisscom und Orange begrüssen diesen Revisionsvorschlag einhellig.
- Verbot unerwünschter Werbung
Sie sind wohl das Hauptärgernis telefonierender und surfender Konsumenten: Unerbetene Werbebotschaften per E-Mail, SMS, Telefon oder Fax - kurz «Spam» genannt. Damit soll nun Schluss sein.
Vorgesehen ist, dass Telefonkunden nicht mehr mit einem Sternchen im Telefonbuch anzeigen müssen, dass sie keine Werbemitteilungen erhalten möchten («Opt-out-Modell»). Neu müssten die Absender solcher Mitteilungen vor dem Versand die ausdrückliche Einwilligung der Konsumentinnen und Konsumenten einholen («Opt-in-Modell»).
Harte Strafen für unerlaubte Werbung
Ohne Einverständnis wären Werbebotschaften nur erlaubt, wenn zwischen Absender und Adressat bereits eine Geschäftsbeziehung besteht. Der Empfänger könnte aber jederzeit festhalten, dass er keine Werbemitteilungen mehr wünscht. Firmen, die sich nicht daran halten, müssten mit einer Strafe («Gefängnis oder Busse bis 100 000 Franken») rechnen.
Orange, Sunrise und Swisscom sind mit diesem Vorschlag einverstanden. Sie wehren sich aber dagegen, dass der Revisionsvorschlag sie verpflichten will, die Übermittlung unerwünschter Werbemitteilungen nach Möglichkeit zu verhindern.
- Schlichtungsstelle beim Bakom
Telefonkunden sollen die Möglichkeit erhalten, Streitigkeiten mit den Anbietern - etwa wegen falscher Rechnungen - vor eine Schlichtungsstelle zu bringen. Das sei nötig, weil «die Gefahr von Missbräuchen gross ist und betroffene Kunden kaum Chancen haben, ihre Telefonrechnung vor Gericht erfolgreich anzufechten», heisst es in den Erläuterungen des Uvek zur Vernehmlassung.
Geplant ist, dass das Schlichtungsverfahren für Konsumenten gratis sein soll. Die Kosten müssten die Anbieter tragen - quasi als Motivation für einvernehmliche Lösungen.
Davon sind Orange und Sunrise gar nicht begeistert. Ihrer Ansicht nach sollten die Anbieter die Kosten nur dann übernehmen müssen, wenn sie im Streitfall unterliegen. Orange schlägt vor, den Konsumenten eine Pauschalgebühr zu verrechnen, «um voreilige Anträge zu vermeiden».
Beide Anbieter wollen die Konsumenten verpflichten, sich bei Problemen zuerst an den jeweiligen Kundendienst zu wenden.
Swisscom lehnt eine staatliche Schlichtungsstelle ganz ab. Sie verweist auf ihren Kundendienst, «der sich im Zweifelsfall kulant verhält, um Kunden nicht an die Konkurrenz zu verlieren». Die ehemalige Monopolistin äussert auch «Zweifel an der Neutralität des Bakom».
Nicht verschliessen will sich Swisscom indes einer privaten Ombudsstelle, wie sie die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) kürzlich wieder aufs Tapet gebracht hat. Dazu laufen zurzeit Gespräche zwischen den Anbietern und der SKS.
- Verbot der Bündelung von Angeboten
Laut Gesetzesentwurf dürften marktbeherrschende Anbieter ihre Angebote nicht mehr nur eigenen Kunden zugänglich machen. Swisscom müsste beispielsweise ihren Gratis-Anrufbeantworter im Netz (Combox) auch Telefonierenden öffnen, die Pre-Selection bei einem anderen Anbieter haben.
Swisscom widersetzt sich diesem Vorschlag; Sunrise und Orange sind - logischerweise - dafür.
Wies mit dem Konsumentenschutz beim Telefonieren weitergeht, entscheidet der Bundesrat. Das Uvek muss ihm bis am 15. Januar 2003 einen Bericht über die Vernehmlassungsantworten vorlegen.
Ombudsstelle für Probleme mit Natel-Antennen
Im Stiftungsrat der neuen Ombudsstelle sitzt kein Konsumentenvertreter.
Konsumenten können sich ab 1. November gratis an die Ombudsstelle wenden - zum Beispiel wenn sie sich gegen eine auf dem Nachbarhaus geplante Mobilfunkantenne wehren wollen oder wenn sie Fragen zur Handy-Strahlung haben. Für andere Probleme wie etwa überhöhte Telefonrechnungen ist die Stelle nicht zuständig.
Ombudsfrau ist die St. Galler FDP-Ständerätin Erika Forster, Ehefrau des Economiesuisse-Präsidenten Ueli Forster.
Finanziert wird die Stelle durch die drei Mobilfunkanbieter Swisscom, Sunrise und Orange, die auch den Stiftungsrat ausgewählt haben. Darin sitzt neben verschiedenen Politikern auch Orange-Chef Andreas Wetter - aber kein Konsumentenvertreter.
Stiftungsratspräsident Peter Jossen, SP-Nationalrat aus dem Kanton Wallis, stört das nicht: «Es kann sogar ein Vorteil sein, dass Konsumenten- und Umweltverbände im Stiftungsrat nicht vertreten sind. So können sie frei ihren Job machen.»
Für Jossen ist aber klar: «Ich bin nicht das Feigenblatt der Mobilfunkanbieter. Erika Forster soll das jetzt mal ein halbes Jahr machen, dann ziehen wir Zwischenbilanz.»
Ombudsstelle Mobilkommunikation und Umwelt, Monbijoustrasse 22, 3001 Bern, Tel. 031 380 85 94, E-Mail: info@omk.ch