Je dunkler die Farbe, desto grösser das Allergierisiko
Die meisten Haarfärbemittel enthalten höchst bedenkliche Substanzen. Gute Nachricht: Nun gibt es eine Produktelinie ohne Allergierisiko.
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K-Tipp 7/2007
11.04.2007
Rolf Muntwyler
Es war ein traumatisches Erlebnis f?r den 13-j?hrigen Severin Freiholz aus Volketswil ZH (Name ge?ndert). Er hatte sich die Haare schwarz f?rben lassen. Am gleichen Abend juckte die Kopfhaut so sehr, dass die Eltern den Notarzt alarmierten. Doch die Medikamente halfen nicht.
Die Haut unter den Haaren war mittlerweile mit roten Blasen bedeckt. «Meine Kopfhaut hat gebrannt, als ob ein Bunsenbrenner darauf gerichtet gewesen w?re.» Damit nicht genug: Severins Stirn schwoll so an, da...
Es war ein traumatisches Erlebnis f?r den 13-j?hrigen Severin Freiholz aus Volketswil ZH (Name ge?ndert). Er hatte sich die Haare schwarz f?rben lassen. Am gleichen Abend juckte die Kopfhaut so sehr, dass die Eltern den Notarzt alarmierten. Doch die Medikamente halfen nicht.
Die Haut unter den Haaren war mittlerweile mit roten Blasen bedeckt. «Meine Kopfhaut hat gebrannt, als ob ein Bunsenbrenner darauf gerichtet gewesen w?re.» Damit nicht genug: Severins Stirn schwoll so an, dass er nicht mehr aus den Augen sah. Erst Kortison und eine Komplett-Rasur im Spital befreiten den Teenager von seinen Qualen.
Auch wenn der Fall Severin medizinisch noch nicht abschliessend gekl?rt ist: Es bestehen keine Zweifel, dass das Haarf?rbeprodukt daran Schuld war. Denn Colorationen haben ein enormes Allergiepotenzial. Und allergische Reaktionen - gerade auch auf F?rbemittel - nehmen zu, wie der Z?rcher Allergologe Brunello W?thrich best?tigt.
Seit Jahrzehnten sorgen die gleichen Inhaltsstoffe f?r gl?nzendes Schwarz, sanftes Braun und intensives Rot - aber auch f?r gesundheitliche Risiken.
K-Tipp und Kassensturz wollten wissen, ob mittlerweile weniger aggressive Mittel erh?ltlich sind, und liessen 20 dauerhafte Colorationen (Stufe III) testen: Die deutschen Labors CTL Bielefeld und Eurofins in Hamburg untersuchten je vier schwarze, mittelbraune und blonde F?rbeprodukte im Labor, dazu f?nf dunkelbraune und drei rote.
Nur zwei enthalten keine Schadstoffe
Die ausgew?hlten Colorationen sind beim Grossverteiler oder beim Coiffeur erh?ltlich. Jene aus dem Coiffeursalon sind aber nicht f?r die Heimanwendung konzipiert und werden auch einzig von Fachleuten aufgetragen.
Ein Resultat ?berrascht und l?sst auf eine Entwicklung Richtung sanftere Haarf?rbemittel hoffen: Die beiden Farben der Goldwell-Linie Elumen (im Test: Kupfer und Rot) enthalten keine einzige der gesuchten Substanzen.
Die zwei Colorationen basieren auf einem v?llig neuen Wirkprinzip. Deshalb f?llt der Entwickler mit dem aggressiven Wasserstoffperoxid weg, ebenso das Ammoniak in der Farbe. Aus diesem Grund ist die Aussage von Goldwell glaubw?rdig, dass auch die anderen Farbt?ne der Linie Elumen keinen der gesuchten Schadstoffe enthalten.
Elumen ohne Wasserstoffperoxid
Goldwell verspricht f?r die Elumen-F?rbemittel eine mindestens gleich gute Haltbarkeit wie bei ?blichen Colorationen. Dank tiefem pH-Wert wirke Elumen sogar pflegend. Ob die Versprechen des Herstellers zu Aussehen und Haltbarkeit auch wirklich zutreffen, ist in diesem Test nicht ?berpr?ft worden.
Elumen bleibt auf jeden Fall eine Ausnahme. Denn alle anderen Testprodukte kommen nicht ohne Wasserstoffperoxid im Entwickler aus. Die meisten Haarf?rbemittel enthalten auch - wie schon in fr?heren Tests - betr?chtliche Mengen 2,5-Toluylendiamin, Resorcin, 2-Methylresorcin, m-Aminphenol und in einem Fall para-Phenyldiamin. Diese Stoffe k?nnen starke Allergien ausl?sen.
Am meisten Substanzen mit hohem Allergiepotenzial enthalten die dunklen Farbt?ne: 2,5-Toluylendiamin, Resorcin und m-Aminphenol sind bei all diesen Colorationen zu finden. Das Gleiche gilt f?r Dunkelbraun.
Bei Schwarz ist Vorsicht geboten
Die h?chsten Abz?ge - 9 Punkte - aufgrund sch?dlicher Inhaltsstoffe kassierten die schwarzen Farben der Linien Curl Variaton Intensiv und L’Or?al Excellence Cr?me. Und Goldwells Coiffeur-Linie Topchic ist auch nicht viel besser (um 7 Punkte abgewertet).
Deutlich besser als diese drei stark belasteten Colorationen ist Koleston Blauschwarz von Wella, das eben erst mit neuer Rezeptur in die Coiffeursalons gekommen ist. «Dabei haben wir grossen Wert auf die Hautvertr?glichkeit gelegt», sagt Carola Wacker-Meister von Wella. Aber auch im Koleston-Produkt stecken zu grosse Mengen allergisierende Stoffe.
Obwohl eindeutig ist, dass die meisten der getesteten Haarf?rbemittel gesundheitlich nicht unbedenklich sind, schreibt Schwarzkopf & Henkel, sie w?rde «nur sichere und gesundheitlich vertr?gliche Produkte» anbieten. Die Firma verweist - wie auch Wella - darauf, dass sie ausschliesslich erlaubte Inhaltsstoffe einsetze.
Weniger Schadstoffe in helleren Farben
In den dunkelbraunen Farbt?nen sind die aggressiven Substanzen bei allen Produkten in gr?sseren Mengen vorhanden. Die Bilanz bessert sich zwar bei den Farben Hell-/Mittelbraun, Rot und Blond. Das ist aber kein Trost f?r all jene, die sich die Haare dunkel f?rben wollen. Wer dies ohne Allergierisiko erreichen will, l?sst sich die Haare beim Coiffeur mit Elumen f?rben.
Einer aber wird sich seine Haare mit Bestimmtheit nie wieder f?rben - Severin. Ihm ist die Lust auf haarige Experimente f?r den Rest seines Lebens vergangen.
Tattoos und Haarfarben
In vielen asiatischen und afrikanischen L?ndern bieten Strassenh?ndler Tattoos an, die nach einigen Tagen von selbst verschwinden. Aus medizinischer Sicht ist der Rat klar: Finger weg!
F?r solche Tattoos wird oft Henna verwendet. In vielen F?llen ist die Farbe aber mit para-Phenyldiamin (PPD) versetzt, um eine schwarze F?rbung und eine lange Haltbarkeit zu erreichen.
Das hoch allergene PPD kann sofort zu einer allergischen Reaktion f?hren. Auch wenn sie ausbleibt: Das Immunsystem kann Antik?rper gegen PPD bilden. Wer eines Tages zum Beispiel PPD-haltige Haarfarbe verwendet, riskiert heftige Reaktionen.
(rom)
Schadstoffe: Das erlaubt das Gesetz
Der Gesetzgeber, also der Bund, macht einen Spagat zwischen gesundheitlichen Risiken und dem Anspruch von Herstellern und Anwendern an Haarfarben mit guter Deckkraft und langem Halt.
In der Kosmetikverordnung sind die zul?ssigen H?chstmengen festgehalten. Bloss sind die so hoch, dass sie kaum einmal ?berschritten werden. Die Hersteller sind nur verpflichtet, Warnhinweise auf den Verpackungen anzubringen. «Die Coloration kann eine allergische Reaktion hervorrufen», ist zum Beispiel gut auf der Vorderseite der Garnier-Packungen zu lesen. Mehrere andere Hersteller sind da zur?ckhaltender und verstecken die Warnungen im Kleingedruckten auf der Verpackung (Curl, Schwarzkopf).
Die Pr?flabore haben folgende Substanzen in den Haarfarben gefunden:
- Resorcin und
- 2-Methylresorcin durchdringen die Hautbarriere und k?nnen eine Allergie ausl?sen. Erlaubter Anteil: 5 Prozent Resorcin, 2 Prozent 2-Methylresorcin.
- 2,5-Toluylendiamin ist stark allergieausl?send. Erlaubter Anteil laut Kosmetikverordnung: 10 Prozent.
- m-Aminphenol kann ebenfalls Allergien ausl?sen. Erlaubte H?chstmenge: 2 Prozent.
- para-Phenylendiamin (PPD) ist hoch allergen. Erlaubt ist eine H?chstmenge von 6 Prozent.
- Wasserstoffperoxid: aggressive Substanz, die nicht mit Schleimh?uten in Kontakt kommen sollte und umweltsch?dlich ist. Erlaubte Konzentration: 12 Prozent.
(rom)
Unter www.ktipp.ch finden Sie s?mtliche Tests aus dem K-Tipp seit Januar 2000. Der Bezug eines Tests im PDF-Format (inkl. Tabellen) kostet 3 Franken.