Es gibt in der Schweiz kaum ein besser gehütetes Geheimnis als die Marge der Grossverteiler auf den verkauften Produkten.
Unter der Marge versteht man die Differenz zwischen dem Einkaufs- und dem Verkaufspreis. Die Detailhändler geben dazu keine Auskunft. Bekannt ist nur, dass die Margen von Coop und Migros im europäischen Vergleich sehr hoch sind.
Marge höher als 40 Prozent
Detailhandelsexperten gingen bisher von einer Bruttomarge von rund 40 Prozent aus («Saldo» 15/2015). Das heisst: Die Detailhändler erhalten rund 40 Prozent des Preises.
Neue Zahlen zeigen nun aber: Die Aufschläge können noch viel höher sein. Das belegt eine detaillierte Aufstellung der Produktionskosten des Milchkaffeegetränks Lattesso aus dem Jahr 2021. Das Getränk wird heute von der Firma Cremo hergestellt.
Die Lattesso-Getränke stehen etwa bei Aldi, Coop, Lidl, der Migros und in den Kiosken in den Verkaufsregalen. Aus den Daten geht hervor, wie der Preis für die Fertiggetränke im Detail kalkuliert wird und zu welchem Preis die Fertigkaffees den Detailhändlern verkauft werden.
Kaffeepulver kostet nur knapp 8 Rappen
So sieht die Rechnung am Beispiel eines Lattesso Cappuccino-Bechers mit 250 Millilitern aus: Der Preis in der Migros betrug im Jahr 2021 für den Becher Fr. 2.35.
Das Kaffeegetränk besteht aus Milch, Kaffee, Zucker und Schokolade. Die 190 enthaltenen Milliliter Milch kosteten den Hersteller gemäss der Kalkulation fast 11 Rappen.
Der laut Lattesso-Werbung «handverlesene» Arabica-Kaffee aus Honduras schlug zusammen mit dem Schokoladenpulver mit rund 8 Rappen zu Buche und der Zucker mit 1 Rappen.
Die Einkaufskosten für sämtliche Rohstoffe pro Becher zusammen ergeben nur gerade rund 20 Rappen. Die Verpackung kostet weitere 23 Rappen. Und die Kosten für Herstellung, Transport und Verteilung plus die Gewinnmarge des Herstellers von Lattesso machten weitere rund 37 Rappen aus.
Die Migros bezahlte im Einkauf total 80 Rappen für das fixfertige Kaffeegetränk. Bei einem Ladenpreis von Fr. 2.35 blieben Fr. 1.55 bei der Migros – also rund zwei Drittel. Damit bezahlt sie die Ladenkosten und die Löhne – der Rest ist Reingewinn. Anderen Detailhändlern, die in den dem K-Tipp vorliegenden Unterlagen nicht konkret genannt sind, verkaufte die Lattesso-Herstellerin den fertigen Cappuccino sogar für nur 66,5 Rappen.
Die Migros sagt dem K-Tipp, der Einkaufspreis von 80 Rappen habe «mit der Realität nichts zu tun». Die Migros habe einen höheren Einkaufspreis von durchschnittlich Fr. 1.30 bezahlt. Die Migros bezahlte mit der Differenz zwischen ihrem Verkaufspreis und dem Einkaufspreis zudem nicht bloss die Ladenkosten und die Löhne, sondern auch die Kosten für Logistik, Verkaufspromotionen, Marketing, Mehrwertsteuer, Abschreibungen und Beiträge an das Kulturprozent. Und Coop schreibt, die Zahlen des K-Tipp seien «nicht nachvollziehbar».
Schweizer Aufschläge konkurrenzlos hoch
Auch die Lattesso-Herstellerin Cremo wollte die Zahlen, die dem K-Tipp vorliegen, nicht kommentieren. Begründung: Bei der Preiskalkulation handle es sich um ein Geschäftsgeheimnis. Und weiter: «Die Daten bilden nicht die aktuelle Situation ab.»
Die Marge der Schweizer Detailhändler von 66 Prozent auf Lattesso sind international konkurrenzlos. Zum Vergleich: In Frankreich betrug sie bei Milchprodukten laut dem Observatorium für Preisbildung und Margen im Jahr 2020 nur gerade rund 24 Prozent.