«Kampagne ist eine Farce»
Die Zigaretten-Lobby propagiert ein «freiwilliges Verkaufsverbot» an unter 16-Jährige. Doch die Kampagne ist reine Imagewerbung, wie eine K-Tipp-Stichprobe zeigt.
Inhalt
K-Tipp 15/2004
22.09.2004
Andreas Valda - redaktion@ktipp.ch
Grosse Lettern in Inseraten der Tabakindustrie und des Handels verkünden: «Ich verkaufe Zigaretten. Aber nicht an unter 16-Jährige!» Unter dem Signet «Ok?» ist diese Aussage in grossen Zeitungen erschienen. Daneben ein Foto von Kioskverkäuferin Ursula Sacchi. Sie ist Mitinhaberin des Kioskes am Lindenplatz in Zürich-Altstetten. «Wenn ich nicht sicher bin, wie alt ein junger Kunde ist, verlange ich einen Ausweis. Das hat bis heute gut geklappt», verspricht sie im Inserat.
...
Grosse Lettern in Inseraten der Tabakindustrie und des Handels verkünden: «Ich verkaufe Zigaretten. Aber nicht an unter 16-Jährige!» Unter dem Signet «Ok?» ist diese Aussage in grossen Zeitungen erschienen. Daneben ein Foto von Kioskverkäuferin Ursula Sacchi. Sie ist Mitinhaberin des Kioskes am Lindenplatz in Zürich-Altstetten. «Wenn ich nicht sicher bin, wie alt ein junger Kunde ist, verlange ich einen Ausweis. Das hat bis heute gut geklappt», verspricht sie im Inserat.
K-Tipp machte die Probe aufs Exempel und schickte den 14-jährigen Marcel an besagten Kiosk, um Zigaretten zu kaufen. Sacchi stand daneben, als ihm eine andere Verkäuferin ein Pack Marlboro aushändigte. «Sie fragte mich nicht nach einem Ausweis», stellt Marcel fest.
Innerhalb von Minuten zweimal Zigis verkauft
Der K-Tipp wollte von Sacchi wissen, warum man sein Alter denn nicht überprüft habe. «Das Alter abzuschätzen ist extrem schwierig», rechtfertigt die Kioskchefin das Verhalten ihrer Mitarbeiterin. Der Jugendliche habe laut Mitarbeiterin «recht alt ausgesehen», sodass man nicht nach dem Ausweis gefragt habe. So gewarnt, schickte K-Tipp zwei Minuten später die 15-jährige Jenniffer los, um bei derselben Verkäuferin Zigaretten zu holen. Wiederum bekam sie ein Päckchen - ohne einen Ausweis zu zeigen.
In der Schweiz gibt es für die Abgabe von Zigaretten keine gesetzliche Altersbeschränkung - anders als beim Alkohol. Bei der «Ok?»-Kampagne wird eine «freiwillige» Limite von 16 Jahren propagiert.
K-Tipp schickte deshalb sechs 13- bis 15-Jährige an 65 Verkaufsstellen in Zürich und Umgebung sowie Winterthur. Das Resultat: An 42 Orten konnten sie problemlos Zigaretten erstehen.
- «K Kioske»: Die Kioske der Valora-Gruppe verkauften an 25 Orten Zigaretten, davon einmal, obwohl die Testperson explizit gesagt hatte, sie sei erst 15-jährig; 7-mal wurde der Verkauf verweigert.
- Detailhandel: Coop, Pick Pay, Primo und Spar verkauften den Jugendlichen an 11 Orten Zigaretten; 4-mal gabs keine.
- Tankstellenshops: An 5 Orten erhielten die unter 16-Jährigen Zigaretten, an einer Stelle nicht.
- Tabakladen mit «Ok?»-Täfelchen: Hier erhielt ein 14-Jähriger problemlos Glimmstängel.
Fazit: In 78 Prozent der Testkäufe wurden trotz hehrer «Ok?»-Versprechungen Tabakwaren ausgehändigt.
Doch die einfachste Möglichkeit, an Zigaretten zu kommen, sind die rund 17 000 Automaten in Restaurants und die nicht überwachten Selecta-Automaten an öffentlichen Orten.
Goodwill schaffen und Verkauf anheizen
«Wir wissen, dass wir einen Verkauf an unter 16-Jährige nicht verhindern können», sagt Hanspeter Mohler, Leiter von Selecta. Die Teilnahme an der Kampagne habe deshalb rein «informative Gründe». Der Vorsitzende von Restomat und Herr über 8500 Automaten, Markus Wehrli, meint lapidar: «Ein Verbot wird das Problem des Rauchens von Jugendlichen nicht lösen.»
Janine Messerli von der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) ortet hinter der «Ok?»-Kampagne in erster Linie eine Image-Aktion: «Dies ist umso stossender, als die Produzenten ihre Werbestrategie klar auf die Jugendlichen ausrichten.»
SP-Ständerätin Simonetta Sommaruga wird noch deutlicher: «Die Kampagne ist eine Farce.» Die K-Tipp-Stichprobe mache deutlich, dass es der Zigarettenindustrie und dem -handel einzig und allein darum gehe, Goodwill zu schaffen und den Verkauf anzuheizen statt effizienten Jugendschutz zu betreiben.
Ist es der Zigarettenindustrie ernst, mit dem Verkaufsverbot an unter 16-Jährige? Glauben Sie, dass die Tabakfirmen den Verkauf an Jugendlich tatsächlich einschränkt? Uns interessiert Ihre persönliche Meinung. Antworten Sie bitte auf www.ktipp.ch.