Ob nach dem Frühstück, beim Mittagskaffee oder beim Kochen am Abend: Wer einen Telefonanschluss besitzt, ist zu kaum einer Tageszeit gegen Werbeanrufe gefeit. «Ich habe schon verschiedene Strategien ausprobiert», sagt Timna Henchoz aus Bern. «Ich habe das Telefon nicht abgenommen oder habe gleich wieder aufgelegt; ich habe den Hörer ans Radio gehalten und die Lautstärke voll aufgedreht - mit nichts liessen sich die Anrufer abschütteln.»
Zusatzinfos machen Adressen wertvoll
Besonders ärgerlich: Hinter Timna Henchoz' Eintrag im Telefonverzeichnis steht ein Stern; das heisst, sie wünscht keine Telefonwerbung. Jedoch - so Martin Lüthi von Swisscom Directories AG: «Das Verzeichnis ist öffentlich, und man kann es missbrauchen. Wir können nicht verhindern, dass ein Sterneintrag missachtet wird.»
Und ausserdem: Für ihre Direktmarketing-Aktionen stützen sich Firmen laut Lüthi kaum mehr nur auf das offizielle Telefonverzeichnis, sondern sie beziehen ihre Informationen von professionellen Adresshändlern. Deren Vorteil:
Sie liefern nicht nur eine simple Anschrift und eine Telefonnummer, sie verfügen auch über Zusatzinformationen wie etwa Alter, Geschlecht, Familienverhältnisse, Einkommen, Beruf und sogar Konsumverhalten.
Daraus mixen Marketingspezialisten je nach Produkt, das verkauft werden soll, die optimale Adressenliste zusammen.
Von PC-Programmen durchleuchtet
Je vollständiger das Bild einer Person, desto wertvoller ihre Adresse. Ein guter Kontakt wird bis zu 200 Mal pro Jahr weitergegeben. «Eine Adresse ohne Eigenschaften», erklärt Jakob Nef vom Schweizerischen Direktmarketing-Verband, «hat praktisch keinen Wert.»
Was den Datenschützern dabei zunehmend Sorgen bereitet: Mit Hilfe äusserst leistungsfähiger Computerprogramme, mit mathematischen, statistischen Methoden, können Marketingspezialisten in der Riesenmenge der gesammelten Daten Informationen kombinieren und so zu neuen Schlüssen über die potenzielle Kundschaft kommen.
Doch wie kommen die Adresshändler zu all den Daten? «Der Konsument vergisst meistens, dass er überall Spuren hinterlässt», sagt Jakob Nef. Etwa, wenn er ein E-Mail-Konto eröffnet, an einem Wettbewerb oder Weiterbildungskurs teilnimmt, eine Zeitung abonniert oder einen Katalog bestellt.
Direktmarketing, ein Milliardengeschäft
Die Informationen zu seiner Person werden gesammelt, verkauft und zu Werbezwecken benutzt. Direktmarketing ist ein Riesengeschäft: Letztes Jahr setzte die Branche 3,7 Milliarden Franken um.
Wer sich gegen die Werbeflut wehren will, dem rät Hanspeter Thür, von seinen Rechten Gebrauch zu machen: «Rechte, die der Einzelne gemäss meinen Feststellungen viel zu wenig in Anspruch nimmt.»
Werbung retournieren und Adresse sperren lassen
So wehren Sie sich gegen lästige Werbung per Post und Telefon:
- Verlangen Sie bei Directories (Tel. 0848 868 086) einen Stern-Eintrag im Telefonverzeichnis.
- Wenn Sie trotz des Sterns unerwünschte Werbung erhalten: Fragen Sie den Anrufer nach der Adresse des Auftraggebers und schreiben Sie diesem, dass Sie keine Werbung wünschen (Kopie von Pass oder ID beilegen). Achtung: Es gibt Firmen, die angeblich eine Umfrage zu einem bestimmten Thema durchführen wie etwa Sicherheit oder Sprachkenntnisse, dabei wollen sie Ihnen eine Alarmanlage oder einen Kurs verkaufen.
- Lassen Sie Ihre Adresse für Werbezwecke beim Schweizerischen Verband für Direktmarketing sperren (SDV-Robinsonliste, Postfach, 6343 Rotkreuz, www.dmverband.ch).
- Schicken Sie unerwünschte Werbeschriften an den Absender zurück mit dem Vermerk «Ich untersage die Verwendung meiner Adresse zu Werbezwecken».
- Bringen Sie diesen Vermerk jedes Mal an, wenn Sie Angaben zu Ihrer Person machen, zum Beispiel bei Wettbewerben, Bestellungen von Produkten oder Infomaterial, beim Buchen von Weiterbildungskursen, Vereinsbeitritten etc.
- Schreiben Sie Ihrer Gemeindeverwaltung, dass Sie einen Verkauf Ihrer Adresse nicht wünschen.