Kampf gegen Raser: Vom Sünder zum Kriminellen
Inhalt
K-Tipp 17/2004
20.10.2004
Hansjörg Utz; Redaktionsleiter «Kassensturz»
Für die Raser auf unseren Strassen wird es eng: Die ersten Gerichte ziehen Autos als Tatwaffe ein. Bundesrat Moritz Leuenberger denkt in Interviews laut über Präventivhaft für Unverbesserliche nach. Und ab nächstem Jahr können die Behörden notorischen Wiederholungstätern den Führerausweis für mehrere Jahre entziehen, im Extremfall gar auf Lebzeiten.
Da ist etwas passiert - vor allem in den Köpfen. Bis vor kurzem galten Geschwindigkeitsexzesse als reines Kavaliersdelikt. Auto-Po...
Für die Raser auf unseren Strassen wird es eng: Die ersten Gerichte ziehen Autos als Tatwaffe ein. Bundesrat Moritz Leuenberger denkt in Interviews laut über Präventivhaft für Unverbesserliche nach. Und ab nächstem Jahr können die Behörden notorischen Wiederholungstätern den Führerausweis für mehrere Jahre entziehen, im Extremfall gar auf Lebzeiten.
Da ist etwas passiert - vor allem in den Köpfen. Bis vor kurzem galten Geschwindigkeitsexzesse als reines Kavaliersdelikt. Auto-Politiker schwafelten in diesem Zusammenhang von Bussen, mit denen der Staat seine Kasse füllt. Medien hielten es für angebracht, den Schnellfahrern Tipps zu geben, wie sie die Radarkontrollen am einfachsten austricksen konnten.
Der Sprachgebrauch war entsprechend: Als Temposünder ging auch einer durch, der mit 80 durchs Quartier blochte. Solange es nicht zu einem Unfall kam, setzte es für ihn nur eine - lächerlich geringe - Geldbusse ab. Wer mit übersetztem Tempo einen Menschen zu Tode fuhr oder zum Invaliden machte, kam regelmässig mit einer bedingten Gefängnisstrafe und zwei, drei Monaten Ausweisentzug davon. Kurz: Selbst der schlimmste Raser konnte auf milde Richter hoffen, die Automobilisten fühlten sich zum Risiko richtiggehend animiert.
«Freie Fahrt für Raser»: So fasste der K-Tipp im Jahr 1991 die damalige Rechtspraxis zusammen. Und kommentierte: «Richter machen sich mitschuldig.» Die Toleranz, die Schweizer Richter in den 90er-Jahren bei Verkehrsdelikten an den Tag legten, war erstaunlich und wohl nur psychologisch zu erklären: Die Richter hatten stets im Hinterkopf, dass ihnen dieser «Lapsus» auch passieren könnte.
Jetzt hat der Wind gedreht. Die Justiz behandelt die extremen Raser als das, was sie sind - als Kriminelle im Besitze einer Tötungsmaschine.
Sehen wir es positiv: Auch die Justiz ist fähig umzudenken. Nur dauert es manchmal etwas länger.