Kartoffeln: Krebsrisiko höher als vermutet
Weil fast alle Kartoffeln der Ernte 2003 kalt gelagert wurden, enthalten sie zu viel Zucker. Folge: Beim Zubereiten entstehen grosse Mengen krebsverursachendes Acrylamid.
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K-Tipp 1/2004
14.01.2004
Patrick Gut - pgut@ktipp.ch
Der Berner Kantonschemiker Urs Müller findets «erschreckend und erschütternd»: In der Schweiz sind möglicherweise bis zu 1000 Krebsfälle pro Jahr auf Acrylamid zurückzuführen. Diese Befürchtung beruht auf Zahlen, welche das Bundesamt für Gesundheit (Bag) zusammengetragen hat. «Wenn das zutrifft, müsste Acrylamid in Lebensmitteln zu den gefährlichsten Schadstoffen überhaupt gezählt werden», sagt Müller.
Besonders hohe Acrylamid-Dosen fallen beim Genuss von Rösti, ...
Der Berner Kantonschemiker Urs Müller findets «erschreckend und erschütternd»: In der Schweiz sind möglicherweise bis zu 1000 Krebsfälle pro Jahr auf Acrylamid zurückzuführen. Diese Befürchtung beruht auf Zahlen, welche das Bundesamt für Gesundheit (Bag) zusammengetragen hat. «Wenn das zutrifft, müsste Acrylamid in Lebensmitteln zu den gefährlichsten Schadstoffen überhaupt gezählt werden», sagt Müller.
Besonders hohe Acrylamid-Dosen fallen beim Genuss von Rösti, Pommes frites, Bratkartoffeln und Pommes Chips an. Dabei gilt:
Je mehr Zucker (Fruktose und Glukose) in der Kartoffel, desto mehr Acrylamid entsteht bei der Zubereitung (siehe Kasten).
Der K-Tipp wollte wissen, wie viel Fruktose und Glukose rohe Kartoffeln enthalten. Anfang Dezember wurden in Basel, Bern, Luzern, St. Gallen und Zürich 52 Kartoffelproben eingekauft.
Das Zürcher Labor Veritas hat die Kartoffeln auf ihren Zuckergehalt analysiert. Resultat: Nur gerade eine einzige Probe - Bintje von Spar in Zürich - genügt mit einem Zuckergehalt von 0,7 Gramm pro Kilo der Empfehlung des Zürcher Kantonslabors (maximal 1 g). Die Durchschnittswerte liegen je nach Sorte zwischen 3,4 g und 14,9 g Zucker pro
Kilo (siehe Tabelle).
Diese Saison ist die Lage hoffnungslos
«Praktisch keine der Proben ist für Rösti, Bratkartoffeln und Pommes frites wirklich geeignet», bringts Konrad Grob, Acrylamid-Spezialist des Zürcher Kantonslabors, auf den Punkt. Sie lassen viel zu viel Acrylamid entstehen. Grob fügt hinzu: «Die Situation ist für diese Saison nicht mehr zu retten, weil die Kartoffeln kalt eingelagert worden sind.»
Für Grob ist das Resultat «enttäuschend»: Immerhin hat das Kantonslabor bereits im September 2002 den Zusammenhang zwischen zu kalter Lagerung und der Bildung von Acrylamid gezeigt und entsprechende Empfehlungen herausgegeben.
Dass hohe Zuckergehalte vermeidbar sind, zeigen die gemessenen Vergleichswerte der ETH und des Kantonslabors im Dezember 2002 (siehe Tabelle). Und auch mit Kartoffeln der neuen Ernte lassen sich gute Werte erzielen. So hat das Kantonslabor bei Agria-Kartoffeln aus dem eigenen Keller 0,26 g Zucker pro Kilo gemessen.
Die Branchenorganisation Swisspatat wehrt sich gegen den Vorwurf, das Problem verschlafen zu haben: «Aktuell laufen Versuche mit höheren Lagertemperaturen»,
sagt Geschäftsführer Donat Schneider. Daraus würden sich für die Saison 04/05 konkrete Weisungen ergeben.
Leidtragende sind einmal mehr die Konsumentinnen und Konsumenten. Wollen sie sich nicht mit Acrylamid belasten, müssen sie auf Rösti, Pommes frites und Bratkartoffeln verzichten und sich mit Kartoffelgerichten wie Gschwellti, Salzkartoffeln und Kartoffelstock begnügen. Wenns trotzdem mal geröstete, gebackene oder frittierte Kartoffeln sein sollen, hält man sich am besten an die Sorten Agria und Bintje, die im Schnitt die tiefsten Zuckerwerte haben.
Tiefgekühlte Pommes frites sind gesünder
Fertig-Rösti aus dem Beutel ist weniger belastend als solche aus den derzeit erhältlichen frischen Knollen: Die Hersteller haben nämlich geeignete Sorten gewählt und die Kartoffeln nicht kalt gelagert. Zudem werden rohe Kartoffeln erst geraffelt und dann im Wasser gekocht, was den Zuckergehalt reduziert. Wie das «Pilotprojekt Pommes frites» des Zürcher Kantonslabors gezeigt hat, sind auch die vorfrittierten und tiefgekühlten Pommes frites nur gering mit Acrylamid belastet.
So kommen Sie mit möglichst wenig Acrylamid zum Kartoffelgenuss
Der Zuckergehalt in den Kartoffeln ist der eine Faktor, welcher den Acrylamid-gehalt bestimmt, die Zubereitung der andere.
Lagerung: Kartoffeln für Rösti, Pommes frites und Bratkartoffeln nicht im Kühlschrank aufbewahren, in kleineren Mengen einkaufen und innert 14 Tagen konsumieren. Kartoffeln aus dem Kühlschrank nur für Gerichte wie Kartoffelstock und Gschwellti verwenden.
Zubereitung:
Rösti
- Nicht mit Öl geizen.
- Lieber länger und dafür weniger heiss (auf mittlerer Hitze) braten.
- Nicht aufmischen: braten und einmal drehen.
- Nicht dunkel braten, sondern gleichmässig hell.
Bratkartoffeln aus der Pfanne: siehe Rösti-Regeln.
Ofen-Kartoffeln
- In Würfel oder Scheiben schneiden; mit Öl bepinseln.
- Auf Backpapier mit Umluft auf 180 bis 190°, ohne Umluft 20° höher erhitzen.
- Bei minimaler Knusprigkeit aus dem Ofen nehmen.
Pommes frites
- Diese Saison sollte man ausschliesslich vorgefertigte Tiefkühlprodukte verwenden.
- Nicht mehr als 100 g Kartoffeln pro Liter Öl in die Friteuse geben und bei 170° frittieren, bis die Spitzen leicht gebräunt sind.
- Stehen ab Saison 04/05 Kartoffeln mit tieferem Zuckergehalt zur Verfügung: Tipps auf www.klzh.ch und www.belvoirpark.ch beachten.
Kartoffeln bei 8 bis 10 Grad lagern
Acrylamid verursacht Krebs. Hauptquellen sind Rösti, Pommes frites, Bratkartoffeln und Chips. Weitere Quellen sind Backwaren wie Lebkuchen und Knäckebrot, gewisse Müesli und Müesliriegel sowie Kaffee.
Das Zürcher Kantonslabor und die Zürcher Hotelfachschule Belvoirpark haben nun den Zusammenhang zwischen dem Fruktose-/ Glukose-Gehalt in Kartoffeln und Acrylamidbildung untersucht.
Resultat: Brät man aus 1 kg Kartoffeln mit einem Zuckergehalt von 1 g eine knusprige Rösti, entstehen bei optimierter Zubereitung 500 Mikrogramm (µg) Acrylamid. Für 250 g Kartoffeln sind das 125 µg Acrylamid. Mit einer einzigen solchen Rösti pro Woche verdoppelt sich die Acrylamidmenge, die man aus allen anderen Quellen zu sich nimmt.
Aufgrund des hohen Zuckergehalts in den aktuell erhältlichen Kartoffeln ist mit Acrylamidgehalten von 500 bis 1500 µg pro Portion Rösti zu rechnen. Dies sogar bei einer sehr sorgfältigen Zubereitung.
Der Zuckergehalt ist abhängig von der Kartoffelsorte und stärker noch von der Lagertemperatur: Bei 4° steigt der Zuckergehalt bereits nach wenigen Tagen stark an. Kartoffeln zum Rösten, Backen und Frittieren sollten deswegen nicht unter 8 bis 10° eingelagert werden.