Nahrungsmittel der Zukunft»: So und ähnlich lauteten die Schlagzeilen, als im Mai vergangenen Jahres Insekten als Lebensmittel in der Schweiz zugelassen wurden. Erlaubt sind Grillen, europäische Wanderheuschrecken und Mehlwürmer. Die Tiere enthalten viel Protein, und ihre Aufzucht gilt als ökologisch nachhaltiger als die traditionelle Fleischproduktion.
Doch bis auf Coop hat heute kein Grossverteiler Insekten im Angebot. Coop führt sie auch nur gerade in 50 von 900 Supermärkten. Und das Personal weiss nicht einmal Bescheid. Als der K-Tipp im Berner Bahnhof-Coop nach Insekten fragte, wurde er in die drei Kilometer entfernte Wankdorf-Filiale verwiesen. Dabei gäbe es in der To-go-Filiale einen Stock höher Grillen-Riegel. Und das volle Sortiment im Ryfflihof gleich über die Strasse. Aber was heisst schon volles Sortiment? Coop führt ein Jahr nach Zulassung der Insekten lediglich drei Produkte:
Burger mit einem Mehlwurmanteil von 31 Prozent. Der Preis: 53 Franken pro Kilo.
Fleischbällchen mit 24 Prozent Mehlwürmern – ebenfalls zu 53 Franken.
Riegel mit nur gerade 10 Prozent Grillen – zu einem Kilopreis von 103 Franken.
Im Riegel hat es vor allem Früchte
Die Produkte sind – vorsichtig ausgedrückt – eine Enttäuschung. Die Burger und Fleischbällchen sind so penetrant gewürzt, dass vom angeblich «feinen nussigen Aroma» der Mehlwürmer nichts zu spüren ist. Und der Riegel schmeckt vor allem nach Früchten. Sie machen fast 90 Prozent des Produkts aus.
Warum soll ein Kunde einen derart hohen Preis für Insekten zahlen, wenn er sie weder sehen, spüren noch schmecken kann? Und warum soll er für Produkte, die zu einem grossen Teil aus billigen Zutaten wie Reis, Kichererbsen, Mehl oder Äpfeln bestehen, einen Kilopreis von 53 bis 103 Franken bezahlen?
Coop selber spricht von einer «grossen Nachfrage» und zeigt sich «sehr zufrieden mit den Verkäufen». Der K-Tipp gewann bei mehreren Augenscheinen in drei Berner Filialen einen anderen Eindruck. Bei beiden Besuchen im Ryfflihof – immerhin Berns grösste Innenstadtfiliale – lagen Insektenlebensmittel in den Regalen, die schon seit ein paar Tagen abgelaufen waren. Der absolute Renner scheinen sie nicht zu sein.
Kein Wunder, dass die Konkurrenten keine Insekten als Lebensmittel führen. Bei Migros und Lidl heisst es auf Anfrage, man verfolge das Thema mit Interesse. Aldi, Denner und Spar konzentrieren sich nach eigenen Angaben lieber auf stark nachgefragte Produkte. Deutlicher äussert sich Globus: «Wir stehen für Genuss und Erlebnis. Somit passen Insekten nicht in unser Konzept.» Volg schreibt: «Insekten passen nicht in unser Sortiment für den täglichen Bedarf.»
Manor hingegen will Insekten «als Apéro oder Snack in getrockneter und würziger Form» ins Sortiment aufnehmen. Der Zeitpunkt steht noch nicht fest.