Kein Grund zur Hysterie
Das trockene, warme Wetter begünstigt Wespen, Borkenkäfer und andere Schädlinge. Die Zahl der Zecken aber hat sich im ersten Quartal halbiert. Vorsicht ist dennoch am Platz.
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K-Tipp 10/2007
23.05.2007
Susanne Rufer
Hitze führt zu neuem Zeckenrekord» oder «Enzephalitis-Epidemie droht»: Seit Wochen überbieten sich die Medien mit Schlagzeilen und Horrorszenarien wegen einer möglichen Zeckenepidemie. Kein Wunder, macht sich Unsicherheit breit - und auch Behörden reagieren nervös: Der Schulärztliche Dienst der Stadt Zürich bot allen Schülern kostenlos eine Impfung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) an, obwohl das Bundesamt für Gesundheit (BAG) das Gebiet der Stadt Zürich explizit als nich...
Hitze führt zu neuem Zeckenrekord» oder «Enzephalitis-Epidemie droht»: Seit Wochen überbieten sich die Medien mit Schlagzeilen und Horrorszenarien wegen einer möglichen Zeckenepidemie. Kein Wunder, macht sich Unsicherheit breit - und auch Behörden reagieren nervös: Der Schulärztliche Dienst der Stadt Zürich bot allen Schülern kostenlos eine Impfung gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) an, obwohl das Bundesamt für Gesundheit (BAG) das Gebiet der Stadt Zürich explizit als nicht gefährlich eingestuft hat.
Dass sich die Zecken dieses Jahr wegen des warmen, trockenen Winters und Frühlings stark vermehrt hätten, trifft aber laut Lise Gern, Leiterin des epidemiologischen Labors der Universität Neuenburg, nicht zu - im Gegenteil. Seit elf Jahren überwacht sie Zeckenpopulationen. «Wenn es zu trocken und zu heiss ist, gedeihen die Zecken weit weniger gut.»
Im extrem warmen und trockenen April wurden laut Gern nur halb so viele Zecken gezählt wie im Vorjahr. Auch sei nicht mit extremer Vermehrung zu rechnen, selbst wenn das Wetter noch umschlagen sollte. Und die Panik vor der deutlich grösseren Auwaldzecke - in diversen Medien als «Monsterzecke» bezeichnet - ist für die Wissenschaftlerin unbegründet. «Diese Zeckenart wurde bereits im Jahr 1964 in der Schweiz beobachtet - sie ist aber sehr selten und die Gefahr somit sehr gering», erklärt Gern.
Für breite Entwarnung ist es dennoch zu früh: Laut BAG sind 2006 259 Menschen an FSME erkrankt. 2005 waren es 204, von 1999 bis 2004 wurden im Schnitt jährlich rund 100 Fälle registriert. Vor der Viruserkrankung, die zu Hirnhautentzündung und in seltenen Fällen sogar zum Tod führt, kann man sich mit einer Impfung schützen. Die Impfstoffhersteller schätzen, dass sich in diesem Jahr rund 350 000 Personen impfen lassen. 2005 warens «nur» 50 000.
Trotz allem schränkt das BAG ein: Impfen lassen sollten sich nur Erwachsene und Kinder ab sechs Jahren, die in einem Risikogebiet wohnen oder sich dort regelmässig aufhalten. Zum Beispiel OL-Läufer, Pilzsammler, Förster und Jäger. Kinder unter sechs Jahren infizieren sich sehr selten.
So schützen Sie sich gegen Zeckenbisse
- Auf hellen Kleidern sieht man Zecken besser.
- Gut deckende Kleider und geschlossene Schuhe tragen. Hemden in die Hosen und Hosenenden in die Socken stecken.
- Kleider, Schuhe und Körperteile, die in Berührung mit Gras und Gebüsch kommen, mit einem Antizeckenspray besprühen.
- Gehen Sie auf möglichst breiten Wegen. Vermeiden Sie die Berührung mit Gras und Gebüsch.
- Kontrollieren Sie während und nach dem Waldaufenthalt Kleider und unbedeckte Körperteile. Zecken beissen sich nicht sofort fest.
- Suchen Sie zu Hause den ganzen Körper ab. Zecken saugen sich vor allem dort fest, wo die Fleischschicht dünn, feucht und weich ist (Leisten, Knie, Hals). Kontrollieren Sie die Köpfe der Kinder genau! Zecken mit einer feinen Pinzette entfernen - nie mit Öl. Bissstelle gut desinfizieren.
Liste der Risikogebiete sowie weitere Infos unter www.zecken.ch und www.bag.admin.ch (> Thema Krankheiten).
Die Fakten
- FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis): Rund ein Prozent der Zecken tragen das Virus. Bei 70 bis 90 Prozent der Infizierten verläuft die Infektion unbemerkt, weil die grippeähnlichen Symptome bald verschwinden. In den anderen Fällen drohen Hirnhautentzündung und Lähmungen. Medikamente gibt es keine. Nur eine Impfung bietet Schutz.
- Lyme-Borreliose:
Je nach Gebiet tragen 5 bis 50 Prozent der Zecken das Bakterium. Nicht alle Zeckenbisse übertragen es. Es gibt keine Impfung. Bei Lyme-Borreliose helfen Antibiotika. Bei Rötungen zum Arzt gehen.