Keine Badewonnen für Kids
In den Sommerferien prüfte der K-Tipp die Wasserqualität in Freibädern. Und kam zu ähnlich unappetitlichen Resultaten wie vor drei Jahren: Zu viele Harnstoffe und Keime. Ein Planschbecken wurde sofort gesperrt.
Inhalt
K-Tipp 13/2006
23.08.2006
Martin Arnold - redaktion@ktipp.ch
Die Pressemitteilung der Stadt Arbon TG lautete: «Gemäss der Untersuchung des K-Tipp wurde eine erhöhte Konzentration von Bakterien festgestellt, die eine Gesundheitsgefährdung bei badenden Kindern nicht ausschliessen lässt.»
Tatsächlich hatte der K-Tipp im Juli im Planschbecken des Strandbades Arbon Wasserproben genommen und ins Labor geschickt. Die Gesamtzahl lag bei 80 000 Keimen pro Milliliter - der Toleranzwert beträgt 1000 Keime! Unter den unzähligen Keimen können ...
Die Pressemitteilung der Stadt Arbon TG lautete: «Gemäss der Untersuchung des K-Tipp wurde eine erhöhte Konzentration von Bakterien festgestellt, die eine Gesundheitsgefährdung bei badenden Kindern nicht ausschliessen lässt.»
Tatsächlich hatte der K-Tipp im Juli im Planschbecken des Strandbades Arbon Wasserproben genommen und ins Labor geschickt. Die Gesamtzahl lag bei 80 000 Keimen pro Milliliter - der Toleranzwert beträgt 1000 Keime! Unter den unzähligen Keimen können sich Krankheitserreger breitmachen - zum Beispiel Salmonellen -, die zu Durchfall, Erbrechen und Fieber führen können. Nachdem der K-Tipp den Betreiber der Arboner Badi mit diesen Zahlen konfrontiert hatte, wurde die Anlage umgehend geschlossen.
Der K-Tipp hatte bereits im Hitzesommer 2003 in diversen Schwimmbädern die Wasserqualität getestet und stellte auch dieses Jahr in 15 Kinderbecken fest (siehe Tabelle): Noch immer ist vielerorts das Wasser nicht so, wie es sein sollte. Die meisten Bäder haben mit der Harnstoffkonzentration zu kämpfen.
Wie schon 2003 untersuchte das Institut Bachema in Schlieren ZH die Wasserproben auf Urin (Harnstoffe), auf die Gesamtkeimzahl und auf Fäkalbakterien.
Schlechte Werte bei der Keimzahl und den Fäkalbakterien sind ein Hinweis, dass die technische Desinfektion nicht funktioniert. Während für die allgemeine Verkeimung ein Toleranzwert von 1000 pro Milliliter gilt, darf es überhaupt keine Fäkalbakterien im Wasser haben. Beim ebenfalls untersuchten Harnstoff liegt der Richtwert bei 2 Milligramm pro Liter.
Bei zu wenig Chlor bilden sich Keime
Verantwortlich für die Sauberkeit in Schwimmbädern sind die Badmeister. Sie müssen am Morgen jeweils abschätzen, wie viele Badegäste zu erwarten sind. Kein einfaches Unterfangen: Bei grossem Andrang müssen sie die Chlorkonzentration erhöhen. Denn zu wenig Chlor ermöglicht eine Verkeimung des Wassers. Andererseits wandelt sich zu viel Chlor mit den Harnstoffen, Haaren und Schuppen in Chloramine um - und in geringen Mengen auch in Chloroform. Dies reizt Augen, Haut und Atmungsorgane.
Chloroform wurde früher als Narkosegas eingesetzt, führt aber zu Leber- und Nierenschäden und kann Herzkammerflimmern verursachen. Ausserdem gibt es Hinweise, dass es das Darm- und Blasenkrebsrisiko erhöht.
Wie schon bei der ersten K-Tipp-Stichprobe haben auch dieses Mal viele Bäder - darunter einige der damals geprüften - Probleme mit dem Einhalten der Richtwerte beim Harnstoff. Konkret: 9 der 15 Bäder hatten mehr als zwei Milligramm Harnstoff pro Liter in ihrem Wasserbecken. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam das Kantonale Labor Zürich, das im Juli in zwei Dritteln aller untersuchten Schwimmbecken jeweils bis zu 200 Liter Urin im Wasser festgestellt hatte.
In der K-Tipp-Stichprobe wurde im Schwimmbad Schachen in Aarau wie schon 2003 ein sehr hoher Harnstoffwert gemessen (siehe Tabelle). Die nachgewiesenen 5 Milliliter pro Liter Wasser entsprechen etwa zwei Deziliter Urin in einer Badewanne.
Erst duschen, dann baden
Schachen-Chefbademeister René Hächler hatte am 19. Juli, dem Tag der Untersuchung, nach eigenen Angaben 302 000 Liter Frischwasser in sein Bad gespült. Das waren umgerechnet 120 Liter pro Badegast, also das Vierfache der empfohlenen SIA-Norm. Das Nachspülen mit Frischwasser gilt noch immer als die effizienteste Methode, um Harnstoff- und Bakteriengehalt in den Griff zu bekommen.
Dass trotzdem so grosse Harnmengen im Wasser zu finden sind, erklärt Hächler so: «Ich schätze, dass höchstens ein Drittel aller Badegäste eine Dusche benützt.» Hächler ärgert sich zudem, dass vor allem männliche Jugendliche Sport treiben und dann ungeduscht den Köpfler ins Wasser machen. Denn Urin gelangt auch via Schweiss ins Wasser.
Die enormen Frischwassermengen gehen laut Alex Inglin, Chefbadmeister im Freibad an der Aare in Solothurn, ins Geld: «Wir geben dafür bis zu 3000 Franken täglich aus.»
Für Hansueli Nievergelt, Chefbadmeister in Olten und Präsident des Schweizerischen Badmeister-Verbandes, besteht Handlungsbedarf: «Wir starten nächstes Jahr eine Kampagne, die das Duschen propagiert.»