Sie waren bisher selbstverständlich: Billettautomaten, die Bargeld annehmen. Doch die Berner Bahngesellschaft BLS will diese Automaten abschaffen. Seit März stehen am Hauptbahnhof Bern sowie an den Bahnhöfen Spiez BE, Belp BE und Niederscherli in Köniz BE Geräte, an denen Bahnreisende nur noch mit Kredit- oder Debitkarte zahlen können. Oder mit den Handybezahldiensten Apple Pay, Google Pay oder Twint. Billette, die über 80 Franken kosten, können nur mit Apple Pay, Google Pay oder Twint gekauft werden.
Bargeldlos zahlen geht ins Geld
BLS spricht von einem Test. Mit den neuen Automaten könne man Geld sparen, weil sie weniger geleert werden müssen. Allerdings müssen auch die bargeldlosen Automaten mit Papier gefüllt werden.
Was BLS nicht sagt: Bargeldlose Zahlungen sind teuer. Kreditkartenherausgeber kassieren in der Regel 2,2 bis 2,55 Prozent des Kaufbetrags (K-Geld 1/2021). BLS nimmt mit den Automaten gemäss eigener Angabe rund 20 Millionen Franken jährlich ein. Das heisst: Würden alle mit Kreditkarten bezahlen, zwackten die Herausgeber jedes Jahr eine halbe Million Franken ab. Bei Twint beträgt die Gebühr 1,3 Prozent, Visa- und Maestro-Card kosten 0,95 und 0,49 Prozent zuzüglich 10 Rappen pro Zahlung. Bei Zahlung mit Google Pay und Apple Pay fallen die Gebühren der hinterlegten Kredit- oder Debitkarte an.
Nicht alle Billette sind erhältlich
Bei den Passagieren kommen die neuen Billettautomaten nicht gut an. Der K-Tipp stellte vor Ort fest: Kunden meiden die bargeldlosen Automaten grösstenteils. Und: Die Automaten drucken nicht alle bisherigen Billette aus. Mehrfahrtenkarten sind nicht erhältlich.
BLS kann die Barzahler fast beliebig schikanieren. Denn der Bund macht keine griffigen Vorgaben. Das Bundesamt für Verkehr verlangt zwar, dass die Zahlung mit Bargeld möglich sein muss. Aber: Ihm reichen einzelne bediente Bahnschalter, an denen Passagiere bar zahlen können.
Das heisst: Laut dem Bundesamt ist es zulässig, wenn bar zahlende Passagiere Billette nicht an ihrem Wohnort am Automaten kaufen können. Sie müssten zum Beispiel aus einem Vorort nach Bern reisen, um dort am Schalter Billette zu kaufen.
Nicht nur ÖV-Betriebe Cash-feindlich
Bahn- und Busbetriebe sind nicht die Einzigen, die ihren Kunden das Barzahlen austreiben wollen:
- Restaurants: Viele trendige Gastrobetriebe weisen heute Kunden mit Bargeld ab, zum Beispiel «Heidi & Tell», «Frau Gerolds Garten» oder das «Café Oberstrass» in Zürich.
- Kultur- und Kongresszentrum Luzern: Das KKL erklärte sich letzten August für «bargeldlos». Kunden müssen Konzerttickets und Essen in den Restaurants mit Karte zahlen. Der Vorwand: Bargeld sei unhygienisch.
- Swiss und Edelweiss: Die Airlines akzeptieren an Bord seit 2020 nur noch App- und Kartenzahlungen für Verpflegung und Getränke. Auch die Fluggesellschaften schieben Corona als Grund vor.
- Banken: Schalterschliessungen reduzieren die Möglichkeiten zum Bargeldbezug. Die Zürcher Kantonalbank hebt nächstes Jahr in der Hauptfiliale in Winterthur ZH sämtliche Bankschalter auf.
- Post: Angestellte drängen die Kunden zum Bargeldverzicht. Heben Kunden am Schalter Geld ab, müssen die Postmitarbeiter eine E-Banking-App empfehlen.
- Parkuhren: Die Gemeinde Grenchen SO halbierte 2018 die Zahl der Parkuhren, die Bargeld akzeptieren. Autofahrer sollen mit der Smartphone-App «Parkingpay» zahlen statt mit Münz.
Ältere Leute haben oft kein Smartphone
Die Folge dieser Geschäftspolitik: Die Betriebe liefern ihre Kunden den Kreditkartenfirmen aus. Herausgeber wie Visa und Mastercard können Karten jederzeit sperren oder die Ausstellung von Karten verweigern.
Ausgeschlossen werden auch Leute ohne Handy. Laut einer aktuellen Erhebung von Pro Senectute besitzt fast jeder dritte Rentner kein Smartphone. Sie können also nicht via Twint, Apple Pay oder Google Pay zahlen.
Auch Kinder können in der Regel nicht mit dem Smartphone bezahlen. Eine Sprecherin von Pro Juventute sagt: «Kinder unter 10 Jahren haben meistens kein Smartphone.»
Doch auch viele Jugendliche zahlen lieber bar. Zum Beispiel K-Tipp-Leser Marcus Cembranos aus Schlieren ZH. Er sagt: «Nur mit Bargeld habe ich meine Ausgaben gut im Griff.» Der 20-Jährige hebt jeweils zu Monatsbeginn 700 Franken ab. «Im Portemonnaie sehe ich immer sofort, wie viel Geld ich noch habe.» Cembranos hat auch eine Kreditkarte. Aber: «Wenn ich damit zahle, gebe ich zu viel Geld aus.»
Unbestritten ist, dass es bei Zahlungen mit Karte oder App schlecht um den Datenschutz bestellt ist. Kartenherausgeber, Banken und IT-Konzerne sammeln alle Zahlungsangaben und können damit ein detailliertes Profil jedes Kunden erstellen. Sie wissen genau, wer wann wo für welchen Betrag eingekauft hat. Mastercard verkaufte in der Vergangenheit solche Kundendaten sogar an den Suchmaschinendienst Google (K-Geld 5/2020).
Ikea gab bargeldlosen Betrieb wieder auf
Viele Kunden lassen sich Bargeldverbote nicht gefallen. Nespresso wollte eine Filiale in Winterthur ZH ab 2018 bargeldlos führen. Nach Beschwerden krebste die Firma zurück und nimmt seither wieder Bargeld an. Und Ikea testete 2019 in Zürich eine bargeldlose Filiale. Heute versichert die Firma: Alle Standorte akzeptieren weiterhin Bargeld.
Der Berner Test mit bargeldlosen Billettautomaten läuft noch bis mindestens Ende Juni. Beim Verkehrsbetrieb BLS sagt man offen: «Wir testen, ob die Passagiere das akzeptieren.» Im Klartext: Entscheidend ist, wie viele Billette an den bargeldlosen Automaten verkauft werden – und wie viele Kunden sich darüber beschweren.