Keine zügigen Reise-Rabatte
Was bei den Airlines immer besser klappt, ist im internationalen Bahnverkehr nur in Ausnahmefällen möglich: Das günstigste Ticket finden und kaufen.
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K-Tipp 11/2005
01.06.2005
Stephan Dietrich - sdietrich@ktipp.ch
Eine Basler Familie mit zwei Kindern (8 und 10) will am 25. Juli von Neapel aus zu einer Kreuzfahrt in See stechen. Die Anfahrt ist per Bahn geplant. Für zwei Erwachsene mit Halbtaxabo und Kinder mit Juniorkarte koste die Fahrt im Vierer-Couchette 596 Franken, lautet die telefonische Auskunft bei den SBB (Fr. 1.19/Min.). Angeboten wird nur eine Reisemöglichkeit: Abfahrt in Basel um 21.27 Uhr mit dem Euronight, umsteigen in Rom, Ankunft in Neapel um 12.24 Uhr.
Was man von Rail Se...
Eine Basler Familie mit zwei Kindern (8 und 10) will am 25. Juli von Neapel aus zu einer Kreuzfahrt in See stechen. Die Anfahrt ist per Bahn geplant. Für zwei Erwachsene mit Halbtaxabo und Kinder mit Juniorkarte koste die Fahrt im Vierer-Couchette 596 Franken, lautet die telefonische Auskunft bei den SBB (Fr. 1.19/Min.). Angeboten wird nur eine Reisemöglichkeit: Abfahrt in Basel um 21.27 Uhr mit dem Euronight, umsteigen in Rom, Ankunft in Neapel um 12.24 Uhr.
Was man von Rail Service nicht erfährt: Es gibt eine attraktive und deutlich günstigere Variante: mit dem Nachtzug Mailand-Neapel (Basel ab 16.27 Uhr, Neapel an 8.10 Uhr). Kosten: 500 Franken.
Nochmals 195 Franken weniger zahlt die Familie aus Basel, wenn sie ihre Tickets bei der italienischen Eisenbahngesellschaft Trenitalia kauft. Doch das ist kein einfaches Unterfangen.
Grund für den happigen Preisunterschied: Trenitalia verrechnet den SBB viel höhere Tarife, als sie im Inland selbst verlangt (siehe K-Tipp 3/ 03). Zudem fällt bei der Buchung über die SBB der italienische Familienrabatt «Offerta famiglia» von bis zu 50 Prozent weg.
Pech für Schweizer Bahnkunden: Nachdem der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) den Verkauf von internationalen Bahnbilletten letztes Jahr eingestellt hat, haben die SBB das Verkaufsmonopol.
Punkto Infos sind Schweizer Bahnfahrer ebenfalls den SBB ausgeliefert - und diese Informationen sind nicht immer zuverlässig, wie der K-Tipp schon mehrmals aufgezeigt hat. Auch für die Reise nach Neapel gab es stark abweichende Auskünfte.
Koordinierte Preisinfos? Nein!
Das Internet ist für Preisauskünfte bei internationalen Bahnfahrten kaum eine Hilfe: Die Tarifinformationen auf den Homepages der verschiedenen europäischen Bahnen machen nämlich an der Grenze Halt.
Selbst für S-Bahn-Strecken ins nahe Ausland - von Basel nach Saint-Louis, gleich hinter der Grenze - gibt es keine klare Auskunft. Und dies, obwohl die Strecke von den SBB selbst betrieben wird. «Eine direkte Online-Preisauskunft für internationale Bahnreisen ist aufgrund des breiten Angebots nicht möglich. Sie können jedoch Ihre Bestellung/Anfrage hier im Shop tätigen», heisst es auf der SBB-Homepage.
Grenzüberschreitende Online-Preisauskünfte sind nicht geplant: «Jede Bahn hat ihre eigenen Tarifsysteme, Rabatte und teils Marktpreise. Die unterschiedlichen Systeme und das Angebot mit täglich zehntausenden von Zügen und Reisezielen sind kaum ins Internet zu bringen», behauptet Peter Lehmann, Leiter Kundenbeziehungen und Service Personenverkehr SBB.
Frankreich und Italien: Nicht ganz einfach
Für Normalverbraucher sind die einzelnen Rabatte im internationalen Bahnverkehr zu einem totalen Chaos geworden. Je nach Nachbarland gibt es unterschiedliche Vergünstigungen. Beispiel Kinderrabatte: Nach Deutschland und Österreich fahren Kinder gratis mit, bei Zugfahrten in die beiden beliebtesten Reiseländer Italien und Frankreich ist die Situation komplizierter.
Bei der französischen Bahngesellschaft SNCF gibt es die «Carte Enfant+». Sie wird für Kinder unter 12 ausgestellt. Begleiten bis zu vier Erwachsene oder Jugendliche ein Kind mit dieser Karte auf seiner Fahrt, erhalten sie bis zu 50 Prozent Rabatt auf den Normalpreis. Ob sie verwandt sind oder nicht, spielt keine Rolle. Die «Carte Enfant+» kostet 93 Franken pro Jahr. Eine Investition, die sich schnell auszahlt - etwa bei einer Reise in die Bretagne.
Der K-Tipp erkundigte sich beim SBB-Rail-Service telefonisch nach dem Preis einer Fahrt mit dem direkten Nachtzug von Genf nach Quimper. Erstes Problem: Die SBB-Auskunftspersonen fanden nicht einmal die Zugsverbindung. «Einen direkten Zug nach Quimper gibt es nicht», lautet dreimal die falsche Antwort.
Ein Blick auf die SBB-Homepage hätte genügt. War der Zug dann endlich gefunden, liess sich der K-Tipp die Kosten für ein Couchette-Abteil für fünf Personen, darunter ein Kind unter 12 Jahren, offerieren. Gesamtpreis laut SBB für Hin- und Rückfahrt: 1100 Franken.
Wer dieselbe Reise in Frankreich oder über die Homepage der SNCF bucht, bezahlt 795 Franken. Darin eingeschlossen die «Carte Enfant+», die man ein Jahr weiternutzen kann. Auf diese Möglichkeit wird am Telefon genauso wenig aufmerksam gemacht wie auf die «Offerta famiglia» von Trenitalia. «Wir können und dürfen zum Teil Produkte anderer Bahnen schlicht nicht anbieten. Diese wiederum verkaufen auch nicht Spezialangebote - wie das GA -, die für den internen öffentlichen Verkehr in der Schweiz gelten», argumentiert Peter Lehmann von den SBB.
Zeitraubendes Buchungsprozedere
Kein Wunder, dass angesichts nicht gewährter Rabatte, mangelnder und falscher Informationen sogar Zugfans mit Billigangeboten der Airlines liebäugeln. Hier kann man per Internet und Suchprogrammen wie ebookers.de die Angebote verschiedener Airlines in Sekundenschnelle abrufen, in aller Ruhe vergleichen - und dann das gewünschte Ticket bestellen. Das ganze Prozedere dauert nur wenige Minuten und Frühbucher profitieren von speziellen Rabatten.
Bei den Bahnen ist das Buchen zeitraubend und frühestens zwei Monate vor Abfahrt möglich. Und an Wochenenden während der Schulferien ist das knappe Nachtzugangebot nach Italien oft innerhalb weniger Tage ausgebucht.
Zurück zur Basler Familie und ihrer Reise nach Neapel: Trotz ökologischer Bedenken haben sie sich für die Anreise mit der Billig-Airline Easy Jet entschieden: Der Flug am Wunschdatum 24. Juli (Buchung am 24. Mai) kostet sie alle Taxen eingeschlossen 280 Franken - nicht pro Person, sondern für alle vier zusammen!
Infos und Links
- http://mct.sbb.ch/mct/
reiselust/europareisen.htm
- www.billig-bahnreisen.de
Spartipps für Reisende
Im internationalen Bahnverkehr herrscht Rabatt-Wirrwarr, denn jedes Land hat ein anderes System.
Deutschland, Österreich
- Bei Fahrten nach Österreich und Deutschland gibts für Halbtax- und GA-Besitzer automatisch 25 Prozent Ermässigung auf die ausländischen Strecken. - Weitere Rabatte gibts für Frühbucher und Mitfahrer.
- Kinder bis 17 Jahre reisen in Begleitung der Eltern oder Grosseltern gratis mit.
- «Click & Rail»: Beschränktes Angebot an Städtereisen, das nur online verfügbar ist. Zürich-Frankfurt einfach zum Beispiel kostet so 45 Franken.
- Ebenfalls 45 Franken kostet das «Schöne-Wochenende-Ticket». An Samstagen und Sonntagen reisen damit bis zu fünf Personen unbeschränkt in Regionalzügen, S-Bahnen und Interregio-Express-Zügen.
Für weniger als 10 Franken pro Person kann man etwa von Basel bis nach Berlin fahren. Allerdings dauert die Reise dann 15 Stunden - doppelt so lang wie mit dem ICE.
Frankreich
- Schnäppchenjäger kommen in Frankreich mit den so genannten Prem's voll zum Zug. Basel-Paris einfach kostet dann statt 84 nur 31 Franken.
Dieses limitierte Billig-Angebot für Frühbucher ist auch an SBB-Schaltern erhältlich. Allerdings muss man ausdrücklich danach fragen.
- Wer mindestens eine Nacht in Frankreich bleibt, erhält 25 Prozent Rückfahrrabatt.
- Die Billettpreise sind von Angebot und Nachfrage abhängig. Preisinfos unter www.voyages-sncf.com. Die Site gibts auch in Deutsch. Übrigens: Online kaufen kann man dort, nebst Tickets, auch die bei den SBB nicht erhältliche Familienkarte «Carte Enfant+» (siehe Haupttext).
Alles kann man auch telefonisch bestellen - unter 0033 892 35 35 36 (man spricht deutsch). Billette werden gratis zugestellt.
Italien
- Die Homepage für Zugsreisende (www.trenitalia.it) gibts nur in Italienisch und Englisch. Das Buchen ist nicht immer einfach, und Fahrkarten werden nicht ins Ausland geliefert.
Theoretisch kann man online bestellte Billette mit Hilfe eines Codes an italienischen Billettautomaten beziehen. Ein eher riskantes Verfahren - vor allem, wenn die Zeit zum Umsteigen knapp ist. Ein Stopp in Mailand oder ein Kurzausflug über die Grenze nach Como oder Domodossola kann sich deshalb lohnen.
- Wer über ein Weekend in Italien bleibt und fest im Voraus bucht, bekommt 25 Prozent Rückfahrrabatt.
- 25 Prozent Ermässigung erhalten GA- und Halbtaxabo-Besitzer mit der «Rail Plus Karte». Sie kostet 25 Franken im Jahr und gilt nicht nur in Italien, sondern in 26 Ländern Europas.