Kiffen ist schon halb legal
Konsum und Anbau von Cannabis als Rauschmittel bzw. Handel damit sind illegal. Die Strafen gegen Kiffer sind aber willkürlich.
Inhalt
K-Tipp 9/2004
05.05.2004
Elias Kopf - redaktion@ktipp.ch
Das Betäubungsmittelgesetz sagt es glasklar: Wer unbefugt Hanfkraut zur Gewinnung von Betäubungsmitteln anbaut, verarbeitet, anbietet, verkauft, aufbewahrt, kauft oder sonstwie erlangt, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft. Dasselbe gilt für den Konsum, wie der stellvertretende Chef der Zürcher Drogenfahndung Thomas Merz warnt: «Cannabis-Produkte wie Hasch und Marihuana sind immer verboten. Ein legales Kiffen gibt es nicht.»
Doch trotz Repression boomt das Hanfrauchen unt...
Das Betäubungsmittelgesetz sagt es glasklar: Wer unbefugt Hanfkraut zur Gewinnung von Betäubungsmitteln anbaut, verarbeitet, anbietet, verkauft, aufbewahrt, kauft oder sonstwie erlangt, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft. Dasselbe gilt für den Konsum, wie der stellvertretende Chef der Zürcher Drogenfahndung Thomas Merz warnt: «Cannabis-Produkte wie Hasch und Marihuana sind immer verboten. Ein legales Kiffen gibt es nicht.»
Doch trotz Repression boomt das Hanfrauchen unter den Jungen: Jeder Dritte der 16- bis 20-Jährigen in der Schweiz konsumiert laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) Cannabis-Produkte, acht Prozent sogar täglich.
«Viele jugendliche Kiffer halten Hasch und Marihuana für harmloser als Alkohol und können deshalb die Verbote nicht nachvollziehen», beklagt Merz. In den Städten hat die Polizei längst die Kontrolle verloren: «Wir "jagen" die Kiffer nicht mehr aktiv», so Merz. Und Harald Düring von der Fachstelle Prävention der Stadtpolizei St. Gallen meint gar: «Viel problematischer als die Kiffer sind für uns alkoholisierte jugendliche Randalierer.»
Wird in St. Gallen ein Kiffer ertappt, kommt er wie ein Schwarzfahrer mit einer Busse von 50 Franken davon, sofern er älter als 15 ist und weniger als fünf Gramm Cannabis bei sich hat. Erst wer wiederholt auffällt, wird angezeigt. Jugendliche unter 15 dagegen kommen auf die Hauptwache. Dort wird Anzeige erstattet und die Eltern müssen ihre Sprösslinge abholen. Auch im Aargau hat man eingesehen, dass Repression nicht fruchtet. Matthias Preiswerk von der Jugendanwaltschaft: «Wir reagieren bei jugendlichen Kiffern nicht mit Bestrafung, sondern versuchen, mit Beratung, Unterstützung und Lebenshilfe einen Ausweg aufzuzeigen.»
Von einer Strafe wird oft abgesehen
Im Gegensatz zu Minderjährigen können Kiffer über 18 Jahre auf keine besondere Milde zählen. Dennoch endet in Basel eine erstmalige Anzeige wegen Eigenkonsums oft mit einer Verfahrenseinstellung: «In leichten Fällen kann das Verfahren eingestellt oder von einer Strafe abgesehen werden. Und wer nur den eigenen Konsum vorbereitet, wird nicht bestraft, wenn es sich um geringfügige Mengen handelt», erläutert Thomas Homberger, Leiter des Betäubungsmitteldezernats der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Als geringfügig gelten in Basel Cannabis-Mengen unter zehn Gramm. Erst mehrmaliger Konsum wird mit Bussen zwischen 150 und 400 Franken geahndet. Auch das Züchten von etwas Balkon-Hanf für den Eigenkonsum hat kaum Konsequenzen. Homberger: «Darum können wir uns nicht aktiv kümmern.»
Einiges repressiver wird das Betäubungsmittelgesetz in Zürich gehandhabt: «Konsum ist Konsum», meint Drogenfahnder Merz. Wenn ein Kiffer auf der Strasse aufgegriffen wird, muss er ein so genanntes Abhörprotokoll ausfüllen und unterschreiben. Daraufhin kommt es zu einer Verzeigung. Beim ersten Mal setzt es 100 Franken Busse plus 158 Franken Schreib- und Spruchgebühren.
Keine Nachsicht beim Cannabis-Konsum üben die Berner Drogenfahnder: «Wenn wir jemanden beim Kiffen erwischen, wird er auf jeden Fall angezeigt», meint der Leiter des Betäubungsmitteldezernats der Berner Stadtpolizei Rolf Stricker.
Aufgepasst beim Kiffen in der Schule
«Dumm stellen» bei Polizeikontrollen empfiehlt Sven Schendekehl von der Rechtsberatung der Schweizer Kifferorganisation «legalize it». Es sei besser, sich nicht an Mehrfachkonsum zu erinnern: «Man hat halt soeben zum allerersten Mal im Leben einen Joint von einem mysteriösen Unbekannten geschenkt bekommen.»
Denn anders als beim erstmaligen Kiffen sind die Bussen für Mehrfachkonsum oft happig, zudem erfolgt ab 500 Franken automatisch ein Eintrag ins Strafregister. Dies kann gravierende Folgen haben - vor allem bei der Stellensuche. Probleme am Arbeitsplatz riskiert, wer in der Berufsschule Hasch raucht: «Wer mit einem Joint erwischt wird, den schicken wir in den Lehrbetrieb zurück und informieren den Lehrmeister», sagt Peter Greber, Rektor des gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrums St. Gallen.
Begleiten statt kriminalisieren
Die Zahl der regelmässig Kiffenden in der Schweiz wird vom BAG auf 250 000 geschätzt. Seit 1994 haben sich die Verzeigungen wegen Cannabis-Delikten auf jährlich 30 000 verdreifacht. Der Bundesrat hat darauf mit einem Gesetzesentwurf reagiert, der Cannabis-Konsum von Strafe befreien soll. Zudem soll «ein Toleranzregime für Anbau und Handel in kleinen Mengen» geschaffen werden.
Parallel dazu wird ein verbesserter Jugendschutz angestrebt (Früherfassung, Beratung jugendlicher Kiffer). Im Gegensatz zum Ständerat hat der Nationalrat diese Gesetzesänderung bisher abgelehnt.
Im Juni soll die grosse Kammer nun im zweiten Anlauf auf die Liberalisierungsvorlage eintreten. Eine erneute Ablehnung hätte laut Martin Jäggi, Präsident der Kantonalen Polizeikommandanten, fatale Folgen: «Unsere Jugendlichen können nur erfolgreich ins Berufsleben starten, wenn wir sie begleiten statt kriminalisieren.»
Soll der Konsum von Cannabis-Produkten legalisiert werden? Antworten Sie bitte auf www.ktipp.ch.