Klimaschutz muss warten
Mit einem Klimaticket den CO2-Ausstoss einer Flugreise kompensieren - damit werben verschiedene Organisationen. Nur: Von den Einnahmen ist bisher kaum etwas in Umweltschutzprojekte geflossen.
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K-Tipp 7/2007
11.04.2007
Vera Sohmer
Weltweit propagieren diverse Organisationen Klimatickets für Flugreisen. Das Prinzip: Man lässt den CO2-Ausstoss der Flugstrecke berechnen und gleicht ihn durch eine freiwillige Umweltabgabe aus. Wer zum Beispiel mit der Business Class von Zürich nach New York und retour fliegt, kann bei Myclimate zusätzlich zum Flugticket ein Klimaticket für 173 Franken kaufen. Mit dem Geld sollen Klimaschutzprojekte in Schwellenländern unterstützt werden.
Hohe Einnahmen -kaum Ausg...
Weltweit propagieren diverse Organisationen Klimatickets für Flugreisen. Das Prinzip: Man lässt den CO2-Ausstoss der Flugstrecke berechnen und gleicht ihn durch eine freiwillige Umweltabgabe aus. Wer zum Beispiel mit der Business Class von Zürich nach New York und retour fliegt, kann bei Myclimate zusätzlich zum Flugticket ein Klimaticket für 173 Franken kaufen. Mit dem Geld sollen Klimaschutzprojekte in Schwellenländern unterstützt werden.
Hohe Einnahmen -kaum Ausgaben
Der Appell ans Umweltgewissen scheint Wirkung zu zeigen. Myclimate - die Organisation wurde von ETH-Wissenschaftlern gegründet - hat 2005 fast 430 000 Franken eingenommen. Für 2006 liegen noch keine publizierten Zahlen vor, man konnte aber nochmals deutlich zulegen, sagt Geschäftsführer René Estermann.
Auch bei der deutschen Organisation Atmosfair läufts rund: Bis Ende 2005 sind für mehr als 6000 Flüge rund 233 000 Franken gespendet worden, durchschnittlich 40 Franken pro Flugreise.
Wer jedoch annimmt, er könne mit dieser freiwilligen Umweltabgabe die schädlichen Auswirkungen seiner Flugreise umgehend kompensieren - wie dies dem potenziellen Spender suggeriert wird -, täuscht sich. Tatsache ist: Zwischen dem Zeitpunkt des Geldeingangs und der Investition in ein Projekt vergehen Jahre. Schaut man sich die aktuellsten Jahresberichte beider Organisationen an, fällt auf: 2005 wurde zwar viel eingenommen - doch vom Geld wurde bislang kaum etwas ausgegeben. Warum das so ist, erkennen Spender entweder gar nicht oder nicht auf den ersten Blick.
Gewisse Standards müssen erfüllt sein
Gegenüber dem K-Tipp führen Myclimate und Atmosfair die gleichen Gründe für die hohen Rücklagen an: Die Klimaschutzprojekte seien anspruchsvoll, und es sei ein langes Prozedere, bis die hohen Standards erfüllt seien. Erst dann fliesse das Geld.
«Stellen Sie sich vor, wir würden unseren Vertragspartnern das Geld schon vorher zahlen und das Projekt würde dann nicht laufen. Dann hätten wir das Geld unserer Spender versenkt», argumentiert Atmosfair-Geschäftsführer Dietrich Brockhagen. Die vom deutschen Umweltministerium geförderte Organisation hat inzwischen fünf Projekte angefangen - aber: Die Spenden der Jahre 2004 und 2005 liegen noch auf dem Konto von Atmosfair. Wann wie viel Geld in welche Projekte fliesst, wollte Brockhagen nicht sagen.
Die bessere Variante: Verzicht auf Flugreisen
Myclimate schreibt im Jahresbericht: «Über 85 Prozent der Erträge kamen 2005 den Klimaschutzprojekten zugute.» Gegenüber dem K-Tipp räumt die Organisation jedoch ein: Man habe zwar Projekte entwickelt, «es fanden 2005 aber erst wenige Zahlungen statt». Wie hoch die Summe ist, sagt Estermann nicht. Anders 2006 und 2007: Insgesamt flossen hier rund 871 000 Franken in indische Projekte.
Trotzdem ist umstritten, ob Klimatickets sinnvoll sind: Greenpeace Schweiz fürchtet, dass Flugreisen noch zunehmen - schliesslich lasse sich mit Klimaticket bequem das Gewissen beruhigen. Und in einem Punkt sind sich Greenpeace und Atmosfair einig: Das Beste fürs Klima sei, überhaupt nicht zu fliegen.
Mehr Transparenz für Spender
Die Stiftung Zewo, Fachstelle für Spenden sammelnde Organisationen, rät: Bei Klimaschutz-Organisation einen Blick in die Jahresberichte werfen. Wichtiger Punkt: Wie viel Prozent der Einnahmen werden tatsächlich für den Klimaschutz verwendet, und was wird für Fundraising und Werbung sowie den übrigen administrativen Aufwand ausgegeben? Man sollte auch nachvollziehen können, wie die Zahlen berechnet wurden und viel Geld in Projekte geflossen ist. Und auch dann, wenn das Geld bislang in einem Topf bereitliegt, sollten Spender erfahren, warum noch nichts in Projekte investiert werden konnte. Die Organisation Myclimate möchte sich nach eigenen Angaben von der Zewo zertifizieren lassen.