Konto ohne Okay der Kunden belastet
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K-Tipp 16/2002
02.10.2002
Banken und Kreditkartenfirmen handeln illegal: Einer EC-Kartenbesitzerin wurden 100 Franken, einem EurocardInhaber 500 Franken nachbelastet - ohne Pin-Code oder Unterschrift.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Sonja Ott ist eine leidenschaftliche Malerin. Für ihr Hobby kaufte sie am 17. August 2002 in der Papeterie Schrybi in Buchs SG diverse Utensilien: Pinsel, Farben, Papier.
Alles zusammen kostete 151 Franken. Ott schob ihre EC-Karte in den Apparat ...
Banken und Kreditkartenfirmen handeln illegal: Einer EC-Kartenbesitzerin wurden 100 Franken, einem EurocardInhaber 500 Franken nachbelastet - ohne Pin-Code oder Unterschrift.
Thomas Müller tmueller@ktipp.ch
Sonja Ott ist eine leidenschaftliche Malerin. Für ihr Hobby kaufte sie am 17. August 2002 in der Papeterie Schrybi in Buchs SG diverse Utensilien: Pinsel, Farben, Papier.
Alles zusammen kostete 151 Franken. Ott schob ihre EC-Karte in den Apparat und gab den Pin-Code ein.
Weil sich Käuferin und Verkäuferin aus der Schulzeit kannten und in ein Gespräch vertieft waren, bemerkten sie nicht, dass die Verkäuferin statt 151 bloss 51 Franken eingetippt hatte. Sonja Ott bestätigte den zu tiefen Betrag mit der OK-Taste.
Wieder zu Hause in Vaduz FL erhielt Ott einen Anruf von der Papeteristin. «Sie machte mich auf das Versehen aufmerksam. Natürlich bot ich ihr an, die fehlenden 100 Franken vorbeizubringen», erinnert sich die Hobby-Malerin.
Die Antwort der Verkäuferin liess Sonja Ott dann aber aufhorchen: «Sie sagte, ich müsse nicht extra vorbeikommen. Sie könne eine Nachbelastung machen.»
Eine Nachbelastung? Ohne EC-Karte und ohne Pin-Code?
«Ja, das geht», bestätigt Reto Giudicetti, Sprecher der Telekurs-Tochter Europay, die als Bindeglied zwischen Geschäften und Banken den elektronischen Zahlungsverkehr abwickelt. «Von den in der Schweiz jährlich rund 120 Millionen Transaktionen mit der EC-Karte kommt es in etwa 2400 Fällen zu nachträglichen Korrekturen.» Die Mehrheit davon seien Belastungen, der Rest Gutschriften.
«Voraussetzung ist», so Giudicetti, «dass der Händler anhand des Kassen- und des Transaktionsbelegs den Irrtum nachweisen kann. Dann wird das Konto des
betreffenden Bankkunden nachbelastet.»
Sonja Ott ist darüber sehr erstaunt: «Dass ein Konto belastet werden kann, ohne dass der Inhaber durch Eingabe des Pin-Codes und Drücken der OK-Taste sein Einverständnis bekundet, finde ich eine absolute Frechheit. Es kann doch nicht Aufgabe von Europay sein, darüber zu urteilen, ob der Karteninhaber dem Geschäft noch etwas schuldet - und dieses Urteil auch noch zu vollstrecken. Dadurch wird dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.»
Aus diesem Grund sind Nachbelastungen bei der Postcard nicht möglich. «Wir sind nicht Schiedsrichter zwischen zwei Parteien, sondern nur Zahlungsübermittler», sagt Postfinance-Sprecher Alex Josty. «Das Vertrauen unserer Kunden dürfen wir nicht missbrauchen.»
Nachbelastung ohne Rechtsgrundlage
Europay-Sprecher Reto Giudicetti gibt sich unbeeindruckt: «Unsere Vorgehensweise wurde noch nie bemängelt. Sie liegt im Interesse aller Beteiligten.»
Er räumt allerdings ein, dass Europay für Nachbelastungen keine Rechtsgrundlage hat: «In den Geschäftsbedingungen zur EC-Karte und in unseren Verträgen mit den Händlern ist diese Situation nicht explizit geregelt. Wir werden unsere Praxis daher aufgrund der Intervention des K-Tipp überprüfen und voraussichtlich einstellen.»
CS: Von der Anzahl Fälle überrascht
Bei der Grossbank Credit Suisse begrüsst man diesen Schritt. «Wir sind von der Zahl der Fälle überrascht», versichert Mediensprecher Georg Söntgerath. Die Bank erfahre jeweils nicht, ob es sich bei einer Transaktion um eine ordentliche Belastung oder um eine Nachbelastung handle.
Für den Berner Rechtsprofessor Thomas Koller ist das Einstellen der bisherigen Praxis zwingend: «Belastungen ohne Ermächtigung des Karteninhabers sind unzulässig.» Das gelte nicht nur für EC-Karten, sondern auch für Kreditkarten.
Trotzdem setzen gerade Kreditkarten-Firmen ihren Kunden immer wieder Beträge auf die Rechnung, die diese nie mit ihrer Unterschrift akzeptiert haben. Häufig handelt es sich um angebliche Minibar-Bezüge im Hotel oder Benzin für Mietwagen.
Im K-Tipp 12/01 rechtfertigte Jean-Marc Hensch die ungesetzliche Branchenpraxis damit, dass es «im Vergleich zum Hauptbetrag um sehr kleine Beträge geht». Hensch ist Mediensprecher von Swisscard, einem Gemeinschaftsunternehmen von CS und American Express.
Dass Swisscard auch grössere Beträge munter nachbelastet, zeigt das Beispiel von Robert Graven aus Brütten ZH. Graven verbrachte mit seiner Familie im letzten Februar Skiferien im Turm-Hotel Grächerhof in Grächen VS. Dabei entstand ein Streit darüber, ob im Arrangementpreis auch ein Skipass für die 6-jährige Tochter enthalten ist oder nicht.
Bei der Abreise bezahlte Graven mit seiner Eurocard 2934 Franken. Zu Hause stellte er überrascht fest: Auf der Kreditkarten-Abrechnung war eine Nachbelastung des Hotels über 509 Franken aufgeführt - für den Skipass. Hotel-Direktorin Jacqueline Fux sagt dazu, es sei das erste Mal gewesen, dass sie eine Nachbelastung gemacht habe.
Swisscard krebste zurück - dank K-Tipp
Als Graven reklamierte, ergriff Swisscard schriftlich Partei für das Hotel: «Gemäss Schilderung unseres Vertragspartners ist die zusätzlich belastete Transaktion gerechtfertigt. Bei weiteren Unstimmigkeiten wenden Sie sich bitte direkt an das Hotel.»
Im Klartext: Graven hätte die Kreditkarten-Rechnung bezahlen und das Geld beim Hotel wieder zurückfordern sollen. Erst als sich der K-Tipp einschaltete, machte Swisscard einen Rückzieher - und schrieb Graven den zu Unrecht belasteten Betrag wieder gut.
Weisen Sie ungerechtfertigte Nachbelastungen zurück
So wehren Sie sich gegen grundlose Belastungen, die Sie weder mit Unterschrift noch mit Pin-Code akzeptiert haben:
- Bewahren Sie alle Belege auf und vergleichen Sie diese mit der KreditkartenRechnung respektive dem Kontoauszug der Bank.
- Bei Unstimmigkeiten reklamieren Sie sofort, spätestens aber innert 30 Tagen. Fragen Sie im Zweifelsfall nach, wofür eine Belastung ist.
- Weisen Sie ungerechtfertigte Nachbelastungen zurück - am besten schriftlich. Teilen Sie der Kartenfirma oder der Bank mit, dass Sie keine Ermächtigung erteilt haben, den fraglichen Betrag zu belasten.
- Lassen Sie sich nicht an den Vertragspartner (Hotel, Verkaufsgeschäft) abschieben. Für die Frage, ob eine gültige Belastungsermächtigung vorliegt oder nicht, ist einzig die Kreditkartenfirma beziehungsweise die Bank zuständig.
- Ziehen Sie ungerechtfertigte Nachbelastungen von der Kreditkarten-Rechnung ab und überweisen Sie nur den unbestrittenen Teil. Wenn Sie mit der EC-Karte bezahlt haben, verlangen Sie von der Bank eine Korrektur des Kontoauszugs.
- Wichtig für KreditkartenInhaber: Unterschreiben Sie niemals blanko, und verzichten Sie auf das so genannte Lastschrift-Verfahren (LSV), bei dem Sie dem Kartenunternehmen im Voraus erlauben, den Rechnungsbetrag jeweils direkt Ihrem Bankkonto zu belasten.