Der Internet-Vergleichsdienst Comparis.ch bezeichnete den Provisionenärger jüngst in einem Bericht als «Nebenkriegsschauplatz» im Kampf gegen steigende Krankenkassenprämien. Das war ziemlich verwegen: Erstens kassiert Comparis.ch von Krankenkassen für Offertvermittlungen selber Provisionen – 2018 nach eigenen Angaben total 7,6 Millionen Franken. Und zweitens geht es auf dem «Nebenkriegsschauplatz» um stattliche Geldbeträge. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Gesundheit.
Demnach zahlten die Schweizer Krankenversicherer in den fünf Jahren von 2014 bis 2018 insgesamt 176,5 Millionen Franken an Vermittler, die ihnen in der obligatorischen Krankenversicherung neue Kunden zuschanzten. Das sind im Durchschnitt 35,3 Millionen Franken pro Jahr. 2018 beliefen sich die Provisionen bereits auf 44,1 Millionen. Für 2019 liegen noch keine Zahlen vor.
Eine Verschwendung von Prämiengeldern
Klar ist: Diese Ausgaben sind unnötig. Denn die Leistungen in der obligatorischen Krankenversicherung sind bei allen Kassen gleich. Deshalb hat niemand Bedarf nach Beratung durch einen Vermittler. Auch dürfen die Versicherer keine Kunden abweisen. Wer die Kasse wechseln will, kann das jeden Herbst ungehindert tun. Die Praxis der Versicherungen, sich für viel Geld gegenseitig Kunden abzujagen, ist vor allem eins: eine Verschwendung von Prämiengeldern.
Nächste Woche befasst sich der Nationalrat mit dem Thema. Er stimmt ab über eine Eingabe des St. Galler Kantonsparlaments. Diese verlangt vom Bund, «dass die Zahlungen von Provisionen für Wechsel in der Grundversicherung untersagt werden». Dann ginge neben dem Aufwand der Versicherer wohl auch die Zahl aufdringlicher Anrufe und Werbemails von Krankenkassen-Kundenfängern zurück.
Der Ständerat hat den St. Galler Vorstoss bereits abgelehnt. Er will die Höhe der Vermittlerprovisionen der Branche überlassen. Und dies, obwohl die Erfahrungen damit ernüchternd sind: K-Tipp und «Kassensturz» deckten schon vor Jahren auf, dass einzelne Kassen pro Neukunden in der Grundversicherung bis zu 250 Franken Provision bezahlten. Die Vereinbarung des Branchenverbands Santésuisse definiert als Obergrenze 50 Franken. Doch sie ist nicht verbindlich.
Chancen für ein Verbot stehen nicht schlecht
Der Nationalrat dürfte sich offener zeigen für die Forderung, Vermittlerprovisionen in der Grundversicherung zu verbieten. Seine vorberatende Kommission empfiehlt den St. Galler Vorstoss zwar ebenfalls zur Ablehnung – aber nur knapp mit 11 gegen 9 Stimmen. Ihre Mitglieder aus SP, Grüner und Grünliberaler Partei waren alle für ein Verbot.
Im 200-köpfigen Nationalrat stellen diese drei Parteien 85 Parlamentarier. Falls sie sich geschlossen für das Verbot aussprechen, fehlen noch 16 Stimmen zur Mehrheit. Von der FDP indes ist laut Fraktionschef Beat Walti kaum Unterstützung zu erwarten. SVP und CVP wollen sich gegenüber dem K-Tipp nicht festlegen.
Die St. Galler SP-Nationalrätin und Gesundheitspolitikerin Barbara Gysi ist aber zuversichtlich, dass es dort teilweise Unterstützung gibt. Sie werde sowohl bei SVP- als auch bei CVP-Leuten um Stimmen werben. Immerhin stamme der Vorstoss für das Provisionsverbot unter anderem aus der Feder der St. Galler CVP.