Renzo Epplin (Name geändert) aus Ebikon LU ärgert sich. «Es ist schon komisch, wenn man mit Schmerzen zum Arzt geht und zuerst das Portemonnaie zücken muss», sagt der 27-jährige zum K-Tipp. «Ich konnte aus gesundheitlichen Gründen lange nicht arbeiten, auch privat war es schwierig. Irgendwann stapelten sich die Rechnungen für die Krankenkassenprämien.»
Verwaltungsaufwand über 700'000 Franken
Epplin ist einer von rund 4500 obligatorisch Versicherten im Kanton Luzern, bei denen die Krankenkasse im vergangenen Jahr nur noch in Notfällen bezahlte. Denn sein Wohnkanton führt eine schwarze Liste mit Prämienschuldnern, auf der Epplin vermerkt ist.
Schwarze Listen für säumige Prämienzahler sind seit dem Jahr 2012 erlaubt. Von anfänglich neun Kantonen benutzen heute noch fünf dieses Druckmittel, um säumige Schuldner zum Zahlen zu bewegen. Wer auf der schwarzen Liste steht, bekommt von den Krankenkassen kein Geld – ausser es drohen dauerhafte Gesundheitsschäden oder der Tod. Trotzdem bleiben die Prämien oft unbezahlt. Denn Schuldnern wie Renzo Epplin fehlt es häufig nicht am Zahlungswillen, sondern am Geld.
Das Schuldnerregister ist nicht nur nutzlos, sondern auch teuer. Das zeigen Anfragen des K-Tipp bei den zuständigen Behörden. So kostet die schwarze Liste die Steuerzahler im Kanton Luzern 75'000 Franken pro Jahr. Im Kanton Zug sind es 80'000 Franken, im Thurgau 232'000 Franken und im Aargau 324'000 Franken. In der Deutschschweiz allein fallen also jährlich insgesamt über 700'000 Franken Kosten für den Verwaltungsaufwand an. Der Kanton Tessin hat die schwarze Liste seit der Coronapandemie sistiert.
Hinzu kommen die Kosten für die Bürokratie bei den Krankenkassen: Sie sind verpflichtet, den Kantonen alle erfolglos betriebenen Versicherten zu melden. Im Aargau, in Luzern, im Tessin, im Thurgau und in Zug müssen sie aber nicht nur Schuldner, Betreibungsstatus und Höhe der Forderungen nennen. Sie müssen auch die Leistungen verweigern und verzweifelte Versicherte anhören, weil diese das Geld für einen Arztbesuch nicht aufbringen können. Das ist ein zeit- und kostspieliger Aufwand.
«Säumige Zahler unnötig bestraft»
Die CSS ist die grösste Krankenkasse der Schweiz. Eine Sprecherin schreibt dem K-Tipp: «Die CSS steht den kantonalen Listen sehr kritisch gegenüber. Die Bewirtschaftung der schwarzen Liste ist sowohl für uns als auch für die Kantone – bei unklarem Nutzen – mit erheblichem Aufwand verbunden.»
Die Helsana geht noch einen Schritt weiter: «Die medizinische Grundversorgung ist ein Grundrecht jeder in der Schweiz wohnhaften Person. Die schwarze Liste missachtet dies und bestraft säumige Prämienzahler unnötig.» Auch die Kasse Sanitas sagt, schwarze Listen würden für einen «unnötigen Verwaltungsaufwand» sorgen. Zudem sei ihre Wirksamkeit «nicht erwiesen».
Die vier Kantone Graubünden, Solothurn, Schaffhausen und St. Gallen führten früher eine schwarze Liste und schafften sie wieder ab. Auch Zug wird das Register auf Anfang 2024 streichen. Das schont das Budget der Kantone: So sparte zum Beispiel Graubünden seit der Abschaffung im August 2018 rund 510 000 Franken ein. In Solothurn betrug die Einsparung an Steuergeld rund 195 000 Franken (Abschaffung Ende 2019), in Schaffhausen 180'000 Franken (Ende 2020) und in St. Gallen 55'000 Franken (Ende 2021).
Trotz diesen Einsparungen stellte sich das Parlament im Jahr 2021 gegen den Bundesrat, der die Abschaffung von schwarzen Listen in allen Kantonen gefordert hatte.