Ruth Sommer (Name geändert) aus Bremgarten AG war im Juli im Internet auf der Suche nach einem Kleinkredit über 5000 Franken. Die geschiedene junge Mutter wollte damit einen finanziellen Engpass überbrücken. Mit dem Suchbegriff «Kredit» stiess sie auf Werbung von Kredit-fox.ch. Man biete eine «smarte Alternative zum klassischen Kredit», hiess es dort.
Sommer gab in einem Formular persönliche Daten wie Handynummer und Wohnadresse ein, machte aber keine Aussagen zu ihrer finanziellen Situation. Sie sandte weder Lohnausweis, Betreibungsauszug oder sonstige Finanzdokumente ein. Trotzdem erhielt sie schon zehn Minuten später einen Anruf einer Firma namens Kreditor AG mit einer Zusage für die gewünschte Kreditsumme. Zuerst müsse sie aber eine «Bearbeitungsgebühr» von Fr. 437.50 überweisen. Sommer: «Bei mir läuteten die Alarmglocken.» Sie zahlte nicht und liess die Sache auf sich beruhen.
Nach ein paar Wochen erhielt die Aargauerin einen Brief: Sie solle Fr. 437.50 «Aufwandpauschale» für eine «Bearbeitung und Vermittlung der bewilligten Finanzsanierung» zahlen. Sie zahlte nicht. Denn auf der Internetseite stand: «Unverbindlich und kostenlos.» Später rief ein Mann an. Sommer erinnert sich: «Er schrie mich an, ich müsse jetzt bezahlen für die Bearbeitung.» Im August erhielt die junge Mutter das vorläufig letzte E-Mail der Kreditor AG. Sie solle eine «Umtriebsentschädigung» von 220 Franken zahlen. Sommer weigerte sich.
Innert drei Jahren fast 8000 Geschädigte
Die Aargauerin ist kein Einzelfall. Seit Monaten erreichen den K-Tipp jede Woche mehrere Beschwerden über Kreditschwindler. Leser zahlen Tausende Franken, ohne nachher je einen Kredit zu erhalten. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft St. Gallen ergaben, dass in der Schweiz von 2015 bis 2018 gegen 8000 Geschädigte auf eine solche Masche hereinfielen. Über 10 Millionen Franken landeten bei Kreditschwindlern. Das zeigen Gerichtsakten, in die der K-Tipp Einsicht hatte. Das Geschäftsmodell ist darauf ausgelegt, Leuten mit finanziellen Problemen die Vergabe von Krediten oder eine Umfinanzierung vorzugaukeln und sie um Geld zu prellen.
In der Schweiz muss eine Aktiengesellschaft (AG) mit mindestens 100 000 Franken Aktienkapital ausgestattet sein. Die Kreditor AG mit einem Briefkasten in Zug, aber ohne Eintrag im Schweizer Handelsregister, wurde in England gegründet. Das Grundkapital beträgt lediglich 10 britische Pfund (umgerechnet knapp 12 Franken). Die Kunden der Kreditor AG zahlten auf ein Konto der Firma Easyway Financial ein. Geschäftsführer ist der Münchner Eugen Willy Bareis.
Um den Kunden zu beweisen, wie seriös sie ist, verweist die Kreditor gerne auf die angebliche Konsumentenschützer-Website Schuldenforum.ch mit Sitz in Appenzell. An der gleichen Adresse hat ein Unternehmen seinen Sitz, hinter dem Eugen Willy Bareis steckt: die Zweigniederlassung der Kolonium UG München. Diese macht ihr Geld mit teuren Telefonnummern. An sie werden Kunden von Firmen verwiesen, die im Kreditschwindel-Umfeld geschäften.
Unternehmer Patrick V. aus Abtwil AG geriet Ende 2016 an die Interhypo Suisse GmbH. Er suchte im Internet einen Kredit für 72 000 Franken. Kurz nach dem Antrag beschied ihm die Firma, dass man ihm einen «Finanzpartner» vermitteln könne. Er müsse aber vorher eine «Genehmigungsgebühr» von 3300 Franken überweisen. V. überwies das Geld.
Wenig später erhielt er Post von einer Centurio Finanz AG mit Sitz angeblich in Basel. Die wollte wieder im Voraus Geld kassieren und versteckte im Kleingedruckten weitere Kosten. Auch diese Firma war in keinem Schweizer Handelsregister angemeldet. Wer hinter der Centurio steckt, ist unbekannt: In der Geschäftskorrespondenz wurde eine Dr. Cathrine Mandel als «Direktorin» angeführt. Dabei handelte es sich aber nicht um eine Person, sondern um eine weitere Firma.
V. kündigte den Vertrag mit Interhypo. Die Firma weigerte sich, ihm die Gebühr zurückzuerstatten. Darauf betrieb V. die Interhypo und ging vor den Friedensrichter. Gleichzeitig reichte er eine Strafanzeige ein. Schliesslich willigte der Interhypo-Geschäftsführer ein, V. das Geld zurückzuzahlen. Die Interhypo wird Kreditsuchenden von Schuldenforum.ch empfohlen.
Auch Pascale S. aus Zürich fiel 2016 bei der Suche nach einem Kredit auf die Interhypo herein. Hier fand die Interhypo einen «Finanzpartner» in der Falkenberg Unternehmensgruppe GmbH. Pascale S. zahlte mehrere Tausend Franken Vorabgebühren an Interhypo und Falkenberg. Doch einen Kredit bekam sie nie. Daraufhin klagte S. beide Firmen ein. Sie erhielt einen Grossteil des Geldes zurück. An der Verhandlung beim Friedensrichter gegen Falkenberg wurde die angebliche Geschäftsführerin der Firma, eine Italienerin, von einem Deutschen beraten. Er entschied, was sie unterschrieb.
Jetzt ermittelt die Bundesanwaltschaft
Beide Personen sind Teil eines Firmengeflechts, das seit Jahren in der Schweiz operiert. Gerichtsakten von verschiedenen kantonalen Staatsanwaltschaften, in die der K-Tipp Einsicht hatte, zeigen: In 14 Kantonen liefen seit mindestens 2015 Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden gegen Kreditschwindler. Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und organisierte Kriminalität des Kantons Thurgau bündelte die Strafverfahren der Kantone wegen Verdachts auf gewerbsmässigen Betrug, qualifizierte Geldwäscherei und unlauteren Wettbewerb unter dem Namen «Sanierungsbetrug». In den Akten ist die Rede von Strafanzeigen gegen 37 Firmen.
Gegenwärtig liegt der Ball bei der Bundesanwaltschaft. Sie hat die Ermittlungen der beteiligten Staatsanwaltschaften übernommen, da die Beschuldigten im Ausland vermutet werden.
Die Anwälte der Interhypo und der Falkenberg Unternehmensgruppe bezeichnen die Tätigkeit der Gesellschaft als «rechtskonform» und «zulässig». Der Rechtsvertreter der Kreditor AG und von Eugen Willy Bareis schreibt zudem, dass die geschäftliche Tätigkeit «ein am Markt anerkanntes Geschäftsmodell» darstelle.
So fallen Sie nicht auf Kreditschwindler herein
Vorauszahlung: Zahlen Sie nie eine Gebühr für einen Kredit. Wer Kredite nur gegen Vorauszahlung gewährt, ist unseriös. Kreditvermittler dürfen laut Gesetz keine Provisionen verlangen.
Handelsregister: Ist ein Unternehmen nicht im Schweizerischen Handelsregister aufgeführt – Hände weg! Das lässt sich im Internet unter Zefix.ch tagesaktuell überprüfen.
Websites: Sind die Firmen auf Websites wie Schuldenforum.ch oder Finanzsanierung.ch erwähnt, sollte man die Finger davon lassen. Hinter diesen angeblichen Konsumentenschutz-Portalen stecken Leute, die zum Umfeld der Kreditschwindler gezählt werden.
Telefonabzocke: Viele Kreditschwindler verweisen ihre Kunden auf kostenpflichtige Telefonnummern. Auch hier gilt: Hände weg!