Künstliches Jod im Essen fordert Opfer
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Gesundheitstipp 4/2002
01.04.2002
Behörden verordnen Jod im Übermass: Jetzt reagieren immer mehr Menschen in der Schweiz mit Allergien
In Eiern, Käse, Milch, Fleisch, Tiefkühl-Lasagne und Brot steckt künstlich zugesetztes Jod. Die Behörden haben das durchgesetzt. Doch manche Menschen macht das krank: Jod in Nahrungsmitteln verursacht bei ihnen Akne, Herzrasen und Schlaflosigkeit.
Thomas Grether thgrether@pulstipp.ch
Doris Acklin aus Therwil BL tütscht an Ostern keine Eier. Wenn...
Behörden verordnen Jod im Übermass: Jetzt reagieren immer mehr Menschen in der Schweiz mit Allergien
In Eiern, Käse, Milch, Fleisch, Tiefkühl-Lasagne und Brot steckt künstlich zugesetztes Jod. Die Behörden haben das durchgesetzt. Doch manche Menschen macht das krank: Jod in Nahrungsmitteln verursacht bei ihnen Akne, Herzrasen und Schlaflosigkeit.
Thomas Grether thgrether@pulstipp.ch
Doris Acklin aus Therwil BL tütscht an Ostern keine Eier. Wenn sie ein Ei isst, bekommt sie massive Herzrhythmusstörungen. «Mein Herz beginnt zu rasen. Ich fühle mich innerlich unruhig und gehetzt.» Der Grund: In den Eiern hat es künstliches Jod und darauf reagiert die 63-jährige Frau allergisch. Bauern verabreichen das Spurenelement mit den Nährsalzen, die sie ihren Hühnern vorsetzen.
Doch Doris Acklin muss nicht nur Eier meiden: Praktisch alle Lebensmittel enthalten heute künstliches Jod. Nur weiss das kaum jemand.
Tatsache ist: Kühe, Rinder, Kälber und Schweine fressen täglich jodiertes Kraftfutter und - zusätzlich - jodierte Nährsalze. Einen Teil scheiden die Tiere über den Urin aus. Eine bedeutende Menge Jod allerdings landet in der Milch, die wir trinken. Und im Fleisch, das wir essen.
Nicht genug: Praktisch jedes Brot enthält Jod. Sämtliche Brote von Migros und Coop sind damit versetzt, aber auch dasjenige aus der Bäckerei um die Ecke. Künstlich zugesetztes Jod findet sich in Tiefkühl-Lasagne, Butter, Käse, Wurst und Büchsen-Ravioli.
Grund dafür ist die Salz-Jodierung. Die Schweizer Regierung ordnete sie einst an, um Kropf und Schwachsinn vorzubeugen. Weil Jod-Salz billiger ist als normales Salz, würzt damit fast jeder Nahrungsmittel-Produzent und Restaurant-Koch seine Speisen. Das hat für Menschen wie Doris Acklin massive Folgen. Sie ist eine der ersten Betroffenen, die an die Öffentlichkeit treten, weil sie unter der flächendeckenden Jodierung leiden. «Jodierte Speisen führen bei mir zu einer Überfunktion der Schilddrüse», sagt Acklin. Folgen davon sind neben Herzrasen und Herzklopfen vielfältige Symptome wie Schlaflosigkeit, Heisshunger, übermässiges Schwitzen, erhöhter Blutdruck oder Zittern.
Jodierte Nahrungsmittel können Basedow auslösen
Ähnliche Symptome verursacht Morbus Basedow: Die Krankheit kann das Herz vergrössern und führt zu hervortretenden Augäpfeln. Die Anlage für Basedow ist vererbt. «Die Krankheit schlummert meist. Jodierte Nahrungsmittel können dazu führen, dass sie ausbricht», sagt Professor Jürgen Hengstmann, Schilddrüsen-Spezialist der Berliner Klinik am Urban.
Laut Hengstmann können jodierte Speisen auch eine Unterfunktion der Schilddrüse verursachen. Patienten leiden dann unter Antriebsschwäche, Gewichtszunahme und Haarausfall, sie fühlen sich schwach und krank.
In Österreich haben Schilddrüsen-Krankheiten sprunghaft zugenommen. Zwischen 1994 und 1999 verdoppelte sich die Zahl von Patienten mit entzündeten Schilddrüsen. Und Morbus Basedow nahm um über 120 Prozent zu - innerhalb von drei Jahren! Grund: Die Behörden hatten 1990 den Jod-Gehalt von Speisesalz angehoben.
Schweizer Spital-Statistiken von 1996 zeigen: Die Basedow-Krankheit wird mittlerweile auch hierzulande häufiger diagnostiziert als der Kropf. Genauere Zahlen jedoch gibt es nicht. Hengstmann schätzt, dass 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung unter der flächendeckenden Jodierung leiden.
Sogar 40 bis 60 Prozent der Bevölkerung seien betroffen, schätzt die Homöopathin Elisabetha Weigelt von der Universitätsfrauenklinik Heidelberg. Die ausgebildete Schulmedizinerin befürchtet, dass die meisten Leute ihre Beschwerden nicht auf jodierte Speisen zurückführen. Die Jodierung verursache möglicherweise auch Hyperaktivität bei Kindern, Gelenkschmerzen, Migräneanfälle und Hautprobleme. Weigelt findet es «höchst fragwürdig und bedenklich», Jod in erhöhten Dosen der gesamten Bevölkerung über die Nahrung zu verabreichen. Für sie ist klar: «Die Jodierung grenzt an Körperverletzung.» Die individuell benötigte Jod-Dosis ist unterschiedlich: Die eine Schilddrüse braucht mehr, die andere weniger Jod, um genügend Hormone für den Stoffwechsel produzieren zu können. Ein sensibles System, das unter anderem die Teilung und das Wachstum von Zellen beeinflusst und die Wärmeproduktion des Körpers steuert.
Trotzdem nimmt die Anreicherung des Speisesalzes mit Jod stetig zu: 1930 setzten die Schweizer Behörden dem Salz erstmals Jod zu - 5 Milligramm pro Kilo. Letztmals erhöhte das Bundesamt für Gesundheit die Menge 1998 - von 15 auf 20 Milligramm. Begründung: Die Bevölkerung leide an Jod-Mangel. Der Rat der Schweizerischen Vereinigung für Ernährung (SEV): «Verwenden Sie unbedingt jodiertes Salz!» Die Konsumenten folgen diesem Ruf und entscheiden sich beim Einkaufen meist für die Salzpackung mit der grünen Etikette - das jodierte Jura-Sel hat einen Verkaufsanteil von über 80 Prozent.
Angela Roth, 35, aus Thun kauft nie Jura-Sel, sondern nur Salz ohne Jod. «Ich habe seit ich 20 bin eine Jod-Akne. Nahrungsmittel mit künstlich zugesetztem Jod verursachen bei mir einen hässlichen Ausschlag», sagt sie. «Oft sehe ich aus wie eine Pubertierende.» Jod in einem Desinfektionsmittel liess solche Pickel, wie sie sie seit vierzehn Jahren plagten, vor zwei Jahren schubartig ausbrechen. «Sie schwollen zu unförmigen Furunkeln an.» Angela Roth ist seither wärme- und lichtempfindlich, ein typisches Symptom bei Jod-Allergikern.
Nicht jodiert: Lebensmittel aus Polen und Frankreich
Bei anderen Allergikern genügt ein Ei oder etwas Butter, um einen massiven Akne-Schub auszulösen. Angela Roth und Doris Acklin sagen übereinstimmend: «Seit wir Restaurants meiden und Brot selber backen, haben wir die Krankheit weitgehend im Griff.» Beide Frauen kochen fast nur mit Nahrungsmitteln aus Frankreich, Polen und Argentinien - dort gibt es keine flächendeckende Jodierung.
Er habe «nie einen Patienten mit solchen Beschwerden gesehen», sagt dagegen Professor Hans Bürgi, ehemaliger Chefarzt des Bürgerspitals Solothurn und Mitglied der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften. Bürgi hält bei der Jodierung der Schweizer Lebensmittel seit Jahren die Fäden in der Hand. «Die Leute können nicht beweisen, dass Jod ihre Beschwerden verursacht», sagt Bürgi. Und: «Ich halte es für unglaubwürdig, dass jemand wegen der geringen Jod-Mengen in der Nahrung gesundheitliche Beschwerden hat.»
Die tägliche Jod-Dosis ist jedoch alles andere als gering: Ein Liter Schweizer Milch enthält wegen des jodierten Kraftfutters, das Kühe bekommen, bis zu 250 Mikrogramm des Spurenelements. So erreichen auch Kinder schnell hohe Mengen Jod. Beispiele:
- 1/2 l Milch: bis zu 125 Mikrogramm.
- Jemalt, von Kinderärzten empfohlener Kakao-Zusatz, Tagesdosis laut Hersteller: 100 Mikrogramm.
- Jodiertes Salz, das die Mutter beim Kochen verwendet, Tagesdosis laut SVE-Empfehlung: 75 Mikrogramm.
- Ein Ei: bis zu 26 Mikrogramm.
Dazu kommt Jod, das im Essen steckt, weil Nahrungsmittel-Produzenten ihre Speisen mit Jod-Salz würzen. Und natürliches Jod, das in manchen Nahrungsmitteln in hohen Dosen vorhanden sein kann: Ein Fisch wie die Meeräsche enthält pro 100 Gramm gar 300 Mikrogramm.
So führt sich ein Kind täglich problemlos über 500 Mikrogramm Jod zu. Doch die Empfehlung der Weltgesundheits-Organisation WHO für Erwachsene lautet nur 150 Mikrogramm. Hans Bürgi, der für Kinder eine tägliche Aufnahme von «50 bis 100 Mikrogramm» empfiehlt, wiegelt ab: Höhere Dosen seien «kein Problem».
Der Berliner Schilddrüsen-Spezialist Professor Jürgen Hengstmann dagegen warnt: «Täglich etwa 300 Mikrogramm Jod - über die Nahrung eingenommen - können eine Überfunktion der Schilddrüse auslösen.» Bei Kindern im Pubertätsalter bestehe die Möglichkeit, dass sich die Struktur der Schilddrüse verändert. «Dies kann später im Leben Schilddrüsen-Krankheiten begünstigen.»
Kontaktstelle - Hilfe für Jod-Allergiker
Jod kann gesundheitliche Beschwerden verursachen. In Österreich, Deutschland und Luxemburg sind Betroffene in Selbsthilfegruppen organisiert. Jetzt ist auch in der Schweiz die erste Selbsthilfegruppe im Aufbau.
Interessiert? Wenden Sie sich an folgende Adresse:
- Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen Tel. 061 692 81 00, Montag bis Mittwoch: 10 bis 12.30 Uhr, Donnerstag: 14 bis 16 Uhr. E-Mail: kontaktstelle@selbsthilfezentrum-bs.ch