Der Strassenverkehr ist in der Schweiz der wichtigste Verursacher von übermässigem Lärm. Am Tag ist jede fünfte und in der Nacht jede sechste Person davon betroffen. Laut Bundesamt für Umwelt betragen die externen Kosten des Strassenverkehrslärms rund 1,26 Milliarden Franken. Alleine im Kanton Luzern leben 15 Prozent aller Personen in Gebäuden mit einer Lärmbelastung über dem Grenzwert: Das sind über 53 000 Betroffene.
Und der Strassenlärm nimmt zu. Die Gründe: mehr und vor allem grössere Autos, stärkere Motoren, breitere Reifen und aggressives Fahren der Lenker. Das Amt für Umwelt und Energie des Kantons St. Gallen stellt resigniert fest: Die Lärmbekämpfung «mit Massnahmen am Fahrzeug und am Strassenbelag sowie mit Verkehrsverlagerungen» komme nur langsam voran.
Autolobby verzögert EU-Lärmvorschriften
Zwar sollen die Autos künftig sechs Dezibel leiser werden. Dies hat die EU Anfang April beschlossen. Doch die Autolobby hat es geschafft, die Lärmreduktion in der EU bis zum Jahr 2024 hinauszuzögern. Zudem gelten für besonders laute Sportwagen klar laschere Vorschriften.
In der Schweiz kritisiert die Vereinigung der kantonalen Lärmschutzfachleute: Mit diesem Zeitplan vergehen fast 30 Jahre, bis es auf den Strassen spürbar leiser wird.
Dabei liesse sich der durch Autos verursachte Strassenlärm schneller und wirksamer reduzieren – unter anderem mit der sogenannten Gegenschall-Technologie. So funktioniert sie: Der Auspuff enthält eine kleine, leichte Kugel mit einem Lautsprecher. Dieser erzeugt den erwünschten Gegenschall zum unerwünschten Lärm aus dem Auspuff. Ergebnis: Der Lärm aus dem Lautsprecher trifft auf denjenigen aus dem Auspuff. Dadurch kommt es zu einer akustischen Auslöschung, was das Auto deutlich leiser macht.
Ein weiterer Effekt der Gegenschall-Technologie: Einzelne Frequenzen lassen sich ausschalten. Damit liesse sich zum Beispiel der röhrend-brummende Motorenklang eines Sportwagens erzeugen.
Antischallsystem: Seit drei Jahren serienreif
Die süddeutsche Firma Eberspächer aus Esslingen ist auf Abgastechnik spezialisiert und hat die Antischall-Technologie vor drei Jahren zur Serienreife gebracht:
- «Active Silence»: Mit seiner Hilfe können die Autohersteller laut Eberspächer die Lautstärke auf rund ein Viertel verringern.
Doch Eberspächer hat auch das Gegenteil im Angebot: Mit dem «Active Sound» erreicht man zum Beispiel bei Dieselautos einen «sportlich-kräftigen» Auspuffklang. Faktisch heisst das: Sie tönen lauter.
Bis jetzt hat sich noch kein Autohersteller für den serienmässigen Einbau der Schalldämpfung mit «Active Silence» entschieden. Das Röhren und Brummen mit «Active Sound» hingegen haben – laut Eberspächer – schon fünf renommierte Markenfabrikanten serienmässig eingebaut.
Einer davon ist Audi. Die Autobauer statteten den Diesel-Kombi A6 mit dem «Active-Sound»-System aus. Dieses Röhren gibt es bei Audi auch als Zubehör für andere Diesel-Modelle. Audi nennt es «Motorsoundsystem» und bewirbt es so: «Selbst in den besten Familien wird es manchmal ein bisschen lauter.» Auf Knopfdruck würden die Autos einen Sound bieten, der «den sportlichen Charakter hervorhebt». Damit werde jede Fahrt zu einem «akustischen Ereignis der Sonderklasse». Und: «Der satte Klang eines kraftvollen Motors sorgt garantiert für Aufmerksamkeit.»
Audi: Kein Gehör für «Active Silence»
Der K-Tipp erkundigte sich bei Audi, ob man mit dem Einbau von «Active Silence» auch etwas für weniger Lärmfreudige plane. Doch Audi winkt ab: «Wir können Ihnen mitteilen, dass unsere Audi-Modelle die Lärmgrenzen einhalten, ohne dass im Auto eine spezielle Technik eingebaut wird.»
Übrigens: Die beiden Systeme zum Nachrüsten – «Active Sound» und «Active Silence» – kosten mit rund 1600 Franken genau gleich viel. Dies ergab eine verdeckte Anfrage des K-Tipp beieinem Internet-Händler in Deutschland. Bei serienmässigem Einbau könnten diese Kosten problemlos noch um einiges gesenkt werden.
Fazit: Für zusätzliches Röhren und Brummen aus dem Auspuff sind den Autoherstellern die Kosten nicht zu hoch. Wünsche nach weniger Lärm stossen jedoch auf taube Ohren.