Wer bei Migros oder Coop ein Erdbeerjoghurt kauft, zahlt bei beiden Grossverteilern im günstigsten Fall 42 Rappen pro Becher. Soll das Joghurt jedoch laktosefrei sein, also keinen Milchzucker enthalten, kostet die gleiche Menge 90 Rappen – mehr als das Doppelte. Das Gleiche gilt für Produkte ohne Gluten: Wer sich für eine Packung glutenfreie Spaghetti entscheidet, blättert statt 45 Rappen satte Fr. 4.20 hin – mehr als das Neunfache. Sogar im Reformhaus zahlt man dafür weniger.
Migros und Coop rechtfertigen die hohen Preise mit höheren Kosten für Rohstoffe, Produktion und Zertifizierung sowie mit der kleineren produzierten Menge.
Die Migros schreibt dazu: «Reis und Mais, die Hauptzutaten glutenfreier Produkte, dürfen auf keinen Fall neben glutenhaltigem Getreide wachsen. Reis und Mais müssen mit speziellen Maschinen geerntet, in eigens dafür vorgesehenen Transportern verfrachtet, in speziellen Mühlen vermahlen und immer wieder kontrolliert werden.» Ähnlich argumentiert Coop. Dort schätzt man die Mehrkosten für glutenfreie Produkte auf das Doppelte bis Dreifache – und für laktosefreie Lebensmittel auf rund ein Drittel. Die Migros sagt, sie verdiene an Spezialprodukten nicht mehr als an normalen. Konkrete Zahlen erhielt der K-Tipp jedoch nicht. Auch die Firma Schaer aus Bozen (I), laut eigenen Angaben europäischer Marktführer für glutenfreie Produkte, liess die Frage nach den Produktionskosten unbeantwortet. Milchverarbeiter Emmi, der für Aldi, Coop, Denner und Migros laktosefreie Produkte herstellt, will zu den genauen Zusatzkosten ebenfalls nichts sagen.
Für Nichtallergiker gilt: Wissenschaftlich ist nicht belegt, dass eine glutenfreie Ernährung gut für die Gesundheit ist. Und was die Laktose-Intoleranz angeht: Einige der angepriesenen Produkte sind selbst für die meisten Betroffenen unnötig, zum Beispiel laktosefreie Butter. «Auch in der normalen Butter ist nur eine unwesentliche Menge Milchzucker enthalten», sagt Ernährungsberaterin Diana Studerus. Den massiven Aufpreis für laktosefreie Butter auf dem Frühstücksbrot kann man sich also sparen.
Jeder Fünfte leidet an Laktose-Intoleranz
Laut dem Allergiezentrum Schweiz leiden in der Schweiz rund 20 Prozent der Bevölkerung an einer mehr oder weniger schweren Laktoseintoleranz.
Das heisst: Der Körper kann das Verdauungsenzym Laktase nicht oder nur ungenügend produzieren. Dies führt unter anderem zu Bauchweh, Durchfall oder Erbrechen. Um Milch laktosefrei zu machen, wird ihr das Enzym Laktase beigegeben. Dieses ist nötig, um die Laktose (Milchzucker) in ihre Bestandteile Galaktose (Schleimzucker) und Glukose (Traubenzucker) zu spalten. Die so bearbeitete Milch schmeckt deutlich süsser als normale.
Betroffenen hilft eine laktosearme Ernährung. Ein absoluter Verzicht ist hingegen in den meisten Fällen nicht nötig.
Zöliakie-Patienten: Auf glutenfreie Nahrung angewiesen
Anders ist es bei Menschen mit Gluten-Unverträglichkeit (Zöliakie). Rund jeder Hundertste in der Schweiz ist davon betroffen. Wer an Zöliakie erkrankt ist, muss lebenslang und konsequent auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten.
Gluten ist das Kleber-Eiweiss von Weizen, Dinkel, Grünkern, Roggen, Gerste und Hafer. Bei Zöliakie-Patienten schädigen diese Getreidesorten und alle daraus hergestellten Produkte – zum Beispiel Brot, Teigwaren und Flocken – die Schleimhaut des Dünndarms und zerstören die Darmstrukturen. Bereits geringste Mengen können Beschwerden wie Durchfall, Blähungen, Gewichtsverlust und verzögertes Wachstum hervorrufen.
Die Lebensmittelindustrie lässt die Filmschauspielerin Gwyneth Paltrow oder die Sängerin Lady Gaga für glutenfreie Nahrungsmittel werben. Verzichten jedoch gesunde Menschen auf Weizen, tun sie sich keinen Gefallen: Denn in glutenhaltigen Getreidesorten steckt viel Gesundes – zum Beispiel
B-Vitamine, Folsäure und Mineralstoffe. Zudem gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise dafür, dass Gesunde von einer Ernährung ohne Gluten einen Nutzen haben.