Lehman-Anlagen: CS schädigte am meisten Kunden
Ein Jahr nach dem Bankrott der Bank Lehman Brothers zeigt sich: Die Credit Suisse hat mit grossem Abstand am meisten Schweizer Anleger geschädigt. Und zeigte sich bei den Entschädigungen am knausrigsten.
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saldo 15/2009
22.09.2009
Petra Stöhr
Gesamthaft hat der Zusammenbruch der US-Bank Tausenden von Schweizer Kleinanlegern schlaflose Nächte gebracht. Sie alle hatten Erspartes in Lehman-Papiere investiert und verloren viel Geld. Gemeinsam ist den meisten: Sie wurden von ihrer Bank motiviert, ihr Geld in Lehman-Papieren anzulegen. Sie verstanden die Anlage nicht und vertrauten ganz ihrem Bankberater und dem Versprechen, dass die Papiere zu 100 Prozent «kapitalgeschützt» sind.
«Di...
Gesamthaft hat der Zusammenbruch der US-Bank Tausenden von Schweizer Kleinanlegern schlaflose Nächte gebracht. Sie alle hatten Erspartes in Lehman-Papiere investiert und verloren viel Geld. Gemeinsam ist den meisten: Sie wurden von ihrer Bank motiviert, ihr Geld in Lehman-Papieren anzulegen. Sie verstanden die Anlage nicht und vertrauten ganz ihrem Bankberater und dem Versprechen, dass die Papiere zu 100 Prozent «kapitalgeschützt» sind.
«Die CS hat die Lehman-Papiere recht aggressiv verkauft»
Auffällig: Der weitaus grösste Teil der Geschädigten – nämlich rund 6000 – betraf Kunden der Credit Suisse (CS) sowie ihrer Tochterbanken Neue Aargauer Bank (NAB) und Clariden Leu. Hinzu kommen laut eigenen Angaben rund 2000 Kunden der Berner Kantonalbank, 200 Anleger bei der Zürcher Kantonalbank, knapp 200 Kunden der Aargauer Kantonalbank und vereinzelte bei weiteren Banken. Erwischt hat es auch Kunden der Luzerner Kantonalbank – wie viele, gibt das Institut aber nicht bekannt.
Praktisch alle anderen Banken hatten ihren Kunden keine Lehman-Papiere empfohlen. Wie übrigens auch die UBS. Anders die CS: Ihre Anlageberater verkauften die Lehman-Papiere offensiv. René Zeyer vom Verein Schutzgemeinschaft der Lehman-Anlageopfer mit 700 Mitgliedern: «Die CS hat sich in vielen Fällen aktiv bei den Kunden gemeldet und – wie mir zahlreiche Opfer versicherten – die Lehman-Papiere recht aggressiv verkauft.» Er umreisst einen typischen Vorgang: Der Bankberater begann mit dem Argument, dass sich das Kapital auf dem Sparbüchlein wegen Steuern, Inflation und wenig Zinsen negativ entwickeln werde. Der Kunde fragte, was er dagegen tun könne. Der CS-Banker sprach das Lehman-Papier an. Auf die Antwort des Kunden, er sei kein Spekulant, hiess es: Die Anlage sei 100 Prozent kapitalgeschützt.
Lehman-Anlagen den Kunden erst relativ spät angedreht
Weshalb nur legte vor allem die CS-Gruppe ihren Kunden faule Lehman-Eier ins Nest? Weshalb verzichtete die ebenfalls in den USA tätige und nicht gerade als risikoscheu bekannte UBS auf Lehman-Anlagen im Portefeuille der Vermögensverwaltungskunden? Beide Grossbanken wollen auf diese Fragen keine Antworten geben. Bei der UBS heisst es nur, man müsse nicht jeden Entscheid begründen. Auch die CS speist saldo mit nichtssagenden Antworten ab: «Der Zusammenbruch von Lehman Brothers und dessen Auswirkungen hat anerkanntermassen die gesamte Finanzindustrie überrascht und war nicht vorhersehbar.» Quasi als Beweis dafür führt die Bank an, dass Lehman kurz vor dem Konkurs das gleich gute Rating hatte wie die Credit Suisse. Pikantes Detail: Gemäss Aussagen von Walter Berchtold, Private-Banking-Chef der Credit Suisse, tätigte seine Bank seit März 2008 keine Neugeschäfte mehr mit Lehman Brothers. Aber noch Ende August 2008 schwatzten CS-Berater den Kunden Lehman-Papiere auf.
CS hat Lehman-Anleger nicht kulant behandelt
Die Credit Suisse hat ihren Kunden Lehman-Papiere bereits seit 2003/04 angeboten. Doch wenige Monate nachdem der langjährige Lehman-Banker Robert Shafir zur Credit Suisse gewechselt hatte, stieg das Volumen massiv. René Zeyer vom Verein Schutzgemeinschaft der Lehman-Anlageopfer: «Die Hälfte der 700 Vereinsmitglieder hat im Herbst 2007 in Lehman-Anlagen investiert.» Gabriela Fischer von der Anleger-Selbsthilfe bestätigt: «Die Analyse unserer Fälle ergab, dass der Hauptverkaufszeitpunkt der Papiere ins letzte Quartal 2007 fiel.»
Bei der CS heisst es aber: Lehman-Produkte wurden nicht besonders propagiert und nicht mehr verkauft als andere Angebote. Deshalb bestreitet die Bank, überdurchschnittlich betroffen zu sein. Fest steht: Die CS hat nicht nur am meisten Kunden geschädigt – die Grossbank hat sie auch am schlechtesten behandelt. Der Zürcher Wirtschaftsanwalt Daniel Fischer, der bisher rund 300 CS-Kunden vertrat: «Die CS hat sich am Anfang schlecht verhalten.» Die Grossbank habe von Entschädigungszahlungen nichts wissen wollen. Sie stellte sich auf den Standpunkt, keine Fehler gemacht zu haben.
Nicht alle Kunden akzeptierten Teilrückzahlungs-Angebot
Ein Jahr nach der Lehman-Pleite haben laut CS-Angaben 3700 Kunden insgesamt 150 Millionen Franken zurückerhalten. Laut Gabriela Fischer haben die meisten Betroffenen zwischen 50 und 60 Prozent der investierten Summen bekommen. «In wenigen für die CS sehr unangenehmen Fällen erhielten die Geschädigten auch Angebote von 80 Prozent.» Nicht alle Kunden sind auf das Angebot der CS eingegangen: Laut René Zeyer laufen zurzeit vier Prozesse von Vereinsmitgliedern gegen die CS und die NAB.
Bedeutend grosszügiger ging die Berner Kantonalbank mit ihren rund 2000 betroffenen Kunden um: Sie erhielten den vollen Betrag zurück. Sprecher Hanspeter Merz: «Wir fühlten uns als Co-Emittent dieser Produkte gegenüber unseren Kunden moralisch verpflichtet, den Kapitalschutz sicherzustellen.»
So wurden die Kunden entschädigt
Die meisten Schweizer Banken haben ihren Kunden keine Papiere von Lehman Brothers empfohlen oder verkauft. Andere wie die Credit Suisse (CS) und ihre Tochterbanken Neue Aargauer Bank (NAB) und Clariden Leu empfahlen die strukturierten Lehman-Produkte im grossen Stil.
Die Anleger-Selbsthilfegruppen gehen davon aus, dass 6000 Kunden von der Lehman-Pleite betroffen waren. Die CS selber gibt keine Zahlen bekannt. Laut der Bank haben 3700 Kunden ein Rückkauf-Angebot für insgesamt 150 Millionen Franken erhalten. Zurückgezahlt hat die Bank zwischen 50 und 70 Prozent des Nominalwertes.
Rund 2000 Kunden hatten strukturierte Lehman-Produkte erworben. Sie erhielten 100 Prozent der Investition zurück. Insgesamt zahlte die Berner Kantonalbank dafür 60 Millionen, davon waren zwei Drittel durch eine Versicherung gedeckt.
Von den rund 200 betroffenen Kunden hatte ein Drittel laut Zürcher Kantonalbank Anspruch auf eine Entschädigung: Sie erhielten den Einstandspreis zurück. Die Schadenssumme lag bei einem tiefen einstelligen Millionenbetrag.
Die Luzerner Staatsbank gibt nicht bekannt, wie viele Kunden betroffen waren. Kunden mit einem Gesamtvermögen von unter 100’000 Franken auf Konten und Depots der Bank hätten den vollen Betrag erstattet erhalten. Insgesamt zahlte die Luzerner Kantonalbank einen einstelligen Millionenbetrag zurück.
Knapp 100 Kunden hatten bei der Aargauischen Kantonalbank ein strukturiertes Produkt von Lehman gekauft. Bei den Entschädigungsvereinbarungen handelt es sich gemäss Sprecherin Ursula Diebold um individuelle Lösungen. Über den ausbezahlten Betrag schweigt sich die Bank aus.
Die Bank Coop hat ein strukturiertes, kapitalgeschütztes Lehman-Produkt herausgegeben. Wie viele Kunden es gekauft haben, gibt die Bank Coop nicht bekannt. Alle betroffenen Kunden haben 100 Prozent des Nominalwerts zurückerhalten, insgesamt einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag.