K-Tipp Leserin H.Z. aus der Region St. Gallen wurde im November im Lidl in Uzwil SG für zwei Jahre mit einem landesweiten Hausverbot belegt und musste 100 Franken Umtriebsentschädigung zahlen. Grund: ein Gipfeli zum Preis von 75 Rappen, das von der Selbstbedienungskasse nicht erfasst worden war. Z. hatte neben dem Laugengipfel eine Heizunterlage fürs Bett, Tofu, grünen Tee und Marroni für insgesamt knapp 30 Franken eingekauft.
Das Problem: Kleingebäck wie ein Gipfeli lässt sich nicht an der Selbstbedienungskasse scannen. Kunden müssen den Artikel selber im System suchen und auswählen.
Bei ihrem Einkauf im November benutzte Z. im Lidl eine neu installierte Selbstbedienungskasse zum ersten Mal: «Ich wählte das Gipfeli auf dem Bildschirm aus», erzählt sie. «Offenbar habe ich aber das Produkt aus Versehen nicht richtig erfasst.»
Beim Ausgang wurde die Kundin von einem Lidl-Mitarbeiter kontrolliert. «Das Personal sagte mir, ich müsse das Hausverbot und die Umtriebsentschädigung akzeptieren», so Z.. «Sonst rufe man die Polizei.» Sie bezahlte die 100 Franken.
Z. reklamierte darauf bei Lidl und bat darum, das Hausverbot aufzuheben. Die Lidl-Regionalleitung Thurgau beharrte jedoch darauf. Erst als sich der K-Tipp einschaltete, nahm Lidl das Hausverbot zurück. Der Händler sagt dazu, man bedaure den Fall und werde «in Zukunft angemessener reagieren». Das Hausverbot sei unverhältnismässig gewesen. Lidl schickte der Kundin zudem einen Gutschein über 150 Franken – und zahlte damit mehr als die verlangte Umtriebsentschädigung zurück.
Händler sanktionieren härter als früher
Der K-Tipp berichtete zuletzt im Jahr 2017 über die Sanktionen der Detailhändler, wenn den Kunden beim Einscannen Fehler passieren. Ein Vergleich mit der Praxis vor acht Jahren zeigt: Die Detailhändler haben ihre Vorgehensweise geändert.
Coop verhängte damals laut internen Richtlinien nur ein Hausverbot, wenn Kunden «extrem tätlich oder ausfällig» wurden, bei einer «Warenwegnahme von über 300 Franken» oder bei «professionellem Vorgehen». Heute will Coop nichts mehr von solchen Grenzen wissen. Man behandle «jeden Fall individuell», heisst es nur.
Mehrere Leser berichteten dem K-Tipp, dass sie bei Coop ein einziges Produkt für einen geringen Betrag zu scannen vergessen hätten – worauf sie eine Umtriebsentschädigung von 100 beziehungsweise 150 Franken zahlen mussten. Diese belief sich im Jahr 2017 noch auf 50 Franken – und das nach einem wiederholten Verdacht (K-Tipp 20/2017).
Strenger sanktioniert auch die Migros. Früher hiess es in den allgemeinen Geschäftsbedingun-gen (AGB) zu den Selbstbedienungskassen, dass erst bei «mehrmaligem Verdacht auf Diebstahl weitere Schritte gegen den Kunden eingeleitet werden». Heute jedoch reicht laut den AGB «ein Verdacht auf Diebstahl». K-Tipp-Leser berichten von 200 Franken Umtriebsentschädigung bereits für den ersten Fehler beim Scannen.
Ebenfalls 200 Franken mussten mehrere Leser bei Aldi bezahlen, als sie das erste Mal in einer Kontrolle hängen blieben. Laut Aldi entscheidet das Personal, ob es sich um ein Versehen oder um einen Diebstahl handle. Jeg-
liche Diebstähle würden bei der Polizei angezeigt.
Bei Versehen ist keine Entschädigung fällig
Gut zu wissen: Ein Diebstahl liegt nur vor, wenn ein Kunde bewusst Ware an sich nimmt, ohne sie zu bezahlen. Wurde ein Artikel versehentlich nicht erfasst, müssen Kunden nur den Warenwert zahlen, keine zusätzliche Umtriebsentschädigung.