Die Uhr auf dem Display zeigt 11.25 Uhr. Silvio Leu (Name geändert) hat eben zwei Pakete in einer Wohnsiedlung im Aargau ausgeliefert. Im Laderaum des Post-Lieferwagens sind noch neun Boxen, gefüllt mit Lebensmitteln der Migros, die gemäss Leus Tourenplan für einen weiteren Haushalt in der Wohnsiedlung bestimmt sind. Doch er darf sie noch nicht ausliefern. Die Kundin hat die Ware erst auf 12 Uhr bestellt. Leu muss daher in der Zwischenzeit weitere Pakete ausliefern, bevor er nochmals in die Wohnsiedlung zurückkehrt. «Das ergibt wenig Sinn. Wir müssen das aber so machen», sagt Leu.
Extrafahrten wie diese kennt auch Stefan Faber (Name geändert): Seit über 15 Jahren liefert er in der Nordwestschweiz für die Schweizer Post Pakete aus. Seit das Unternehmen auch Lebensmittel von Detailhändlern an private Haushalte liefert, mache er mehr solche Fahrten. Grund: Die verschiedenen Zeitfenster, welche die Kunden wählen können. «Ich muss fast jeden Tag die gleiche Quartierstrasse mehrmals abfahren, um die bestellten Lebensmittel auszuliefern», sagt Faber zum K-Tipp.
Bestellt man zum Beispiel auf Migros.ch Lebensmittel, kann man bis zu zehn unterschiedliche Zustellzeiten auswählen. Wer etwa am 13. Oktober eine Zustellung in der Folgewoche bucht, kann aus zehn verschiedenen Zeitfenstern auswählen. Aber auch bei Bestellungen für den nächsten Tag sind am Nachmittag noch fünf Zeitfenster übrig.
Auch bei Coop lassen sich je nach Bestellzeitpunkt bis zu zehn Zeitfenster pro Tag wählen. Noch mehr Lieferzeiten hat Aldi – auf die Stunde genau. Denn der Discounter liefert direkt aus der nächstgelegenen Filiale und nicht wie Coop und Migros aus den Verteilzentren.
Grossverteiler wollen keine Zahlen nennen
Migros, Coop und Aldi schreiben dem K-Tipp, die Internetbestellungen würden gebündelt und mit möglichst wenigen Fahrzeugen ausgeliefert. Wie viele Kuriere sie dafür einsetzen, wollen sie jedoch nicht sagen.
Gemäss einer Studie der Beratungsfirma KPMG zum Schweizer Internethandel haben die Lebensmittelbestellungen in den letzten fünf Jahren um knapp zwei Drittel zugenommen.
Auskunft über die Zahl der eingesetzten Lieferwagen geben dagegen einige der grossen Paketzusteller: Die Flotten der Post, von DPD, Planzer Paket und Quickpac wuchsen zusammengenommen allein in den vergangenen fünf Jahren um rund 24 Prozent – von insgesamt 4989 auf 6166 Lieferwagen.
Gemäss der Güterverkehrsstatistik des Bundes waren 2021 gut 410 000 Lieferwagen in der Schweiz immatrikuliert. Das sind 80 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Damals betrug die Anzahl der Lieferwagen rund 227'000. Zum Vergleich: Das Total der Lastwagen nahm in dieser Zeit um 3 Prozent ab – von rund 43'000 auf 41'000.
Trotzdem befördern Lieferwagen heute einen kleineren Anteil der insgesamt transportierten Waren als noch im Jahr 2000: Das Bundesamt für Statistik bemisst diese Transportleistung in Tonnenkilometern – zurückgelegte Strecke mal transportiertes Gewicht. Der Anteil der Lieferwagen an den Tonnenkilometern sank in den letzten 20 Jahren von 5,6 auf 5,3 Prozent: «Aufgrund der kleinen Ladegewichte ist ihr Beitrag an den Transportleistungen bescheiden», schreibt das Bundesamt.
Die von Lieferwagen gefahrenen Kilometer erhöhten sich in 10 Jahren um 38 Prozent, seit 5 Jahren um 17 Prozent.