Lipgloss soll Glanz und Farbe auf die Lippen bringen. Doch nach etwa zwei Stunden ist das Makeup bereits wieder weg, denn die meisten Produkte haften schlecht. So muss man sie erneut auftragen. Doch das ist problematisch: Bei jeder Anwendung gelangen die Inhaltsstoffe über die Lippen in den Körper. Markus Niederer vom kantonalen Labor Basel-Stadt: «Man muss sich vorstellen, dass wir die Produkte eigentlich essen, die wir auf die Lippen auftragen.»
Der K-Tipp wollte deshalb wissen: Was genau steckt in Lipglossen? Er beauftragte zwei Labors mit der Prüfung von zwölf Produkten.
Fünf Expertinnen bewerteten in einem Praxistest das Glanz- und Farbergebnis und prüften unter anderem, wie gleichmässig die Produkte auf den Lippen wirken, wie sie sich anfühlen, wie lange sie haften und ob sie die Lippen austrocknen. Zudem untersuchte ein Labor die Produkte auf kritische Stoffe hin (siehe Kasten «So wurde getestet»).
Labor fand ungesunde Substanzen
Resultat der Inhaltsstoffanalyse: Sieben Lipglosse waren ungenügend, vier genügend. Nur das Produkt von Mac schaffte eine gute Note. Die Hälfte der Fläschchen und Tuben enthielten erhöhte Mengen kritischer Kohlenwasserstoffe. Sogenannte MOSH und POSH schädigten in Tierversuchen Leber und Lymphknoten. MOAH gelten als potenziell krebserregend.
Im Behälter von Nyx – eine Marke von L’Oréal – fanden die Experten auffallend viel von diesen heiklen Substanzen. Auch die Produkte von Sephora und Clarins enthielten grosse Mengen MOAH.
Dagegen fanden die Fachleute im Lipgloss der Naturkosmetikmarke Lavera keine kritischen Kohlenwasserstoffe. Das Produkt besteht gemäss Verpackung vorwiegend aus Rizinusöl.
Allergene Duftstoffe in hoher Dosis
Die getesteten Lipglosse duften penetrant nach Erdbeeren, Kirschen und Karamell. Kein Wunder, fanden die Laborexperten bei Dior, Manhattan und Fenty Beauty by Rihanna allergene Duftstoffe in erhöhten Mengen. Der «Gloss Bomb» von Fenty Beauty enthielt Benzylbenzoat. Die Hersteller müssen den allergenen Stoff ab 10 Milligramm pro Kilo (mg/kg) deklarieren – der «Gloss Bomb» wies 2650 mg/kg auf.
Praxistest: Lipglosse halten nicht lange
Im Praxistest zeigten sich grosse Unterschiede: Der Testsieger «Grand Illusion Liquid Lipcolour» von Mac brachte Glanz und Farbe am besten auf die Lippen. Die fünf Expertinnen gaben ihm die Note 5,9. Andere Lipglosse wirkten ihnen «zu speckig», «zu glitzrig» oder hinterliessen «kaum Farbe».
Beim Auftragen der Lipglosse von Catrice, Sephora und H&M auf die Lippen zeigte sich eine ungleichmässige Verteilung. Das Sephora-Produkt sah laut einer Expertin «furchtbar aus». Nach zwei Stunden schwächelte auch die Konkurrenz. Nur Mac und Fenty Beauty erhielten noch gute Noten. Vier Stunden nach dem Auftragen waren neun der zwölf Lipglosse ungenügend.
Einige Flüssigkeiten wirkten angenehm auf den Lippen, andere waren «klebrig» und «schwer». Am unangenehmsten empfanden die Testerinnen die Produkte von Essence, H&M und Sephora. Letzteres zog «Fäden, wenn man den Mund öffnet».
Ein Gloss lässt Lippen feucht wirken. Deren Haut spannt aber häufig nach dem Auftragen. Besonders Essence trocknete die Lippen der Testerinnen aus. Sehr gut befeuchtete einzig der Testsieger von Mac. Die Expertinnen lobten «das frische, minzige Gefühl auf den Lippen».
Produkte: Zu dick, zu dünn oder zähflüssig
Mehrere Produkte liessen sich nur schlecht dosieren und auftragen. Laut den Testerinnen waren sie «zu dünn-, zu dick- oder zu zähflüssig». Oder der Applikator war zu gross, sodass «zu viel Material auf den Lippen landet». Die schlechtesten Noten gabs hier für Clarins, Sephora und H&M. Letzterer landete auch insgesamt auf dem letzten Platz.
Die Lipgloss-Hersteller erklären, die Produkte entsprächen den gesetzlichen Anforderungen. L’Oréal und Clarins geben an, «nur qualitativ hochwertige Mineralöle zu verwenden». Clarins ist über die gefundenen Mengen Kohlenwasserstoffe «sehr überrascht».
Cosnova, Hersteller von Essence und Catrice, erklärt, ein Gloss verteile sich anders auf den Lippen und halte kürzer als ein Lippenstift. Lavera schreibt, der Glanzeffekt des Testprodukts werde durch natürliche Bio-Öle und Farbbestandteile erzeugt.
So wurde getestet
Das Labor SGS Institut Fresenius in Wörgl (A) testete zwölf Lipglosse. Im Praxistest prüften fünf Expertinnen die kosmetischen Eigenschaften und die Handhabung. Die Glosse wurden zudem auf kritische Inhaltsstoffe untersucht. Die Testpunkte:
Glanz und Farbe: Wie glänzt das Produkt auf den Lippen? Wie wirkt die Farbe?
Gleichmässigkeit: Wie gleichmässig wirkt der Gloss auf den Lippen beim Auftragen sowie nach zwei und nach vier Stunden?
Konsistenz, Klebrigkeit: Wie fühlt sich das Produkt auf den Lippen an?
Befeuchtung, Austrocknung: Befeuchtet der Gloss die Lippen oder trocknet er sie aus?
Haltbarkeit: Haftet der Gloss nach zwei und vier Stunden noch?
Handhabung: Kann man den Gloss gut dosieren und auftragen? Lässt sich der Behälter gut öffnen und schliessen?
Azofarbstoffe: Das österreichische Labor prüfte die Glosse auf 25 in Kosmetika verbotene Azofarbstoffe. Sie stehen im Verdacht, das Erbgut zu schädigen und Krebs auszulösen.
Das Labor Eurofins Con-sumer Product Testing in Hamburg (D) prüfte die Lipglosse auf folgende kritische Substanzen:
MOAH und MOSH/POSH: Enthalten die verwendeten Mineralöle aromatische (MOAH) sowie gesättigte Kohlenwasserstoffe (dünnflüssige MOSH und POSH)? MOAH können potenziell krebserregend sein. MOSH und POSH schädigten in Tierversuchen Leber und Lymphknoten.
Allergene Duftstoffe: Das Labor suchte nach 26 allergenen Duftstoffen. Diese müssen ab 10 Milligramm pro Kilogramm auf der Verpackung von Glossen deklariert sein.
Schwermetalle: Enthalten die Produkte erhöhte Mengen Blei, Kadmium oder Quecksilber?
Gut zu wissen: Mineralöl ist in vielen Produkten enthalten. Es kann sich hinter folgenden Bezeichnungen verbergen: Paraffinum Liquidum, Paraffin, Synthetic Wax, Microcrystalline Wax, Cera Microcristallina, Petrolatum, Ozokerite, Ceresin, Vaseline.