Pflegeprodukte für die Lippen sind in den Läden bei den Kosmetikartikeln. Eigentlich gehörten sie in die Lebensmittelabteilung. Denn die Wissenschaft geht davon aus, dass aufgetragene Lippenpomaden abgeleckt werden. Mehr noch: «Sie werden regelrecht gegessen», sagt Christian Surber von der dermatologischen Klinik des Uni-Spitals Basel. Schätzungen gehen davon aus, dass man bei täglicher Anwendung 57 Milligramm pro Tag isst. Aufs Jahr hochgerechnet, sind das vier Pomaden-Stifte.
Umso wichtiger ist es zu wissen, welche Stoffe in den Pomaden stecken. Der K-Tipp schickte die 14 meistverkauften ins Labor. Gesucht wurde nach allergenen Duftstoffen und UV-Filtern. Zudem bestimmten die Fachleute den Anteil künstlicher Fette, also Mineralöle und Silikone (siehe «So wurde getestet).
Resultat: «Wel! Luxury Lips» von Qualité & Prix und der Lavera-«Lippenbalsam» schafften die Bestnote. Sie weisen nur minimale Spuren künstlicher Fette und keine heiklen Zusatzstoffe auf.
Ebenfalls sehr gut waren die Ombia-Pomade von Aldi und der Naturaline-Lippenbalsam von Coop. Einziger Minuspunkt: Beide enthielten einen Duftstoff mit leichtem Allergiepotenzial.
Auf dem letzten Platz landete der Carmex-Stift. Er enthielt potenziell krebserregende Mineralöle, sogenannte MOAH, und heikle UV-Filter. Auch fehlt der Hinweis «enthält Oxybenzon».
Der UV-Filter Oxybenzon steht im Verdacht, Allergien, Hormonstörungen und Zellschädigungen zu verursachen. Ab einer Konzentration von 0,5 Prozent ist deshalb ein Warnhinweis auf der Verpackung vorgeschrieben. Im Carmex-Produkt hats mehr als 5 Prozent dieser kritischen Substanz. Der Hersteller will die Etikette entsprechend ergänzen.
«I am» und «Carmex» ungenügend
Ebenfalls ungenügend: die «I am»-Pomade. Sie enthält besonders heikle dünnflüssige Mineralöle. Laut Migros wird die Rezeptur der Pomade zurzeit überarbeitet. Mineralöle sind generell umstritten. Sie können unter anderem Ablagerungen in Leber und Milz bilden.
Mineralöle finden sich in Lebensmitteln, in der Umwelt und in Kosmetika. In Lebensmitteln versuchen Hersteller seit längerem, die Belastung zu reduzieren. Die Kosmetikindustrie hingegen setzt Mineralöle noch immer häufig ein: Sie sind günstig, lange haltbar und verursachen keine Allergien.
Am meisten Mineralöl fand das Labor in den Pomaden von Bebe Young Care und Le petit Marseillais. Beide bestanden fast zur Hälfte aus Mineralöl.
Für Kosmetika sollte Mineralöl ohne Schadstoffe sein. Trotzdem enthalten zwei Lippenprodukte potenziell krebserregende und erbgutverändernde MOAH. Das Labor fand sie in den Stiften von Labello und Carmex. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bezeichnet die Aufnahme von MOAH durch die Nahrung als «potenziell besorgniserregend». Diese Aussage lässt sich auf Lippenpomaden übertragen: MOAH gelangen über den Mund in den Körper.
Die Hersteller schreiben, dass die Produkte kein Gesundheitsrisiko darstellten. Der MOAH-Gehalt sei unbedenklich für die Verbraucher. Johnson & Johnson, der Hersteller der Linien Bebe Young Care und Le petit Marseillais, verweist auf die hervorragende Hautverträglichkeit und die Pflegewirkung der Mineralöle.
Doch Lippenpflege mit Silikon oder Mineralöl könnte die Lippen austrocknen. Deshalb setzen einige Hersteller auf natürliche Fette und Öle. Nachteil: Das Risiko, dass man darauf allergisch reagiert, ist höher als bei Pomaden mit künstlichen Fetten.
Umstritten sind auch UV-Filter. Die Zürcher Umwelttoxikologin Margret Schlumpf ist überzeugt: «In Pomaden sind diese Substanzen unnötig. Im Winterhalbjahr benötigt man Sonnenschutz auf den Lippen höchstens auf einer Skitour oder Gletscherwanderung.»
In der Kritik stehen vor allem die UV-Filter Ethylhexyl Methoxycinnamat, Benzophenon-3 und Octocrylen. Sie stehen im Verdacht, hormonaktiv oder allergisierend zu sein. Diese Filter steckten einzeln oder in Kombination in den Pomaden von Neutrogena, Blistex, Bebe Young Care, I am und Carmex. Zwar enthielt auch das Aldi-Produkt UV-Filter – allerdings weniger problematische. Alle anderen Pomaden waren frei von UV-Filtern.
So wurde getestet
Das kantonale Labor Basel-Stadt und das SGS Institut Fresenius in Taunusstein (D) haben 14 Lippenpomaden auf folgende Kriterien untersucht:
- Künstliche Öle und Fette: Die Kosmetikindustrie setzt seit vielen Jahrzehnten Mineralöl (Paraffine) und Silikon ein. Sie gelten als heikel, weil sie im Verdacht stehen, sich im Körper abzulagern. In den Labors wurde bei allen Produkten der Anteil an Mineralöl und Silikon analysiert. Zudem überprüften sie, ob durch die Verwendung von Mineralöl aromatische Kohlenwasserstoffe (MOAH) in die Lippenpomade gelangten. Diese werden als potenziell krebserregend beurteilt.
- Allergene Duftstoffe: Ab einer Menge von 10 Milligramm pro Kilo müssen allergene Duftstoffe auf der Verpackung deklariert werden. Das Labor untersuchte, welche Stoffe in der Lippenpomade vorhanden sind und ob sie korrekt deklariert werden.
- UV-Filter: In Lippenpomaden dürfen 30 verschiedene UV-Filter eingesetzt werden. Einige von ihnen stehen im Verdacht, hormonaktiv und allergen zu wirken. Die Fachleute überprüften, welche UV-Filter bei der Herstellung eingesetzt wurden. Heikle Substanzen führten zu einer Abwertung.
- Konservierungsstoffe: Sie schützen die Pomaden vor Keimen und Pilzbefall. Einige dieser Stoffe stehen im Verdacht, Allergien und Unverträglichkeit-Reaktionen auszulösen. Solche heiklen Verbindungen fand das Labor in keinem der getesteten Produkte.