Vergangenen Oktober war es auf einen Schlag vorbei mit der Idylle in der Mietwohnung von Irène Preissig (Name geändert) aus Celerina GR: Sie wohnt in einer 3-Zimmer-Wohnung im Parterre und zahlt monatlich 1400 Franken Miete plus 50 Franken akonto für die Nebenkosten.
Die Wohnung direkt über ihr hat seit einem Jahr neue Eigentümer. Diese liessen ihr Appartement während zweieinhalb Monaten umfassend umbauen. Handwerker ersetzten Küche und Bad und täferten die Wände: «Von 8 bis 18 Uhr wurde ständig gehämmert, geklopft, geschliffen oder gebohrt – ausser in der kurzen Mittagspause», erzählt die 71-jährige Mieterin. Die Arbeiter sägten die Holzbretter auf dem Balkon, sodass laufend Sägemehl auf Preissigs Terrasse landete.
Baulärm berechtigt zu Mietzinsreduktion
Zur selben Zeit renovierten die Eigentümer der Wohnung im zweiten Stock den Parkettboden. Das über 40 Jahre alte Haus sei so lärmdurchlässig, dass sie auch dies mitbekommen habe, sagt Preissig.
Dem Vermieter schickte sie gleich zu Beginn der Arbeiten Tonaufnahmen, damit er über das Ausmass im Bild war. Denn Mieter können laut Gesetz eine Mietzinsreduktion verlangen, wenn die Wohnung einen Mangel aufweist, der ihre normale Benutzung stark beeinträchtigt.
Bis zu einem Viertel tiefere Miete
Je gravierender der Mangel und je stärker die Einschränkung, desto höher ist die Mietzinsreduktion. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vermieter den Mangel verursacht hat oder nicht. Der Anspruch auf Reduktion besteht allerdings erst ab dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter das Problem kennt und weiss, dass der Mangel den Mieter stört.
Der K-Tipp legte Preissigs Tonaufnahmen Fabian Gloor vor. Der Jurist und Leiter der Telefon- hotline des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands schätzt, dass Preissig Anspruch auf 20 bis 25 Prozent Zinsreduktion hat. Bei einer Miete von 1400 Franken ergibt das für zweieinhalb Monate einen Betrag von 700 bis 875 Franken.
Auch die Wohnung von Christof Schöni (Name geändert) aus Zürich war während längerer Zeit nur eingeschränkt benutzbar. In einem Raum seiner 4,5-Zimmer-Wohnung hatte die Bodenheizung ein Leck. Schöni musste die dort gelagerten Sachen in anderen Zimmern unterbringen.
Es dauerte drei Monate, bis der Raum entfeuchtet und die Bodenheizung und das Parkett renoviert waren. Für Ein- und Ausräumen, Korrespondenz und Telefonate habe er mindestens 20 Stunden investiert.
Die Wohnfläche ist entscheidend
Gemäss Fabian Gloor werden Mietzinsreduktionen anhand des Verhältnisses von Gesamtwohnfläche und Fläche des nicht benutzbaren Wohnraums berechnet. Die Gesamtwohnfläche von Christof Schönis Wohnung beträgt 128 Quadratmeter, jene des betroffenen Zimmers 8,3 Quadratmeter oder 6,5 Prozent der Gesamtwohnfläche.
Deshalb ist, gestützt auf die Gerichtspraxis, eine Zinsreduktion von 6 bis 7 Prozent angemessen. Schöni bezahlt für seine Wohnung ohne Nebenkosten 2650 Franken pro Monat. Sein Anspruch auf Mietzinsreduktion beträgt somit für drei Monate rund 480 bis 560 Franken.
Bei einigen Mängeln besteht kein Anspruch auf Mietzinsreduktion – nämlich dann, wenn der Gebrauch der Wohnung nicht beeinträchtigt ist. Das ist etwa bei kleineren optischen Mängeln der Fall. Solche stellte die 27-jährige Melanie König (Name geändert) fest, als sie im letzten Juli eine Neubauwohnung in der Stadt Zürich bezog. Für die 3-Zimmer-Wohnung zahlt sie ohne Nebenkosten fast 4000 Franken pro Monat.
König listete die Mängel beim Einzug im Antrittsprotokoll auf: Die Küchenplatte hatte Dellen und ein Fenstersims eine drei Zentimeter breite Kerbe. Auch war der Plattenbelag im Badezimmer uneben. Die Wände waren schlecht gestrichen. Davon zeugten eingetrocknete Farbtropfen, zum Teil übermalte Fussleisten und fehlende Farbe in einigen Ecken.
Optische Mängel könnten zwar zu einem Anspruch auf Mietzinsreduktion führen, sagt Gloor. Nicht aber im Fall von König: «Es handelt sich hier bloss um Details», urteilt der Mietrechtsexperte aufgrund von Fotos. Trotzdem war es richtig, dass König die Mängel beim Einzug meldete. So ist beim Auszug klar, dass nicht sie die Schäden verursachte.
Für kleine Schäden gibts kein Geld
Kein Anspruch auf Mietzinsreduktion besteht ausserdem bei Mängeln, die Mieter im Rahmen des sogenannten kleinen Unterhalts selbst beseitigen müssen. Dazu zählen aber nur Reinigungen und Reparaturen, die kein Fachwissen erfordern und nicht mehr als rund 150 Franken kosten. Oft regeln die Mietverträge diese Fragen konkreter. Klauseln, die dem Mieter mehr als nur den kleinen Unterhalt aufbürden, verstossen gegen zwingendes Recht und sind ungültig (siehe K-Tipp 14/2021).
Merkblatt
Ein Merkblatt des Mieterinnen- und Mieterver- bands zeigt, um wie viele Prozent Gerichte den Mietzins wegen eines bestimmten Mangels in der Vergangenheit reduziert haben (siehe Tabelle im PDF). Das Merkblatt ist im Internet zu finden unter Mieterverband.ch -> Merkblatt Gerichtsentscheide: Mietzinsreduktion bei Mängeln