Walter Husys Bioschweine haben einen intakten Ringelschwanz. Sie können jederzeit an die frische Luft und in einem Wühlbereich nach Wurzeln und Würmern suchen oder sich in einem Pool abkühlen. Der Bauer sagt: «Die Tiere wühlen jeden Tag stundenlang nach Futter.» Walter Husy hält seine Schweine in Unterentfelden AG heute so, wie sie alle Bauern nach Annahme der Massentierhaltungsinitiative und einer Übergangsfrist von 25 Jahren halten müssten.
Heute leben viele Schweine in der Schweiz ganz anders. Sie haben über ein Drittel weniger Platz zur Verfügung. Die Hälfte aller Schweine bleibt in ihrem nur 180 Tage dauernden Leben im Stall eingesperrt. Frischluft riechen sie zum ersten Mal beim Transport in den Mastbetrieb oder in den Schlachthof. Oft liegen sie apathisch herum. Ihre wichtigste Abwechslung ist die Fütterung. Und diese dauert kaum länger als zweimal eine halbe Stunde pro Tag. Ein Mastschwein wird jeden Tag ein knappes Kilogramm schwerer. So sind die Tiere in der Intensivmast für konventionelle Bauern profitabel.
Das Tierwohl bleibt auf der Strecke. Das zeigt sich auch im «Schwanzbeissen». Schweine beissen auf dem Schwanz ihrer Artgenossen herum und verletzen einander. Auslöser für diese Verhaltensstörung sind gemäss Fachliteratur oft kranke, fiebrige oder gestresste Tiere, die zu wenig Platz oder Beschäftigung haben.
Schwanzbeissen ist in Schweizer Schweineställen weit verbreitet. Das belegt eine Studie der Universität Bern, die in diesem Jahr publiziert wurde. Von rund 200 000 untersuchten Schweizer Schweinen kam jedes dritte Mastschwein mit einem verletzten Schwanz in den Schlachthof. Heiko Nathues, Professor für Schweinemedizin an der Uni Bern, sagt: «Aus tierärztlicher Sicht ist das Ausmass der Schwanzverletzungen bei Schweizer Schweinen inakzeptabel.»
Schwere Fälle führen zu Verurteilungen
Manchmal sind die Zustände in Schweineställen so gravierend, dass Mäster wegen Tierquälerei verurteilt werden. Dem K-Tipp liegen 118 dokumentierte Fälle wegen Schwanzbeissens vor. Auszug aus einem Strafverfahren gegen einen Luzerner Betrieb: «... ist bei 23 Schweinen ein Schwanzbeissen ersichtlich, wobei sechs Tiere sogar blutige, fast fehlende Schwänze aufweisen.» Der Bauer wurde zu einer Busse von 1000 Franken verurteilt.
Bauernvertreter arbeiten jetzt mit Vertretern des Bundes und der Forschung an Lösungen für das Problem. Das ist Tierschützern zu wenig konkret. Sie setzen auf die Massentierhaltungsinitiative, über die bald abgestimmt wird (siehe Box). Die Tierschutzorganisation Tier im Recht sagt: «Schweine würden zu den grossen Gewinnern dieser Initiative gehören.» Bei ihnen werde das Tierwohl besonders krass missachtet. «Hier muss man von legalisierter Tierquälerei reden.»
Auch tierfreundliche Ställe profitabel
Der Bauernverband erklärt gegenüber dem K-Tipp, die genauen Auslöser des Schwanzbeissens seien unklar. Er behauptet aber auch, dass bei einer Annahme der Initiative 95 Prozent der Schweineaufzuchtbetriebe und 50 Prozent der Mastbetriebe ihre Ställe umbauen müssten.
Bauer Walter Husy hat diesen Umbau mit Hilfe von Geldern der Stiftung Haldimann bereits hinter sich. Jetzt ist sein Schweinestall tierfreundlicher und immer noch profitabel. Ein Teil des Fleisches seiner Tiere kommt bei Migros und Coop in die Regale. Den Rest verkauft der Bauer direkt an Privatkunden.
Darum geht es bei der Massentierhaltungsinitiative
Diese Initiative, über die am 25. September abgestimmt wird, will den Schutz der Würde von Nutztieren in der Verfassung festhalten. Sie fordert ein Verbot der Massentierhaltung. Die Folge wären höhere Anforderungen bei der Haltung von Nutztieren. Sie müssten mindestens den Bio-Suisse-Richtlinien von 2018 entsprechen. Das heisst:
- Mehr Platz pro Tier. Beispiel Schweine: Statt 0,9 m2 mindestens 1,65 m2 pro Tier
- Kleinere Gruppen
- Einstreuböden für alle Tiere. Beispiel Schweine: Heute leben 30 Prozent auf nackten Betonböden
- Mehr Beschäftigungsmaterial
- Auslauf ins Freie für alle Tiere
- Importe sind nur erlaubt, wenn das Fleisch nach den gleichen Anforderungen wie in der Schweiz hergestellt wurde
- Die Umstellungsfrist dauert 25 Jahre