Der Skandal liegt drei Jahre zurück: Fehlerhafte Brustimplantate des französischen Herstellers PIP verursachten Entzündungen und rissen häufig (saldo 2/12). In der Schweiz waren über 300 Frauen betroffen. In ganz Europa waren es 80 000.
US-Forscher zeigten in einer 2014 veröffentlichten Studie, dass fünf angeblich innovative Modelle von Hüft- und Knie-Implantaten im Durchschnitt öfter brachen und mehr Nach-operationen nötig machten als bewährte Modelle.
Seit Anfang 2014 schreibt die EU schärfere Kontrollen für Medizinprodukte vor. Im April 2015 zog das Heilmittelinstitut Swissmedic nach. Die Behörde will die Prüfer, welche die Sicherheit solcher Produkte kontrollieren, besser beaufsichtigen.
Anders als bei Medikamenten beschränken sich die Behörden in der Schweiz und in Europa auf die Zuschauerrolle. Die Hersteller von Medizinprodukten kontrollieren sich weiterhin selbst. Die Behörden registrieren nur, wie oft Herzschrittmacher, Stents, Pflaster oder Prothesen versagen.
Die eigentliche Prüfarbeit machen 70 kleine und grössere Privatfirmen, zum Beispiel der deutsche TÜV Süd oder der Dekra. Diese kontrollieren, ob ein neues Produkt einwandfrei funktioniert. Falls ja, bekommt es das CE-Zeichen. Das bedeutet, dass das Produkt in der EU und der Schweiz zum Verkauf zugelassen ist.
In der Schweiz gibt es drei Prüffirmen für Medizinprodukte. Die QS Zürich AG, die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme in Zollikofen BE und die Swiss TS Technical Services in Wallisellen ZH. Letztere wird Ende Juni ihre Prüftätigkeit einstellen. Zu den Gründen äussert sie sich nicht.
«Verbesserungsbedarf» bei Prüffirmen
Neu müssen die Schweizer Prüffirmen einen Hersteller alle drei Jahre aufsuchen und dessen Produkte kontrollieren. Bisher wurden nur Papiere überprüft. Zudem müssen sie ihre Arbeitsschritte besser dokumentieren. Swissmedic schickt auch gelegentlich internationale Inspektoren ins Haus. Diese entdeckten bei Besuchen in Zollikofen und Zürich «Verbesserungsbedarf bei der fachlichen Kompetenz» der Prüfer. Beide Prüffirmen müssen nach eigenen Angaben nun mehr Mediziner einstellen, um die Dokumentationen der Hersteller zu überprüfen.
Fraglich ist, ob das Medizinprodukte sicherer macht. Das neue Prüfverfahren hat eine Hauptschwäche: Die Hersteller zahlen und suchen sich ihre Prüfer selbst aus – und zwar in ganz Europa. Nimmt eine Prüfstelle ihre Aufgabe zu ernst, verliert sie möglicherweise den Auftrag. Hersteller können deshalb wohl unter dem Strich mit milden Beurteilungen rechnen.
Unabhängige Kontrollen sind nötig
Das Risiko tragen die Patienten. Erika Ziltener vom Dachverband Schweizerischer Patientenstellen fordert, riskante Produkte von unabhängigen Stellen kontrollieren zu lassen – und zwar nicht wie üblich nur deren Papiere.
Markus Fritz von der Schweizerischen Medikamenten-Informationsstelle SMI verlangt eine aktivere Rolle des Staates: «Wir sollten komplexe Medizinprodukte genauso streng wie Medikamente kontrollieren.» Die Behörden sollten von den Herstellern Studien verlangen dürfen – genau wie in den USA. Dort entscheidet die Zulassungsbehörde FDA, ob ein Hersteller ein medizinisches Produkt in Verkehr bringen darf oder nicht. Der Hersteller muss Testergebnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit seines Produkts vorlegen.
Das schützt Patienten besser: So veröffentlichte die FDA 2012 einen Bericht über zwölf in den USA nicht zugelassene, «unsichere oder uneffektive Medizinprodukte».
In Europa waren diese 2012 weiter im Handel, darunter Herz-Stents, zerbrechliche Ellenbogen-Implantate und 160 kosmetische Füllmaterialien, die Allergien und Nervenschäden auslösen können.