Mehr Schutz für Opfer!
Ein Skifahrer verletzt eine Frau schwer. Doch der junge Mann kann den Schaden nicht zahlen: Er musste Konkurs anmelden - weil er nicht versichert war.
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K-Tipp 5/2004
10.03.2004
Ernst Meierhofer - emeierhofer@ktipp.ch
Ein Leben lang Schulden» titelte der K-Tipp vor knapp einem Jahr. Die Rede war von einem jungen Mann, der keine Privathaftpflicht-Versicherung hatte. Er verletzte eine Frau auf der Skipiste schwer. Die Verletzte fordert nun 1,5 Millionen Franken Schadenersatz - und eine so hohe finanzielle Bürde wird der Mann wohl nie mehr los.
Für die Frau - sie ist jetzt zu 100 Prozent invalid und kann nicht mehr arbeiten - ist der Ausgang genauso tragisch: Sie erhält ein praktisch wertloses...
Ein Leben lang Schulden» titelte der K-Tipp vor knapp einem Jahr. Die Rede war von einem jungen Mann, der keine Privathaftpflicht-Versicherung hatte. Er verletzte eine Frau auf der Skipiste schwer. Die Verletzte fordert nun 1,5 Millionen Franken Schadenersatz - und eine so hohe finanzielle Bürde wird der Mann wohl nie mehr los.
Für die Frau - sie ist jetzt zu 100 Prozent invalid und kann nicht mehr arbeiten - ist der Ausgang genauso tragisch: Sie erhält ein praktisch wertloses Papier, den Verlustschein. «Ich bin genauso Opfer», klagt sie verbittert.
Zwar sind in solchen Fällen Arzt- und Spitalkosten gedeckt. Falls die Unfallversicherung zum Zug kommt, sind auch Taggelder und eine lebenslängliche Invalidenrente bezahlt. Geld schicken auch die Invalidenversicherung (und allenfalls die Pensionskasse).
Doch damit ist der ganze effektive Schaden des Unfallopfers noch nicht gedeckt: Im Prinzip muss der Unfallverursacher der Frau auch den künftigen Lohnausfall voll ersetzen, dazu kommen in solchen Fällen meist eine Haushalthilfe, Schmerzensgeld und die Anwaltskosten. All dies hätte die Privathaftpflicht-Versicherung des Skifahrers anstandslos gezahlt - wenn er eine gehabt hätte.
Deshalb fordert jetzt die Frau, dass diese Versicherung für alle obligatorisch ist. Der Unfallverursacher selber ist gleicher Meinung; auch ihn hätte ein Obligatorium vor dem finanziellen Desaster geschützt.
Viele Versicherer gegen Obligatorium
Diese Forderung leuchtet ein - zumal für Velofahrer ebenfalls eine Vignettenpflicht gilt, die eine obligatorische Haftpflichtversicherung einschliesst. Laut Statistik der Unfallversicherung Suva sind Unfälle auf der Piste sogar bedeutend häufiger als Velostürze, und Ski- oder Snowboardfahrer erreichen teilweise höhere Geschwindigkeiten als Alltags-Velofahrer.
Geschädigtenanwalt David Husmann von der Rechtsberatungsstelle für Unfallopfer U. P. findet ein Obligatorium ebenfalls «eine gute Idee».
Die Versicherungsbranche steht dem Anliegen allerdings sehr skeptisch gegenüber; nur wenige Versicherer äusserten sich in einer Umfrage des K-Tipp positiv.
Der Schweizerische Versicherungsverband schreibt kategorisch, das sei «eine unnötige Beschränkung der Wahl- und Vertragsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger». Und: «Jedermann soll selber entscheiden dürfen, ob er für einen fahrlässig verursachten Schaden alleine aufkommen oder ob er dieses Risiko mit einem Versicherer teilen will.»
Die einzelnen Versicherungsgesellschaften wenden mehrheitlich ein, ein Obligatorium habe einen grossen administrativen Aufwand zur Folge - unter anderem für die Kontrolle. Und: Der Nutzen der Privathaftpflicht-Versicherung sei allgemein bekannt. Nach Schätzungen der Versicherungen sind 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung bereits freiwillig versichert.
Einen Vorschlag, der vor allem Junge betrifft, macht die Mobiliar. Sie knüpft an die Tatsache an, dass im konkreten Fall der damals 23-jährige Skifahrer zwar schon erwerbstätig war, aber noch zu Hause wohnte. Er war deshalb der Meinung, er sei noch über die Familienpolice der Eltern versichert; das war aber nicht der Fall (siehe K-Tipp 8/03).
Das Problem dahinter: Inwiefern erwachsene Kinder in der Familienpolice noch mitversichert sind, ist von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich. Die Mobiliar schlägt nun ein Verbot vor, über 18-Jährige in der Familienpolice mitlaufen zu lassen. Junge Leute würden dann in jedem Fall eine eigene Police brauchen - und das könnte man auch entsprechend kommunizieren.
Zumindest für die beiden Opfer des Skiunfalls wäre das wohl in finanzieller Hinsicht die Rettung gewesen.
Tipp: Junge Leute ab 18 beziehungsweise 20 Jahren, die noch zu Hause wohnen, sollten sich genau erkundigen, ob sie in der Familienpolice noch mitversichert sind. Studenten zum Beispiel sind meist noch miteingeschlossen (aber nicht in allen Fällen!). Junge Erwerbstätige, die noch zu Hause wohnen, sind in der Regel nicht mehr versichert. Eltern können sie aber bei einigen Gesellschaften gegen eine bescheidene Mehrprämie weiterversichern.
Soll die Privathaftpflicht-Police für alle obligatorisch werden? Antworten Sie bitte auf www.ktipp.ch.