Montag, 6. April 2009, kurz vor 16 Uhr: Im Skigebiet Portes du Soleil im Wallis sausen zwei Ausflügler auf dem Sitz eines Sessellifts unkontrolliert am Seil talwärts und kollidieren mit einem anderen besetzten Sitz. Drei Monate später gibt es bei einem Sesselliftsitz des Seilbahnherstellers Doppelmayr Garaventa erneut einen Unfall, dieses Mal bei einem Sessel der Bergbahnen Samnaun GR. Bei beiden Unfällen wird niemand verletzt. Bereits 1995 und 2005 hatten sich in Samnaun Sessel gelöst. Das zeigen Dokumente des Bundesamts für Verkehr.
Schuld an den Unfällen sind defekte Klemmen. Betroffen sind ältere Seilbahntypen von Doppelmayr Garaventa, die sogenannte Totpunktklemmen des Typs AK2-6 einsetzen. Bei ihnen können Risse und Brüche entstehen, was zum Versagen der Klemmen führt. Seit 30 Jahren lösen sich immer wieder Sessel – zuletzt 2016 am Flumserberg («Saldo» 12/2021).
Garaventa bestreitet, dass es vor dem Unfall am Flumserberg Probleme gab: «Uns sind keine weiteren Störungen und Unfälle im Zusammenhang mit Fehlfunktionen dieses Klemmentyps bekannt.» Die Klemmen würden monatlich visuell geprüft und alle vier Jahre komplett zerlegt und untersucht. «Diese Serviceintervalle verhindern bei fachgerechter Durchführung Störungen im Betrieb.»
«Wenig Interesse, das Problem anzugehen»
Aus Akten des Bundesamts für Verkehr geht hervor, wie der weltweit grösste Seilbahnhersteller auf die Mängel reagierte. Bei Doppelmayr Garaventa sei «wenig Interesse vorhanden, das Problem anzugehen», heisst es in einem E-Mail des Amts an die bundeseigene Sicherheitsuntersuchungsstelle vom März 2016: «Die Kommunikation stockt.» Die Aufsichtsstelle kritisiert ausserdem Berechnungen von Garaventa zur Zuverlässigkeit der Klemmen: «Es kann nicht sein, dass Berechnungen zu einem anderen Schluss kommen als die Realität.» Garaventa dagegen erklärt, dass sämtliche Berechnungen «den Aufsichtsbehörden stets vorgelegt und von diesen nie beanstandet» worden seien.
Der K-Tipp konfrontierte das Bundesamt mit den Dokumenten. Es spielt die Probleme herunter: Doppelmayr Garaventa ha-be Klemmenteile, an denen sich Risse gebildet hätten, saniert oder ersetzt. Zudem habe das Unternehmen im Jahr 2016 neue Vorschriften zum Einsatz der Klemmen an die Seilbahnbetreiber geschickt. Und: Beim Absturz am Flumserberg im selben Jahr habe der Seilbahnbetreiber ein ungeeignetes Bauteil bei den Klemmen eingesetzt. Dadurch seien die Risse an den Klemmen entstanden.
Abfahrt ist auch bei einem Defekt möglich
Tatsache ist: Die Sicherheitsuntersuchungsstelle warnte im vergangenen Herbst, dass weitere Seilbahnen mit Klemmen des Typs AK2-6 kollidieren oder abstürzen könnten. Denn das Hauptproblem ist laut Untersuchungsstelle noch nicht gelöst: Sessel und Gondeln können losfahren, auch wenn die Klemmen nicht richtig schliessen. Das Bundesamt für Verkehr erklärt, die Klemmen seien sicher, sofern sich die Betreiber an die Vorschriften des Herstellers halten würden.